Alles auf Anfang – wie uns eine Woche veränderte

Wir hatten eine Woche lang soviel Spaß, wie schon lange nicht mehr. Wir wurden so oft wie nie komisch angeguckt, wir wurden auch mal ausgelacht – aber wir haben auf eine Art gearbeitet, die wir schon fast vergessen hatten. Ärmel hochkrempeln, nehmen was man kriegen kann und daraus digitale Geschichten machen. Ein paar davon wollen wir jetzt erzählen.

Es sind übrigens – jedem Unkenruf zum Trotz – alles Geschichten von spannender Veränderung – denn die ist (egal ob man das wahrhaben will oder nicht) das stetigste Element in Hannover. Klar: jeder hat seine Vorstellung davon, was sich wie verändern müsste und nicht jede Veränderung gefällt uns. Aber klar wurde uns zumindest in diesen Tage: alles bleibt anders auf der weltgrößten Messe für IT und Kommunikationstechnologie.

Martin schneidet (1 von 1)

Eine der größten Veränderungen für uns war natürlich die Art, wie wir selbst diesmal von der Messe berichten wollten.  Mit Minimal-Technik. Dass wir uns nicht missverstehen: wir hatten große Kameras dabei – aber die waren im Digisaurier-Berichterstattungseinsatz verboten. Wir wollten mit dem kleinsten technischen Aufwand alles selber machen. Smartphone, Tablett – damit wollten wir berichten. Und so kam es, dass ich zum ersten Mal im Presse-Bus von Halle 12 zur Halle 2 einen Film schnitt, umringt von Kollegen, die sich amüsiert zeigten. Mehr dazu gleich…

Apropos Technik: das Sendezentrum der PARD

Eines der größten Technik-Aufgebote dass ich gesehen habe, um von der CeBIT zu berichten hatte – ein Blogger. Sascha Pallenberg baute mit freundlicher Unterstützung von Intel die Bloggerhütte.

Bloggerhütte (1 von 1)

Und so bewunderte ich ebendort auf der Messe ein Sendezentrum nicht der ARD (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland) sondern  fand mich wieder in sowas ähnlichem – aber diesmal von der PARD (Pallenbergs Arbeitsgemeinschaft für neuen Rundfunk aus Deutschland).

Ja – beide Abkürzungen sind dämlich – aber ich wollte halt irgendwas aus der alten Zeit retten ;-)

Denn in den ersten Stock der Bloggerhütte rein kam eine ziemliche Menge an Technik, um andauernd Menschen im Internet mit Talks und News zu informieren. Irgendwie sah es wirklich so früher bei ARD und ZDF aus… Ich weiß wovon ich rede, ich war dabei. Das Bild unten zeigt das ZDF/3Sat CeBIT Team von Mitte der 90iger Jahre.

CeBIT Team 96 (1 von 1)

Mit all diesen Leuten haben wir damals Liveberichterstattung von der CeBIT gemacht und dazu für das ZDF in Liveschalten berichtet – inklusive einer Bühnenshow an einigen Tagen. Im Technikraum (der bei uns Ü-Wagen hieß) sah es so ähnlich aus wie bei Sascha Pallenberg heute.

Pallenberg Sendezentrum CeBIT16 (1 von 1)

Sascha sieht viel Zukunft in solchen Formaten und ist gerade, wie er mir beim Bier später erzählte, schwer damit beschäftigt genau solche Dinge auszubauen und voranzutreiben. Dazu wurden gerade in Taipeh neue, größere Redaktionsräume bezogen und aktuell werden solche „Studios“ eingerichtet. Das ein Einzelner sowas in diesem Internet macht, hatten wir anno 96 nicht auf dem Radar. Aber was werden wohl 2036 die Menschen dazu sagen, was der Sascha da heute macht? Oder vielleicht bereits schon 2026?

