Der Floppy-Papst: Jugi Tandon (2013)

Computerhelden (8): Jugi Tandon, der Erfinder der doppelseitigen Floppy

So mancher Digisaurier-Fan könnte schon an der Überschrift dieses Artikels scheitern – wer weiß denn noch, was eine „Floppy“ ist? Und was an der Doppelseitigkeit so besonders war… Jedenfalls hat Dr. Sirjang Lal Tandon, den sie alle „Jugi“ nennen, einen nicht unerheblichen Anteil am gigantischen Erfolg des IBM PC und seiner Klone in den Achtzigerjahren. Wie so viele der frühen Computerhelden hatte er zum richtigen Zeitpunkt das richtige Näschen. Als gelernter Elektromechaniker wirkte er bei IBM in der Entwicklungsabteilung für magnetische Massenspeicher, also Disketten- und Festplattenlaufwerke. Und so um 1974 herum hatte er die Idee, man könne die Speicherkapazität der weichen Scheiben (daher der Begriff „Floppy“) verdoppeln, indem man eben beide Seiten nutzt. Gedacht, getan: In seiner Garage in Chatsworth, einem LA-Stadtteil ganz im Norden, bastelte er ein Diskettenlaufwerk mit zwei Schreib-Lese-Köpfen – eins oben, eins unten. Und das war eine Revolution.

Ein beinahe prähistorisches Tandon-Floppy-Laufwerk mit 360 KB Kapazität
Ein beinahe prähistorisches Tandon-Floppy-Laufwerk mit 360 KB Kapazität

Um ganz ehrlich zu sein: Ein Visionär war Jugi nie. Zweimal traf ich ihn, und zweimal drehten sich die Gespräche eigentlich nur um Produktionskapazitäten und Verkaufspreise. Auch ein „Computerfreak“ war er nicht und nutzte den PC selbst eher wenig. Ja, leider muss man auch sagen, dass er nicht einmal ein besonders genialer Geschäftsmann war. Obwohl es ihm in den Achtzigerjahren zweimal auf höchst geschickte Weise gelang, seine Tandon Corporation vor der Pleite zu bewahren. Seine frühe Geschäftsphilosophie war einfach: Wenn ich eine Million Floppy-Laufwerke für je 200 Dollar verkaufen kann, mache ich zehnmal so viel Umsatz als wenn ich zehntausend Geräte zu je 2000 Dollar verkaufen kann. Also drehte sich nach der Gründung der eigenen Firma alles um Massenproduktion. Mit an Bord waren begabte Vertriebsleute, die zuvor bei IBM und anderen Giganten der damaligen IT gewirkt hatten und beste Kontakte in alle Firmen mitbrachten, die als Kunden in Frage kamen. Die waren so erfolgreich, dass Jugis Company spätestens nachdem sich IBM für Tandon-Laufwerke entschieden hatte beinahe das Monopol auf diesem Marktsegment hatte.

Sechs Jahre Vorsprung vor dem Wettbewerb

Tatsächlich dauerte es fast sechs Jahre bis Wettbewerber, vor allem aus Taiwan und Japan, gleichwertige Produkte anbieten könnten – in dieser rasanten Phase der Computerisierung eine Ewigkeit. Viele Freunde machte er sich mit seiner Philosophie in den USA übrigens nicht, weil er fast von Anfang an in Indien und Singapur fertig ließ, also kaum Arbeitsplätze vor Ort schuf. Besonders als sein Aktienanteil an der Corporation beinahe 400 Millionen US$ wert war und er unter die Top 40 auf der Forbes-Liste aufstieg, flogen ihm die Herzen nicht wirklich zu. Zumal er sich dann auch noch im beschaulichen Chatsworth einen 20-Zimmer-Palast bauen ließ. Mir kam es auch so vor, als ob er mit den USA sein Leben lang nicht richtig warm wurde. Mit 18 war er im Besitz von 3.000 US$, die ihm die Familie gegeben hatte, zum Studieren in nach Amerika. Und heute lebt er wieder – zumindest den größten Teil des Jahres – in Indien, wo er die Firma Celetronix gegründet hat und als CEO führt, die allerlei elektronische Komponenten fertigt.

