Der erste Prototyp einer Computer-Maus von Doug Engelbart (Foto: Wikimedia)

Kleine Weltgeschichte der Touch-Bedienung (1)

Aufmacherbild: (c) SRI International/Wikimedia Commons

Am Anfang war der Befehl. Und der Befehl war klar. Jedenfalls wenn er richtig eingetippt wurde. Denn die erste Benutzeroberfläche eines Computers bestand aus einer Befehlszeile, in die per Tastatur eine Anweisung eingegeben wurde. Davor gab es ja weder Benutzer, noch Oberfläche, sondern Männer und Frauen in weißen Kitteln, die den Computer mit Lochkarten oder Bändern fütterten. Eine Touch-Bedienung? Wer hätte das gebraucht. Damals. Die Idee eines persönlichen Computers aber brachte gleichzeitig das Konzept der Benutzeroberfläche als Mensch-Maschinen-Schnittstelle hervor: Der Mensch (Anwender, Benutzer, User…) sollte der Maschine (Computer, Rechner, Kiste…) mitteilen können, was die Kiste für den Anwender tun sollte. Und der Anfang davon war Science Fiction….

Die Metapher jener frühen Jahre hat ihre Wurzeln im Science-Fiction-Roman, also in dem Genre, das den Roboter erfunden hat. Den stellte man sich als humanoide Maschine hervor, der sein Herrchen Befehle erteilte, die dieser auszuführen hatte. Weil die frühen Computer aber keine Ohren hatten, musste man ihnen die Anweisungen in Textform erteilen. Ein wirklich Großer der IT-Ingenieurskunst hatte aber schon in den Sechzigerjahren die Vision eines ganz anderen Umgangs des Menschen mit dem Computer: Douglas Engelbart.

The Mother of All Demos

Sein Vortrag vom 09.12.1968, der später als „The Mother of All Demos“ in die Computergeschichte einging, führte in ziemlich genau 90 Minuten alle grundsätzlichen Dinge vor, die für uns bei der Benutzung digitaler Devices selbstverständlich sind. Verstanden hat das damals so gut wie niemand, ja, Engelbarts Vorstellung, in Zukunft könnten Computer Informationsmaschinen für jedermann sein, trugen ihm Kopfschütteln ein, und gerade Journalisten erklärten ihn zum verrückten Genie.

Es dauerte aber bis 1973, bis seine Ideen im Palo Alto Research Center (PARC) der Kopierer-Company Rank Xerox in Gestalt des Xerox-Alto Realität wurden. Grundlage des Engerlbart’schen Konzepts ist die Desktop-Metapher. Alles was in Form begrenzter und beschreibbarer Daten in einem Computer vorliegt, wird als Reihe von Elementen gesehen, die auf eine Fläche geholt und dort bearbeitet werden können – so wie auf einem Schreibtisch Mappen und Schriftstücke herumliegen, die man sich zur Nutzung heranzieht. Dateien und Ordner (files and folders) sollten auf dem Bildschirm als Symbole (Icons) sichtbar sein. Mit einem geeigneten Gerät sollte der Anwender auf die Symbole zeigen, sie auf der Fläche hin und her bewegen und schließlich öffnen können.

Die Desktop-Metapher und die Maus

Voraussetzungen dafür war die Erfindung des Zeigers als Weiterentwicklung des Textcursors bei der Befehlseingabe per Tastatur. Und vor allem die Erfindung der Maus, die so genial ist, dass man sie aus heutiger Sicht kaum noch angemessen bewerten kann. Denn die Idee, mit der Hand eine Gerät auf einer horizontalen Fläche zu bewegen und damit die Bewegung eines Zeigers auf einem vertikalen Bildschirm auszulösen, ist viel weniger selbstverständlich als man glauben mag. Ja, es gab im Xerox-PARC jede Menge Zweifler, die annahmen, kein Mensch könne sich an die notwendige Auge-Hand-Koordination gewöhnen.

Im Video sieht man – laut Quellenangabe – eine Demonstration des Systems aus dem Jahr 1974.