Berichterstatter von Internetmedien? Ein großes Messeproblem

Verändert hat sich aber auch der Umgang der Messe mit solchen Berichterstattern. Prägen sie heute das Bild (auch wenn sich immer noch alle gerne um die großen Kameras scharen, wenn es eine gibt) so waren sie mal ein dickes, fettes Messeproblem, die Internetkollegen. Kann man sich nicht vorstellen? War aber so: wir besuchten (natürlich mit dem Smartphone zwecks Aufnahme) Ulrich Koch, damals seines Zeichens in der Presseabteilung verantwortlich für die „aktuellen“ Medien. Und diese Internet-Journalisten gehörten dazu. Und waren nicht einfach für die Messe-Presse…

Wenn man es zusammenfasst kann man sagen: es war Neuland. Und die Messe kannte Online einfach keine bekannten Absender. Wer mit einem Schreiben vom Handelsblatt oder der Süddeutschen Zeitung ankam, der war natürlich akzeptiert. Wer einen Presseausweis hatte, der war durch andere legitimiert, die das vorher überprüft hatten. Aber die ersten Onliner konnten ihre Produkte ja noch nicht mal vorzeigen. Laptop hatte noch keiner. Von Internet-Zugang auf der Messe für jeden ganz zu schweigen.

„Als die Laptops kamen wurde es besser. Da konnten die Online-Journalisten uns wenigstens zeigen, was sie machen… Wir konnten das einschätzen.“

Ulrich Koch,
bis 2007 verantwortlich für aktuelle Medien bei der CeBIT

„Das wurde dann besser, als die Laptops kamen“, erzählt uns Ulrich Koch noch an dem Abend. „Da konnten die uns zeigen, was sie machten. Wir konnten das einschätzen. Und langsam lernte man auch die Online-Medien kennen.“

Is´ ja nicht wahr… Ein paar Schlachtfeld Geschichten

Die Messe war immer und ist bis heute eine Art Großkampf-Phase. Es geht um Aufmerksamkeit, Hintergründe und – schräge Geschichten. Wer erinnert sich zum Beispiel noch, dass die Messe mal so voll war, dass eine PR-Agentur draußen (unmittelbar vor dem Messegelände) von einer Gärtnerei ein Gewächshaus anmietete und dort Journalisten-Treffen stattfanden. Drinnen war absolut kein Plätzchen mehr zu kriegen… So saßen wir in einer permanent leicht dampfigen Atmosphäre. Unvergesslich…

Aber auch ein paar Kollegen haben Geschichten beigesteuert…

Ulrich Koch von der CeBIT erinnert sich zum Beispiel an die Nacht als sein Auto verschwand, aber die Messe gerettet wurde…

Kollege Tim Cole erinnert sich an seine spannendste Begegnung auf der CeBIT. Die war mit einem Internet-Kühlschrank, einer Internet-Waage und einem Mann der das alles verbunden sah – damals schon. So hat der gute Tim dann auch Digitalisierung verstanden – und lebt bis heute davon…  Und ich habe bemerkt, dass der Handy-Video-Journalist vor allem auf die Kollegen aufpassen muss, die im Hintergrund Wein trinken :-) Aber seht selbst…

Und Thomas Kuhn, immer schon Mobilfunkfreak, erzählt eine Geschichte in der Lenningrad Cowboys, Nokia Finnen und er zum falschen Zeitpunkt, am falschen Ort – und vor allem mit dem falschen Handy – zusammentrafen. Und gleich am Anfang wieder die trinkenden Kollegen – seufz…

Die kürzeste Geschicht hatte Gunnar Sohn auf Lager – da machte er was auf der CeBIT, was mit der CeBIT eigentlich nix zu tun hatte, sondern mit ihm als Wirtschaftler… Und dabei ergab sich eine wichtige Erkenntnis für einen Politiker… Tja – auch das leistete und leistet die CeBIT. Heute streamt der Gunnar das halt… Und weil das Statement so kurz ist, konnten es noch nicht mal die Kollegen stören ;-)

Und dann wären da noch die Dinge über die keiner redet. Auch Joachim Jürschick mag nur andeuten, was alle wissen, aber nie einer selbst erlebt hat… Nie…

