Das Ende der Couch-Potatoes?

Junge-Zielgruppe-05943Jugendkanal kommt! Hurra. Nur Online! Bäähh… Auf diese einfache Formel bringen derzeit TV-Verantwortliche die aktuelle Entscheidungslage. Wie kurzsichtig ist das denn? Als Digisaurier, der mit TV groß und mit Computer erwachsen geworden ist, kann ich den „Moment-mal“-Impuls von analogen TV-Menschen verstehen. Für 30 Sekunden.. Aber dann ärgere ich mich…

Über jammernde Programm-Verantwortliche die vor lauter Selbstverliebtheit und vermeintlicher Eigenbedeutung ein Medium runtermachen, vor dem sie einen Heidenschiß haben. Das Netz…

TV-Regie (1 von 1)
Es war einmal eine Zeit, da konnte nur ein Sender sein, wer eine grooooße Regie hatte. Liebe Intendanten – wovon träumt ihr nachts?

Es ist Zeit für das Ende der Couch-Potatoes. Nein – ich meine nicht die Zuschauer, schon gar nicht die Jungen, um die es hier geht. Denn die gucken schon lange nicht mehr nur auf der Couch. Sondern es geht um die Couch-Potatoes, die in den Sendern sitzen und es sich dort auf ihrer Sender-Couch bequem gemacht haben. Die aktuelle Diskussion um den Jugendkanal von ARD und ZDF zeigt mir zumindest: meine Altersgenossen (und so manch jüngerer) hat noch irgendwie die Idee: das richtige Fernsehen und das Internet sind zwei Dinge. Und richtiges Fernsehen kann man nur mit einem echten „Sender“ machen. Achja?

Der Jugendkanal ist wichtig für ARD und ZDF – er kann das Blueprint für den Sender der Zukunft sein!

Also, der Jugendkanal soll kommen. Das ist schön und sicherlich für ARD und ZDF hilfreich. Aber er soll „nur“ online sein, sagen zerknirschte TV-Programm-Macher… Klar verstehe ich – so als Digisaurier – dass die Sender Verantwortlichen (sind ja alle eher mein Jahrgang) am liebsten doch einen „richtigen“ Fernsehsender wollten.

Nur – die Politik sagt: „Orientiert euch daran, was die jungen Leute wirklich tun.“ Und was tun Sie? Genau: sie sind online.

Röhren-Fernsehr
Wenn es nicht so aussieht – dann ist es kein Fernsehen… Achja?

Die erste Reaktion unserer Generation ist natürlich: „Nur Online – das ist irgendwie abwertend! Unsere Jugend hat einen richtigen Sender verdient…“ Aber die Frage in digitalen Zeiten ist doch: was ist ein richtiger Sender? Einer der im terrestrischen TV oder über Satellit auf meinen Fernseher kommt? Nein. Einfach nur einer, den ich  empfangen kann. Egal wie. Einer, der mich begleiten soll. Egal wo. Ein Sender in digitalen Zeiten ist ein Buddy. Ein Freund, ein Wegbegleiter, einer der da ist, wenn ich ihn sehen will. Und zwar egal auf welchem Display und über welche Empfangstechnik. Es gibt kein Primat des TV-Senders bei bewegtem Bild mehr – diese (manchem Angst machende Erkenntnis) sorgt wohl eher für den Beiß-Reflex der Zuständigen, als die Sorge um die „Entwertung der Zielgruppe junger Menschen“.

Und bitte nur bewegte Bilder – ist doch ein Sender… Quatsch!

Und wenn wir schon beim Infrage stellen sind: geht es bei einem „Jugendsender“ eigentlich nur um bewegtes Bild? Nein! Es ist oft gar nicht wichtig, ob er ein bewegtes Bild bietet oder stattdessen eine tolle Bilderstrecke oder eine gut erzählte Geschichte als Audio. Crossmediale Sender sind nicht beschränkt auf die eine oder andere Medienform. Nur weil das Erbgut Fernsehen beinhaltet muss doch nicht nur Fernsehen rauskommen. Es geht um gute Geschichten. In jeder Art der Umsetzung.. Insofern ist es richtig, wenn Senderchefs wie Bellut sagen: ihr müsst uns dann aber auch mehr Freiraum online geben. Ja, da muss sich die Politik bewegen – nicht indem sie zum Schluß doch einen „echten“ Sender genehmigt… Dieser neue Jugendsender könnte, wenn man das Gejammere ums „echte“ Fernsehen wergläßt, der Blueprint für den Sender der Zukunft sein. Wenn genug Mut da ist, das ernsthaft zu machen… Was leider bei Programm für Kinder und Jugend oft sehr zweifelhaft ist. Das war schon so, als ich noch Technik 2000 für das ZDF schrieb…

Das Glas ist halb…

Weingläser_1
Hallo! Das Glas ist nicht halbleer. Im Gegenteil…

So weit so gut. Fazit für mich: die Politik hat schon recht und es geht denen nicht nur ums Geld sparen, wenn sie auf „reines Online“ pochen. So nach dem Motto: online ist billiger. Aber was mich wirklich ärgert ist, dass Sender-Verantwortlichen völlig phantasiebefreit sagen: “ Wir wollten doch ein echter Sender sein. Und wenn wir nur online sein müssen, dann können wir das nicht, weil wir ja im richtigen Fernsehen gar nichts mehr machen. Dabei wäre das doch so wichtig.“ Die tun so, als ob das Glas halb leer wäre. Statt zu erkennen, dass es mindestens halb voll ist…

Keine Frage: gerade in der Übergangszeit die wir im Moment haben ist es wichtig, im klassischen Fernsehen Promotion zu machen für so ein Jugend-Angebot. Aber ganz ehrlich: was hindert die Fernsehleute daran? Sie müssen einfach nur ein paar kleine Programm-Fenster freiräumen und schon findet der Jugendkanal auch im „echten“ Fernsehen statt. Als Appetithappen… Hier mal ein paar Minuten im richtigen inhaltlichen Umfeld, dort mal ein Gast-Auftritt mit Einspieler, da mal ein paar Minuten Trailer vor einem Tatort oder einer großen Serie. Das macht man für zdf.neo doch auch… Fertig ist der „Fernseh“-Verweis auf das Online-Angebot. Ist online das nicht wert? Ist der Jugendsender im Netz das nicht wert? Sind die Jugendlichen für die das Programm gemacht wird, das nicht wert? Ich finde es also einfach falsch, wenn die Senderchefs sagen: wenn ihr uns keinen eigenen Kanal erlaubt, dann können wir nichts für den Jugendkanal im Fernsehen machen. Aus meiner Sicht ist das Quatsch. TV als Promoter – gerne. Aber ansonsten gilt: Fish where the fish are. Sende dort, wo die sind, die dich sehen sollen.  Und, möchte ich noch dazu rufen: arbeitet an eurem Selbstverständnis! Verlasst die Fernsehcouch. Für einen richtig geilen Jugendkanal. Das wär´s wert…

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