Schach gegen einen Großmeister - die Shredder-App

Lieblings-App: Shredder – Schach gegen einen Großmeister

Mein Berufsweg ist auf vielfältige Weise mit dem Schachspiel verbunden. Als Angestellter einer PR-Agentur kam ich 1980 mit der Münchner Firma Hegener + Glaser in Kontakt. Mein Job: Verfassen von Texten über deren ersten Schachcomputer namens „Mephisto„. Das fiel mir leicht, war ich damals doch aktiver Spieler im vermutlich kleinsten Schachclub Deutschlands. Der trainierte in einer Eckkneipe, war nach der fiktiven Schachgöttin Caissa benannt und hatte damals zehn Mitglieder, von denen einer das Spiel eigentlich nicht konnte. Weil ich nicht der schlechteste im Verein war, saß ich einige Jahre lang regelmäßig am achten Brett, wenn die Mannschaft in irgendwelchen obskuren Sälen gegen andere Teams antrat. Und dann kam das „Brikett“ ins Haus – so nannten die Hersteller ihren ersten Schachcomputer liebevoll … und völlig zu Recht.

Mein erster Computer: Ein Mephisto-Brikett

Ein Mephisto-II-Brikett (Foto: Chess Computer Blog)
Ein Mephisto-II-Brikett (Foto: Chess Computer Blog)
Denn es handelte sich um ein schwarzes Kästchen mit Tastatur und Sieben-Segment-Display, mehr nicht. Man gab die Koordinaten des eigenen Zuges ein und bekam als Antwort Mephistos Gegenzug. Beides übertrug man auf ein stinknormales Schachbrett. Was mich umhaute: Das Ding gewann gegen mich! Nicht immer, aber immer öfter. Letztlich löste dieser Nachfahre des „Schachtürken“ von Wolfgang von Kempelen und des legendären Schachautomaten von Charles Godfrey Gümpel bei mir das Interesse am Computer aus. Wenn, so dachte ich, so ein winziges Computerchen mich im Schach schlagen kann, wozu sind dann erst diese neumodischen Homecomputer in der Lage?

1985 - Das große Computerschachbuch
1985 – Das große Computerschachbuch
Der Rest ist Geschichte, die 1985 in meiner Beteiligung am Großen Computerschachbuch bei Data Becker gipfelte; dies in Kooperation mit zwei genialen Schachprogrammierern aus Braunschweig namens Hans-Joachim Kraas und Günther Schrüfer. Weil mich das Thema nicht losgelassen hat, wurde es auch in der Computerzeitschrift Data Welt, die zu leiten ich die Ehre hatte, regelmäßig gecovert. So kam es zum Kontakt zu einem mindestens genauso genialen jungen Mann. Matthias Wüllenweber hieß er und stellte uns seine Erfindung vor. ChessBase nannte sich die Software, und keiner von uns konnte ahnen, dass diese Datenbankanwendung den Schachsport für immer verändern würde.

ChessBase veränderte den Schachsport für immer

Die gute, alte ChessBase - gibt's auch als App
Die gute, alte ChessBase – gibt’s auch als App
Wüllenweber hatte nichts weniger erfunden als ein konzises, platzsparendes Datenbankformat zur Aufzeichnung von Schachpartien. Wie jeder Schachsportler weiß, gehört das Nachspielen historischer Partien zum täglichen Training. Früher hatte man also meterweise Bücher und Heftchen mit Partien im Schrank, die man mühevoll auf dem Brett nachvollzog. Und jetzt kommt einer, der auf Anhieb einige Tausend Partien in einer Datenbank hat, von denen man sich jede einzelne am Bildschirm vorspielen lassen kann. Um es kurz zu machen: Schon im dritten Jahr nach dem Start von ChessBase war alles erfasst, was auch nur ansatzweise interessant sein konnte, außerdem hatte Wüllenweber das Programm um die Möglichkeit des (analog-menschlichen) Analysierens und Kommentierens erweitert. Seit 1988 ist ChessBase DAS Werkzeug aller Schachprofis und Großmeister.

Shredder kann man auch online spielen
Shredder kann man auch online spielen
Mit den Mephisto-Programmierern Thomas Nitsche und Elmar Henne sowie dem Eröffnungs-Magier Ossi Weiner und eben Matthias Wüllenweber gab es also damals in Deutschland eine Bande begnadeter Schachprogrammierer, die für eine Weile die ehemals führenden Entwickler aus den USA abhängten. Fehlt nur noch einer. Stefan Meyer-Kahlen aus Düsseldorf hat mit dem von ihm entwickelten Schachprogramm Shredder das Niveau des gesamten Gebietes noch einmal drastisch erhöht. 1992 war die erste Version fertig, die ab 1996 bei diversen Computerschachweltmeisterschaften Titel um Titel abräumt.

Shredder: Intelligenz statt roher Power

Deep Blue, der erste Computer, der einen Schachweltmeister schlug
Deep Blue, der erste Computer, der einen Schachweltmeister schlug
Im Gegensatz zu IBMs legendärem Schachcomputer Deep Blue, der 1989 Garri Kasparow mit schierer Rechenpower schlug, zählt Shredder zu den Schachprogrammen, die mit äußerst schlauen Analysealgorithmen den jeweils besten Zug finden. Das gilt so bis heute. Weil Schlauheit pure Masse schlägt, und weil Programme wie Shredder deshalb vergleichsweise wenig Ressourcen brauchen, eignet sich dieses digitale Großmeisterchen optimal für den Einsatz auf dem Smartphone.

Shredder geschlagen - darauf kann man sich was einbilden...
Shredder geschlagen – darauf kann man sich was einbilden…
Auch wenn die Versionen für Windows, MacOS und Linux über eine Fülle Features verfügen, die der mobilen Version abgehen, kann man jedem, der auch nur ein bisschen Herz für das Schachspiel und/oder den Schachsport hat, die Anschaffung von Shredder empfehlen. Ob für Android (ca. 6 Euro) oder iOS (ca. 4,50 Euro): diese feine App ist ihr Geld wert; zumal man einen Rabattgutschein im Wert von 10 Euro mitgeliefert bekommt, der beim Kauf von Deep Shredder für den Desktop-Rechner angerechnet wird. Mit dem Programm hat man dann einen Gegner auf dem Schreibtisch, der ab einer gewissen Spielstufe so gut wie unschlagbar ist.

Linktipps

Eine profunde und so gut wie vollständige Darstellung der Schachcomputerhistorie nebst höchst seltener Fotos der Akteure findet man im wundervollen Chess Programming Wiki. Stefan Meyer-Kahlen betreibt die Website zu Shredder immer noch selbst; dort kann man nicht nur die Programme und Apps kaufen, sondern online gegen Shredder spielen. Aus ChessBase ist praktisch ein eigener Schachkosmos geworden, in dem jeder Interessent ALLES rund um das Thema Computerschach finden kann. Unser „Großes Computerschachbuch“ wird gelegentlich antiquarisch angeboten; der Clou: Es enthält das vollständige Listing eines funktionierenden Schachprogramms ins BASIC!

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