Das isser: Der allererste IBM PC der Baureihe 5150

35 Jahre IBM PC – oder: Wie aus Versehen Standards entstanden

Mal ehrlich: Von der Vorstellung des IBM PC am 12. August 1981 in New York haben seinerzeit hierzulande doch nur die IT-Experten und einige wenige Fachjournalisten etwas mitbekommen. Der Rest von uns träumte von einem Commodore PET, einem Tandy TRS oder natürlich von einem Apple II. International Business Machines, das war das Reich des Bösen, das schmeckte nach Großrechnern, nach Lochkarten und all dem Zeug, das nur merkwürdige Männer in weißen Kitteln beherrschten. Die Vorstellung, man können einen persönlichen Computer von IBM kaufen, um ihn in der eigenen Firma oder gar im heimischen Arbeitszimmer aufzubauen, klang in diesen Jahren mehr als absurd. Und doch sollte die Ankunft des IBM PC die Welt der kleinen Computer nachhaltiger verändern als die Existenz jeden anderen Rechners. Dabei war an der Kiste, die sich mit einer separaten Tastatur und einem dezidierten Monitor ziemlich von der Konkurrent abhob, technisch nur wenig wirklich Nennenswertes.

Standard statt Qualität

Und so begründete der IBM PC eine Regel, die noch viele, viele Jahre in der IT gültig bleiben sollte: Nicht das technisch Bessere setzt sich durch, sondern das, was Standard wird. In kaum 18 Monaten hatte ein Ingenieur-Team bei IBM die Maschine vom Entwurf bis zur Serienfertigung gebracht. Man sagt, diese Mannschaft habe zur Hälfte aus Leuten bestanden, die IBM zu kreativ für ernsthafte Arbeit waren, und zur Hälfte aus Einkäufern und Buchhaltern. Den eines war klar: Der Personal Computer des IT-Giganten musste, ja, billig sein. Dass er dann mit einem Einstandspreis von rund 8.500 US$ in der minimalsten Konfiguration immer noch ein gutes Drittel teurer war als ein Apple II mit Monitor und fast doppelt so teuer wie ein Commodore PET konnte seinen Siegeszug nicht aufhalten.

Eigentlich hatten die Entwickler CP/M als Betriebssystem vorgesehen, und einige Jahre lang konnte man die PCs, XTs und ATs aus dem Hause IBM wahlweise auch mit einer speziell auf den Intel-Prozessor 8086 angepassten Version namens CP/M-86 bekommen. Denn Anfang der Achtzigerjahre hatte sich rund um dieses „Control Program for Microcomputers“ eine kleine, feine Gemeinde an Unternehmen gebildet, die Software für Geschäftszwecke entwickelte. Im CP/M-Umfeld entstanden quasi die Archetypen der Anwendungen, die wir als Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Datenbanken kennen. Es sprach also überhaupt nichts dagegen, dem IBM PC genau dieses Betriebssystem zu verpassen. Bis auf eines: Eine vernünftige Lizenzvereinbarung mit Digital Research (DRI), dieser Bande Software-Hippies, die CP/M entwickelt hatten. Und zwar von Null auf mit dem Ziel, ein plattformunabhängiges OS zu kreieren.

MS-DOS schlägt CP/M

Denn bis dahin waren die persönlichen und die paar Homecomputer in der Regel mit proprietären System ausgestattet – siehe Apple II. Für Erfinder von Anwendungssoftware wäre eine großflächige Verbreitung von CP/M auf kleinen Computern ein Segen gewesen. So wie es ein bisschen später die Eroberung der PC-Welt durch MS-DOS werden sollte. Um die Frage, warum Digital Research nicht anstelle von Microsoft berühmt, groß und reich geworden ist, ranken sich zahlreiche Legenden. Von denen eine unwahr, aber schön ausgedacht ist: Die IBM-Leute hatten es eilig und wollten – nachdem sie evaluiert und sich für CP/M entschieden hatten – rasch mit DRI-Gründer Gary Kildall verhandeln. Der sei aber in den entscheidenden Tagen mit seiner Frau beim Surfen gewesen und habe nach der Rückkehr einfach nicht zurückgerufen.

Um die Entscheidung für MS-DOS und das Entstehen dieses Systems aus vorhandenen Quellen kreisen noch mehr Mythen. Das Verrückteste an diesem Thema ist gar nicht, dass Bill Gates den Zuschlag bekam, obwohl er kein funktionierendes OS vorweisen konnte, sondern welchen für seine Firma genialen Deal er einfädelte. Der Bestand nämlich darin, dass IBM für jeden Rechner, der mit MS-DOS ausgeliefert wurde, einen Lizenzbetrag zu überweisen habe. Eigentlich hatten die IBMler das System kaufen wollen, aber weil sie so extrem unter Zeitdruck standen, schlugen sie ein. Zwischen dem Vertragsabschluss mit Microsoft und der Präsentation des IBM PC lagen ja nur etwas mehr als sechs Wochen. Was auf der Pressekonferenz gezeigt wurde, war dann auch gar kein MS-DOS, sondern eine notdürftige verschleierte Version von QDOS, das Gates dem Herrn Paterson für ein Linsengericht abgekauft hatte.

