Google KI-Chip namens TPU

Google auf dem Weg zum KI-Unternehmen (und der Weltherrschaft?)

Eigentlich sind Keynotes ja inzwischen langweilig, wenn man nicht zufällig Fanboy oder -girl des Veranstalters ist. Das gilt schon länger für Apple, jetzt auch für Microsoft und die anderen Unternehmen sowieso. Besonders langweilig war aber in der Vergangenheit immer die Entwicklerkonferenz von Google mit dem hübschen Namen I/O. Und weil man neidisch auf Apple war, mussten dann schnell wieder eingestampfte Projekte à la Wave (Na, wer kennt das noch?) oder gar Google Glass nach Art des Steve Jobs präsentiert werden. Davon hat sich der Konzern der unbegrenzten forscherischen Möglichkeiten zum Glück entfernt und spricht über wahrlich weltbewegende Entwicklungen auf erschreckend nüchterne Weise – was manchen Betracher des Keynote-Livestreams zum Schlummern brachte. Wer aber die Konzentration hielt, konnte am vergangenen Mittwoch mit dabei sein, als das Unternehmen ganz en passant seine Pläne zur Eroberung der KI-Weltherrschaft offenlegte. Und das bei einer Plauderei über einen Chip. Ja, einen Mikrochip, der auf den unspektakulären Namen TPU hört. Aber fangen wir vorne an…

Denn diesen Mikrochip, der recht eigentlich ein Mikroprozessor ist, existiert schon eine Weile und wurde von Google bereits in diversen eigenen Rechenzentren höchst erfolgreich eingesetzt. Dass die TPU auch hinter dem unerwarteten Sieg eines „Computers“ gegen den amtierenden Weltmeister im japanischen Brettspiel Go steckte, weiß man auch erst seit ein paar Tagen. TPU steht für „Tensor Processing Unit“, wobei Tensor ein Fachegriff aus der Linearen Algebra und Differentialgeometrie ist, den kaum einer kennt und so gut wie niemand auch nur annähernd versteht. Der Name ist klug gewählt, denn tatsächlich ist das Ding ein wachechter 1-Chip-Computer (also ein Prozessor) und außerdem tut es etwas, das mit der Abbildung vieler Vektoren auf einem Objekt zu tun hat.

Das Leben der selbstlernenden Systeme

Für Nicht-Mathematiker, -Physiker und -Informatiker: Die TPU ist in der Lage, Massen von eingehenden Informationen in Bruchteilen von Mikrosekunden auszuwerten und daraus neue Prozesse abzuleiten und diese zu speichern, um sie demnächst zum Auswerten eingehender Informationen zu nutzen. Mit anderen Worten: Das Ding lernt aus Erfahrung. So hat die TPU (in Wirklichkeit waren es mehrere, vielleicht Dutzende, vielleicht Hunderte – das weiß man nicht…) beim Go-Spiel erst gelernt, wie das Spiel geht und wie man es gewinnt. Einfach durch das Auswerten der vom Gegner gemachten Züge. Das ist so faszinierend wie erschreckend, denn eine TPU kann also etwas in Minuten(!) lernen, wozu ein menschliches Hirn im Normalfall Jahre braucht. Das geradezu genialische an Google TPU-Konzept ist, dass die Dinger an bestehende Systeme angeflanscht werden können wie Massenspeicher.

Wenn nicht alles täuscht, hat sich der ehemalige Suchmaschinenkonzern damit auf einen Schlag an die Spitze der gesamten Forschung und Entwicklung rund um die sogenannte „Künstliche Intelligenz“ (KI) gesetzt und quasi im Vorübergehen gleich eine praktische Erfindung mitgeliefert, die demnächst problemlos in JEDES Computersystem integriert werden kann. Wer Google für die böse Datenkrake hält, die alles über uns weiß und dieses Wissen im Zweifel gegen uns wenden wird, kann das nicht anders interpretieren als den Versuch, die Weltherrschaft zu erobern.

Der Rest von uns Digisaurieren, die wir schon so manches in der Computerei haben kommen und gehen gesehen, macht sich da erstmal weniger Sorgen, sondern sieht den unmittelbaren Nutzen. Verrückt genug: Es gibt bereits eine bewährte Anwendung, die auf den Prinzipien und den Prozessen basiert, die in der TPU verdrahtet sind. Wer ein Android-Smartphone nutzt, kennt den Google Assistant und weiß ihn mit einem lässig gesprochenen „OK Google“ zu wecken und mit diesem und jenem zu beauftragen. Wer die zugehörigen Karten auf seinem mobilen Device zulässt, weiß, dass dieser Assistant lernt und oft ganz brauchbare Vorschläge macht. Wer zum Beispiel jeden Dienstag um acht beim Kegeln aufläuft, muss dafür schon lange keinen Termin mehr eintragen – der Google Assistant hat längst gelernt, was Dienstagsabends anliegt und macht sein Herrchen darauf aufmerksam.

Die Spitze des KI-Eisbergs

Das ist die kaum stecknadelkopfgroße Spitze des Eisbergs, der hinter selbstlernenden KI-Funktionen steckt, die jetzt schon ihre Unterstützung anbieten. Wohlgemerkt: Was die Siris und Cortanas dieser Welt derzeit können, spielt im Vergleich zu Googles KI-Realität ungefähr in der dritten Liga. Dass ein mobiles Gerät gesprochene Sprache verstehen kann, ist ja auch das Mindeste. Dass natürlich sprachige Fragen zu sinnvollen Antworten führen, auch. Spannend wird es, wo die Systeme lernen und dann die Wünsche und Bedürfnisse der Anwender antizipieren und VON SICH AUS sinnvolle Vorschläge machen. Das zentrale Thema der Künstlichen Intelligenz ist seit langem alles rund um selbstlernende Systeme, und Google ist mit der TPU und den zugehörigen Konzepten ganz vorn dran.

Nein, es wird sicher keine TPUs geben, die sich Otto Normalanwender per USB an seine Devices hängt. Das was eine TPU bzw. ein TPU-Schwarm liefert, muss sowohl auf der Input-, als auch auf der Output-Seite mit massiven Datenmengen umgehen. Das heißt, dass die Google’schen Assistenzdienste in Googles Rechenzentren leben werden, wo demnächst vielleicht ein paar Millionen TPUs hausen, die aus den Gedanken und Fragen der Milliarden Anwender lernen, um dem armen, dummen Menschen schon Antworten geben zu können, bevor denen überhaupt Fragen in den Sinn gekommen sind.

[Foto: Googles KI-Chip TPU – Quelle: Google]

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