Andy Hertzfeld (rechts) und Steve Wozniak, ca. 1985 (Foto: Wikimedia)

Computerhelden (11): Andy Hertzfeld, der Software-Magier des Macintosh-Teams

Als ich kürzlich – zugegeben mit einem unguten Vorgefühl – den Film über Steve Jobs sah, den Regisseur Danny Boyle als schwer erträgliches Psychodrama angelegt hat, fiel mir angesichts der Rolle des Andy Hertzfeld, dass ich 1985 oder 1987 eine leicht skurrile Begegnung mit diesem Kerl meines Alters, der sich selbst Software-Magier nennt. hatte. Und zwar auf der Münchner Computermesse Systems. Da war Hertzfeld schon nicht mehr Apple-Mitarbeiter, sondern Mitgründer des Hardwareschuppens Radius. Irgendeine PR-Agentur hatte es geschafft, mich an irgendeinen Gemeinschaftsstand zu locken, um mich für die Produkte des Unternehmens zu begeistern.

Skurriles Treffen auf der Systems

Ein Kind vieler Väter - u.a. von Andy Hertzfeld
Ein Kind vieler Väter – u.a. von Andy Hertzfeld

Tendenziell wäre ich auch begeisterungswillig gewesen, denn man zeigte eine noch kleine Palette Hardwareerweiterungen für den damals von mir heißgeliebten Apple Macintosh. Allerdings fand die betreuende PR-Frau keinen adäquaten Gesprächspartner am Stand, sondern nur eine Type im leicht ausgefransten Mac-T-Shirt, der in der Ecke herumlungerte, Kaffee trank und ständig seine ziemlich große Brille auf dem Nasenrücken nach oben schob. Sie fragte ihn, ob er mir etwas zu den Produkten sagen könne, und er antwortet kurz und knapp: Nope. Er sei nur der Software-Guy und habe keine Ahnung von dem Zeug. Ich reichte ihm die Hand, er stellte sich als Andy Hertzfeld vor, und mein Journalisten-Kleinhirn signalisierte mir: Hier könnte ein spannendes Interview entstehen.

Andy Hertzfeld schwärmt in der ersten Serie der Werbung für den Macintosh von „seinem“ Baby:

Dem war dann nicht so. Zu gern hätte ich ihm ein paar Geheimnisse aus der legendären Ära des ersten Macintosh entlockt, aber Andy verlor sich in Anekdoten, die sich vorwiegend darum drehten, wie der eine Kollege den anderen veräppelt hatte, wie sie diese oder jene US-amerikanische Feiertage im Labor verbracht und was man dabei gegessen und getrunken hat. Offensichtlich hat sich beim selbsternannten Software-Magier eine gewaltige Menge solcher Schoten und Dönekes angesammelt, denn seit 2004 betreibt er die Website folklore.org, auf der man diese Familiengeschichten nachlesen kann.

Familientreffen zu Andys 40. Geburtstag
Familientreffen zu Andys 40. Geburtstag

Wir verstanden uns gut, der Andy und ich, aber aus professioneller Sicht war das Gespräch ein Mega-Flop. Zumal mir damals überhaupt noch nicht klar, wie sehr dieser Mr. Hertzfeld mit seinem Tun um den Mac die folgende Softwareentwicklung beeinflusst, ja, geprägt hat. Nachweisbar stammt das Gros des Codes im ROM der ersten beiden Mac-Generation von ihm. Dazu praktisch alle Tools für Entwickler von Anwendungsprogrammen für den Würfel. Beim Bau der GUI-Toolbox hat Andy mal so eben im Vorübergehen Dinge wie das Kontrollfeld. Unspektakulär? Nein, sensationell! Denn JEDES Formular in einer GUI-Umgebung besteht aus verschiedenen Kontrollfeldern, die der User anklickt und befüllt, und die von der Software ausgewertet werden können. Dieses Konzept gab es zuvor nicht, er hat’s erfunden.

Eine Art Computer-Hippie

Viele Leute, die den Andy ebenfalls oder besser kennengelernt haben, beschreiben ihn als eine Art Computer-Hippie, als einen der letzten Vertreter der Generation „Homebrew Computer Club“, die daran glaubten, dass der Computer als persönliches Werkzeug die Kreativität eines jeden Menschen freisetzen könnte und dass deshalb Software FREI zu sein habe. Klar, dass er über ein paar unglückliche Zwischenstationen bei der Open-Source-Bewegung landete und bis auf den heutigen Tag dort aktiv mitwirkt – besonders gern natürlich im Linux-Umfeld, wo er an der Entwicklung des Nautilus-Daten-Browsers beteiligt war.

Hier ein mehr als einstündiges Interview mit Andy aus dem Jahr 2005, in dem er einige der erwähnten Anekdoten zum Besten gibt:

Alles in allem scheint ihn seine Darstellung im erwähnten Film ganz gut zu porträtieren. Dort wird er als von Jobs gelegentlich erpresster Programmierer gezeigt, der mit seinem großen Herzen und einer nicht unerheblichen Summe dafür sorgt, dass Lisa, die von Jobs nie anerkannte, hochbegabte Tochter, studieren konnte, wo sie am meisten vom Studium profitierte. Ähnlich wie Stephen „Woz“ Wozniak hatte Andy Hertzfeld weder ein Interesse, noch ein goldenes Händchen fürs Geschäft – das, was er tat und tut, macht er aus Leidenschaft. Viele dieser Sorte gibt’s nicht mehr in der IT-Branche.

Und hier noch ein entscheidender Ausschnitt aus dem Film über Steve Jobs mit dem Konflikt zwischen dem Apple-Boss und Andy Hertzfeld (der nach seinen Angaben soo nie stattgefunden hat):

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