„Wirklich skurril, sagt man, ging es in den winzigen Trelementen auf Halle 1 zu. Zeugen wird man dafür keine finden – auch nicht nach Jahren. Ganz sicher nicht.“

Joachim Jürschick,
war nie Augenzeuge

Innovation – bitte nur auf dem Silbertablett

Immer wieder – und das geht seit Jahren so – gibt es die Frage. „Was haste denn so an Neuheiten gesehen…“ Und irgendwie ist uns – auch das ist so seit Jahren – nix mehr genug. Aber eventuell hat das auch damit zu tun, dass wir mit kaum mehr was zu beeindrucken sind. Das war mal anders, wie diese kleine „Selfie-Video-Zeitreise“ sicher zeigt. Als das Ding im Video auf der Messe zu sehen war, bezichtigten wir die Telekom der Mogelei und suchten die versteckte Basis-Station. Ernsthaft…

„Natürlich ist das spezifische CeBIT-Flair weg, aber die Zeiten der Digi-Xtase sind halt vorbei. Mir hat die Gliederung der Messe gut gefallen und die durchweg ruhige und sachliche Atmosphäre. In der Open-Source-Halle konnte man jederzeit gute Fachgespräche führen. Nur bei den Drohnen und beim Hackathon, da fühlte es sich an wie CeBIT.“

Rainer Bartel, Mit-Digisaurier
nach 5 Jahren Pause mal wieder da

Im Grunde kann man aus meiner Sicht zwei Dinge festhalten: Zum einen gibt es kaum mehr die eine Geschichte, also das Gadget oder die Anwendung, die die ganze Messe überragt. Sowas wie Second Live über das mal alle redeten (und heute keiner mehr). Und zum anderen muss man immer in seinem Feld suchen – also die Messe besser und intensiver vorbereiten denn je und sich Zeit nehmen. Ein Kollege bringt das gut auf den Punkt:

„In meine drei CeBIT-Tage habe ich 31 Termine gepackt. Gute Termine – und trotzdem war es zu wenig Zeit. Auf dieser CeBIT gab es sicher mehr echte Neuigkeiten als am Ende der 90er Jahre, wo vieles „me too“ war. Und nirgendwo sonst kann man die Branche so konzentriert treffen. Ich würde sogar sagen, die CeBIT heute ist erwachsener, spannender und besser geworden, als die CeBIT vor 10 oder 20 Jahren.“

Joachim Jürschick
Chefredakteur IT Finanzmagazin

Drohne contra Roboter – der ewige Messekampf

Es ist noch nicht solange her, da teilten diese Roboter im Video die geneigte Journalistenschar (damals mehr als 10.000!) in zwei Hälften. Die einen fanden das großartig (ich zum Beispiel, weil man da einfach die Kamera draufhalten konnte und schon eine Geschichte hatte) und die anderen sagten: „Was soll der Schwachsinn… Sollen wir über Spielzeug berichten…? PR-Quatsch…“ Ja, es war PR. Und ja: es wirkte wie Spielzeug. Aber es war Innovation.

Ich behaupte: den meisten von uns war nicht klar, dass wir etwas sahen, was in Zukunft in Form von Industrie 4.0 und der Zusammenarbeit zwischen Menschen und Maschinen eine entscheidende Rolle spielen würde.

Und bis heute ist es so: wir sehen, oft ohne zu erkennen. Als die Drohnen auf der CeBIT der Presse präsentiert wurden, war sofort das Urteil da: „Die füllen nur eine Halle… Die hätten hier sonst nix… Das hat nix mit der CeBIT zu tun…“ Achja? Dachten wir das nicht auch bei den Robotern? Oder bei den Spielekonsolen? Bei den Multimedia PCs? All diese Dinge haben diese Branche extrem vorangetrieben und verändert. Auch wenn es Zeiten gab, wo die CeBIT diese Aussteller der Messe verwies. Wer erinnert sich nicht an den legendären Play-Station Abbau bei Sony mitten während der Messe…

Übrigens: ich hab mit dem Handy einfach „die Messe“ in Form von Hartwig von Sass dazu befragt: und  er gab mir eine plausible Antwort, die gut zu meiner Erfahrung mit den Robotern passte: Es ist mehr als man sieht…