Werbung für ein Tandon-DataPac-Laufwerk (ca. 1987)
Werbung für ein Tandon-DataPac-Laufwerk (ca. 1987)

1975 gründete er die Tandon Corporation und um 1983 herum hatte das Unternehmen Shugart, den praktisch einzigen Konkurrenten, weitgehend ausgestochen und war unbeschränkter Marktführer bei 5,25-Zoll-Diskettenlaufwerken. Jugi Tandon pflegte zu sagen: „Der Unterschied ist: Wir sind Hersteller, die anderen nur Konfektionierer“ – was auch stimmte, denn alle komplexen Komponenten in Tandon-Produkten wurden auch von Tandon selbst hergestellt. Aber schon 1986 geriet der Laden zum ersten Mal in eine massive Krise. Die wachsende Zahl Mitbewerber erzeugte einen massiven Kostendruck, und plötzlich war es ein Nachteil, Hersteller und nicht Zusammenbastler zu sein. In einem radikalen Schritt formte Jugi seine Firma innerhalb weniger Monate zu einem PC-Hersteller um.

Und plötzlich auch ein PC-Hersteller

Ein Tandon 286 PC mit zwei DataPacs
Ein Tandon 286 PC mit zwei DataPacs

Auch wenn die Tandon PCs in den Vereinigten Staaten mangels starker Vertriebskanäle nicht besonders erfolgreich waren, die Europa und in Indien liefen sie hervorragend. Und dass aus einem einfachen Grund: Die Kisten waren auf dem Stand der Technik, bestens designt und von optimaler Fertigungsqualität. Billig waren sie nicht, und es waren auf dieser Seite des Atlantik vor allem mittelständische Unternehmen, die sich für Tandon entschieden.

Mit einer auf den ersten Blick schrägen Erfindung wollte Jugi dann den Erfolg des doppelseitigen Floppy-Laufwerks wiederholen: mit dem DataPac. Die Idee war, austauschbare, transportable Festplatten anzubieten, die stoßgesichert in einem robusten Gehäuse steckten. In meinem Büro jener Jahre stand drei Jahre lang ein Tandon 286er mit zwei integrierten DataPac-Laufwerken – und ich liebte diese Maschine. Jedes Pack war etwas so groß wie eine Butterbrotdose und konnte sagenhafte 20 Megabyte speichern – davon hatte ich drei Stück. Und am heimischen Commodore PC hing ein Laufwerk für dieses DataPacs. So konnte ich größere Datenmengen bequem hin und her transportieren.

Abstieg und Neubeginn

Außerhalb der kleinen Tandon-Welt waren DataPacs kein Erfolg, und bei den Diskettenlaufwerken hatte man den Sprung zu den 3,5-Zoll-Scheiben ein bisschen verpasst. Zumal Jugi annahm, dass die Kapazitäten von Disketten nicht mehr ausreichen würden und die Welt bald nach portablen Festplatten oder irgendwelchen futuristischen Datenträgern (magneto-optisch und derlei Kram…) lechzen würde.

Wir wissen, dass es anders kam. Und so war 1993 Schluss mit der Tandon Corporation. Der Gründer versuchte noch, den Laden mit ein paar Tricks an Schmitz Backes vorbei zu steuern, unter anderem durch eine klammheimliche Umbenennung und den überstürzten Rücktritt. Das half nichts, und so wurde das Unternehmen, das mit seinen doppelseitigen Floppy-Disc-Laufwerken eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des PC geschaffen hatte, Geschichte. Wie früher schon hat Jugi Tandon nicht besonders viel Kontakte in „die Szene“. Nur selten sieht man ihn auf Messen und Konferenzen. Aber vielleicht hat er im Land seiner Herkunft sein Glück gefunden, wer weiß…

Hier ein ganz kurzer Clip über und mit Jugi Tandon aus dem Jahr 2013:

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