„Ich hatte das große Glück, mit einer der ersten Lisas von Apple, die 1980 nach Deutschland kam, experimentieren zu dürfen. Und lernte so die Maussteuerung kennen. Tatsächlich brauchte ich ungefähr fünf Minuten bis die Sache saß. Je weniger man darüber nachdachte, desto runder verlief die Bedienung.“

Rainer Bartel, Digisaurier

Steve Jobs und Bill Gates waren da – die Inspiration zur Touch-Bedienung ging vom Xerox-Alto aus

Historisch ist gesichert, dass sowohl Steve Jobs, als auch Bill Gates Mitte der Siebzigerjahre im PARC zu Gast waren und dort auch den Xerox-Alto und seine Nachfolger in Aktion kennen lernten. Wir wissen deshalb, dass sich die beiden Giganten der kleinen Computer damals haben inspirieren lassen und zu Fans der grafischen Benutzeroberfläche wurden – die Basis für die Entstehung von Apple Lisa und Mac und wenig später für Microsoft Windows. Graphical User Interface (GUI) nannte man dann ab etwa 1984 allgemein diese Kombination aus einem Bildschirm, der nicht mehr nur Text, sondern eben auch Bilder, Symbole und Icons darstellen konnte, und der Maus als Eingabegerät. Randnotiz: Dass die Maus im DDR-Computerkombinat Robotron offiziell „Rollkugeleingabegerät“ hieß, ist bloß eine Legende…

Die unbekannte zweite Wurzel: das Grafiktablett

In meiner Zeit bei einer PR-Agentur in Düsseldorf hatte ich das große Vergnügen, die Arbeit für die japanische Firma Wacom unterstützten zu dürfen. Die ist seit 1984 bekannt für ihre Grafiktabletts. Diese Dinger werden oft auch Digitizer oder Drawing Tablets genannt, was die Spur ihrer Erfindung vorzeichnet. Und die reicht zurück bis in die Fünfzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts.

Die Idee hinter dieser Erfindung war es, Menschen zu ermöglichen, mit einem Stift auf einer Oberfläche zu zeichnen, sodass die Spuren auf einem Bildschirm sichtbar würden. 1964 kam das erste Gerät der RAND Corporation auf den Markt – gedacht vor allem für den Einsatz in der Medizintechnik sowie im Maschinenbau und der Architektur. Aber schon bei den ersten funktionsfähigen Tabletts experimentierte man mit der Handschriftenerkennung.

Wacom - Treiber der Stifteingabetechnik

Das technische Prinzip war so wenig originell, dass es kein generelles Patent gab. Deshalb entwickelten ab 1979 verschiedene Hersteller verschiedene Tablets und brachten sie mit eher geringem Erfolg auf den Markt; u.a. Apple und auch Samsung.

Die Akzeptanz von Grafik-Tablets war gering – aber für die Touch-Bedienung waren sie wichtig

Die Akzeptanz war vor allem deshalb gering, weil der fest mit dem Tablet verbundene Stift schwer zu handhaben war. 1988 brachte schließlich das erwähnte Unternehmen Wacom sein erstes Tablet mit kabellosem Stift heraus. Das ist umso erstaunlicher, als Wacom zuvor eher in der Software tätig war – insbesondere im Bereich CAD. Mit einem solchen kabellosen Tablet wurde die Arbeit mit CAD-Programmen um ein Vielfaches leichter. So kam es, dass sich Grafiktabletts in diesem Bereich rasend schnell verbreiteten und Softwareanbieter wie Autodesk (Hersteller von Autocad) zwischendurch mehr Bundles aus Software und Tabletts verkauften als reine Programmpakete. Getrieben durch die wachsende Beliebtheit der Apple Macs bei Grafikdesignern entstand zeitgleich ein zweites gewaltiges Marktsegment.

Nun muss man wissen, dass Wacom immer ein Ingenieursunternehmen war, dessen Führungspersönlichkeiten immer nach der besseren technischen Lösung strebten und enorm viel Geld in die Entwicklung steckten. Ziel dieser fortlaufenden Ingenieursarbeit war vor allem, die Genauigkeit zu verbessern und die Nutzung der von echten Stiften auf echtem Papier immer ähnlicher zu machen. Die Ergebnisse flossen aber nicht nur in die eigenen Produkte ein. Wacom begann sehr früh, die entscheidenden Komponenten auch anderen Herstellern anzubieten. Und legte damit die Grundlage für den rasanten Boom der Computerchen mit Stifteingabe.

Zeigen, drücken, malen, schreiben

Und damit waren dann alle Konzepte für die Touch-Bedienung, wie wir sie kennen, beisammen. Schon auf dem wunderbaren Apple Newton, den Palm Pilots und sonstigen Personal Digital Assistants (PDA) war all das möglich: auf etwas zu zeigen, es anzutippen, um zu öffnen, es anzufassen, um es zu bewegen, auf dem Display zu zeichnen und zu schreiben. Da war aber das Uraltprinzip der Befehlseingabe per Tastatur auch schon ziemlich tot. Wie der Übergang von der Stiftbedienung zum Touch-Prinzip ablief, schildert die zweite Folge.

Kleine Weltgeschichte der Touch-Bedienung (2)

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