Übrigens: Weil IBM üblicherweise nichts auslieferte, wo nicht IBM drauf stand, hieß das Betriebssystem, das man zum kleinen Riesen bekam, offiziell bis 1993 PC-DOS bzw. IBM DOS. Und das „D“ im Namen stand für „Disk“, denn es handelte sich um ein Betriebssystem mit Schwerpunkt auf der Verwaltung von Daten auf Floppy Discs. Dass Tim Patterson bei seinem „Quick and Dirty Operating System“ gerade die Dateiverwaltung fast eins zu eines von CP/M abgekupfert hatte, danach krähte nie ein Hahn.

Solide und nicht billig

Einerseits war der IBM PC billig, andererseits sehr solide. Denn man hatte ihm ein Metallgehäuse und eine Tastatur verpasst, die von Großrechnerterminals stammte und extrem robust und ergonomisch war. Die Komponenten im Inneren hatte dagegen ein Suchtrupp bewährter Einkäufer in Taiwan und Japan eingesammelt. Ausgenommen natürlich die Intel-CPU, die zeitgenössische Hardwarefreaks eher so mittelgut fanden. Kein Highlight war der klotzige Röhrenmonitor, der unter heftigem Geflacker giftgrüne Zeichen auf halbwegs schwarzem Untergrund auswarf. Viele Baugruppen – zum Beispiel die Diskettenlaufwerke – stammten aus eigenen Beständen und waren mehr schlecht als recht für kleine Computer geeignet.

Angesichts der technischen Fakten waren die Wettervorhersagen in Bezug auf den Erfolg des IBM PC durchaus unterschiedlich. Zumal ja in vielen Büros in den USA schon Apple-II– oder Commodore-CBM-Systeme standen, die alles konnten, was auch der IBM PC können sollte, aber eben preiswerter waren. So begann der Siegeszug auch an einer Front, an der die Konkurrenz keine Chance hatte: In den Großunternehmen und bei den staatlichen Organisationen, deren IT-Infrastruktur auf IBM beruhte. Da mussten die Vertriebsleute nicht lange herumargumentieren, sondern konnten einfach Strichlisten über die Bestellungen führen. Weil eine kleine, radikale Minderheit bei IBM die Kiste aber auch in den Heimen der Konsumenten sehen wollte, schuf man eine für IBM-Maßstäbe geradezu revolutionäre Werbekampagne und erwarb dafür die Rechte an der Verwendung der Charlie-Chaplin-Figur „Little Tramp“.

Weil so sehr schnell sehr große Stückzahlen von PC- und XT-Modellen mit PC-DOS in die Märkte flossen und die Softwarehäuser begannen, wie verrückt Anwendungsprogramme dafür zu entwickeln, entstand innerhalb von nicht einmal drei Jahren ein Standard, der bis heute die Welt der persönlichen Computer beherrscht. Auch in Deutschland galt spätestens ab 1983: Wer seine Firma computerisieren wollte, schaffte IBM PCs an. Wobei brauchbare Konfigurationen enorm teuer wurden. Der Verfasser dieses Artikels ließ sich im Spätsommer 1983 von einem Computerhandel, dessen Name hier nichts zur Sache tut, das Angebot für einen IBM XT mit allem Zipp und Zapp unterbreiten. Ganz unten stand die Zahl 21.000 – so viel D-Mark sollte die Apparatur (inkl. Drucker) kosten. Stattdessen erwarb er einen Neuwagen der Marke Opel, der sogar ein kleines bisschen weniger kostete.

[Titelfoto: Boffy b via Wikimedia]

3 Gedanken zu „35 Jahre IBM PC – oder: Wie aus Versehen Standards entstanden“

  1. Leider haben sich einige Ungenauigkeiten eingeschlichen. „Hierzulande“ bzw. in Europa wurde der IBM PC erst im Januar 1983 von IBM angekündigt. Der Preis für die Minimalkonfiguration betrug 1.565$ (Quelle: IBM Press Release). Bei der Beschreibung der Komponenten werden teilweise völlig falsche Angaben gemacht. Die Tastatur wurde beispielsweise für das bereits zuvor angekündigte System/23 Datamaster entwickelt – ein relativ kleiner 8-bit-Rechner. Die entsprechenden Diskettenlaufwerke kamen meist (oder ausschließlich?) von Tandon (ursprünglich TM-100, später das doppelseitige TM100-2) und waren so schlecht für kleine Computer geeignet, daß diese auch beim TRS-80 Verwendung fanden.

    1. Vielen Dank für die Ergänzungen und Korrekturen.

      Auch wenn der IBM PC „hierzulande“ (Weshalb in Anführungszeichen?) erst Anfang 1983 vorgestellt wurde, hatten natürlich Fachjournalisten von der Ankündigung in den USA erfahren – es gab da nämlich schon US-Korrespondenten.

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