Die Kunst lag immer darin, die Spuren zu lesen. Ein Bisonherde erkennt jeder, wenn sie vor einem steht. Aber das Spuren erkennen, finden und verfolgen ist unsere Aufgabe als Branchenbegleiter. Denn erst Jahre später wurden aus Spuren echte Messe- und Branchenthemen. Und steht erstmal die Herde vor uns, dann sind wir ganz schnell darin heute zu sagen: Keine Neuheit. Denn: „Ja – klar, hab ich gesehen. Das gab es ja schon…“ Stimmt. Gab es schon. Aber haben wir damals erkannt was es war, werden kann und bedeutet? Und ist es deshalb kein Thema mehr?

Wie eine Woche und 30 Jahre uns verändert haben

Und wir so? Also 2016? Hannover? Haben wir was neues, innovatives, mutiges gemacht? Tja: wir haben halt unsere kleine mediale Innovation umgesetzt. Nur mit Smartphone und Tablett produziert und trotzdem multimedial von der Messe berichtet. Anstatt Teams von 20 und mehr Leuten über die Messe zu schicken, haben wir alles selber gemacht. Sozusagen nur mit dem was wir am Körper tragen.  War das eine große Innovation? Keine Ahnung. Eher Nein. Aber für uns und unsere Idee der medialen Zukunft war es viel und sogar entscheidend. Für unsere Partner und Kunden eine wichtig Erfahrung. Vielleicht sogar – wenn ich mir ansehe, wer nun solche Berichterstattungen für seine Events bei uns beauftragt – sogar ein Stück Vorantreiben der digitalen Transformation – oder wie immer man es nennen will.

Es war auf jeden Fall konsequentes umsetzen der digitalen Möglichkeiten. Konzentration auf redaktionelle Leistung statt auf Technik. Und es war anstrengend. Für uns. Und auch für unsere Gäste. Siehe dieses Beispiel mit dem Bitkom Hauptgeschäftsführer Rohleder. Aber: wir haben es gemeinsam hinbekommen, dieses Interview und die ganze Berichterstattung in der Form. Kann man ja hier sehen. Ein Stück weit ging das nur mit Lachen über uns selbst.

Aber auch damit das Lachen von anderen zu ertragen. Als ich den kleinen Drohnenfilm im Presse-Bus zwischen Halle 12 und und Halle 2 schnitt, guckten mir zwei Kamera-Kollegen  mit großen Kameras und Stativen von Sendern über die Schulter.

„Was machste denn da…“
„Den Film von gerade eben schneiden…“
„Wann soll der fertig sein?“
„Jetzt gleich…“
„Für wen machst du das denn?“
„Für´s  Internet…“
„Achso – ja dann…“

ARD & ZDF Kollegen im Bus

Und am Schluss dieses wissende Grinsen der beiden. Der Blick der sagt: Amateure… Also wir – in den Augen so manches Kollegen.

Tja, kann man sehen wie mal will. Und auch die Blicke der Presse-Kollegen als ich – in meinem gesetzten Alter und brav mit Krawatte und Anzug – in mein iPad reinmoderierte, statt in die große Kamera, sprachen Bände.Martin moderiert (1 von 1)

Oder der Martin (ohne Krawatte, mit Pulli, aber Jacket), der immer wieder gerne von den Fotografen abgelichtet wurde, wenn er in sein Handy moderierte. So als schräges Bild der Messe war er gern genommen… Und schaffte es so sogar – für 1,2 Sekunden – in den Opening-Trailer der großen Abendveranstaltung.

Was auch immer die denken. Macht nix. Wir denken, das ist ein Weg. Und es geht uns noch nicht mal darum, wer zuletzt lacht… Sondern nur darum, dass wir selten soviel gelacht haben  und soviel Spaß hatten auf einer CeBIT. Und das war wirklich wieder ein ganz neues Gefühl für uns… Nach 30 Jahren und einer Woche kein schlechtes Ergebnis, oder?

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