Ausschnitt aus "Peek/Poke - das Commodore-64-Adressbuch"

Wie Digisaurier im Prä-DeTePe-ikum überlebten

Seite aus "Peek und Poke – Das Commodore-64-Adressbuch"
Erklärtext aus dem Apple II, Listings aus dem C64 – haben wir doch ganz gut hinbekommen, oder?

Hach ja, die guten alten Zeiten… Beim Lesen der Digitalmemoiren der geschätzten hier versammelten Mit-Dinos kommen längst verblasste Erinnerungen zurück. Und die Erkenntnis, dass wir einen Riesenvorteil gegenüber den Dinos haben, die vor 65 Millionen Jahren Probleme mit einem Meteoriten bekamen: wir können unsere Memoiren zumindest noch ins Internet stellen, bevor uns das Aussterben erwischt.

So wurde mir beim Lesen der Erinnerungen an die Data-Welt-Frühzeiten von Rainer Bartel und den Sounds der 80er von Christian klar, wie umständlich und abenteuerlich das Zeitschriften- und Bücher-Produzieren im Jahre 2 vor der Erfindung von DTP tatsächlich war. In jedem Fall führten viele Wege nach Rom – beziehungsweise in die Druckerei.

Schreiben auf dem Apple – über den Commodore

Nachdem Christian und ich uns – es müsste 1980 gewesen sein – auf der Schulbank in Würzburg kennengelernt hatten, dauerte es knapp vier Jahre, bis wir unser erstes gemeinsames Computerbuch schrieben. Wie es dazu kam, soll bei anderer Gelegenheit erzählt werden. Jedenfalls befanden wir uns Mitte 1984 in der glücklichen Lage, auf zunächst geliehenen und später von den Buchhonoraren abbezahlten Apple II unser Einsteigerbuch zum C64 schreiben zu können: „Mein zweites Commodore-64-Buch – das Buch, das nach dem Handbuch kommt.“

Diese Leihstellungen und noch viel, viel mehr, verdankten wir Hugo E. Martin – einem ehemaligen Verlagsleiter des Vogel-Zeitschriftenverlags, der in Würzburg mit „Computer-Martin“ einen der ersten beratungs- und lösungsorientierten Computershops eröffnet hatte. Hugo war ohnehin sowas wie ein Geburtshelfer für „Mein zweites Commodore-64-Buch“ – aber auch dazu mehr bei anderer Gelegenheit.

Jedenfalls: Was war das für ein Luxus, einen separaten Computer zum Schreiben und einen weiteren zum Ausprobieren zu haben! Nicht auszudenken, was das ständige Wechseln zwischen einer frühen C64-Textverarbeitung à la „Textomat“ und den im Buch beschriebenen Programmen und BASIC-Tricks für den ohnehin schon angespannten Zeitablauf unseres Erstlingswerks bedeutet hätte. Ganz zu schweigen vom Luxus, die Texte auf einem Büro-Monitor mit gestochen scharfer Grün-auf-Schwarz-Anzeige und 80 Zeichen pro Zeile sowie einem Rechner mit deutscher Tastaturbelegung zu verfassen.

Die einzelnen Kapitel wanderten dann per Diskette und nicht selten Eilzustellungs-Briefpost hin und her – zwischen mir, der noch in Würzburg an seinem Abi herumdokterte, und Christian, der zur selben Zeit schon gutes erstes Geld in einer Werbeagentur in Frankfurt verdiente. An Akustikkoppler und Co. haben wir uns erst viele Jahre später herangetraut – vermutlich war das Schreiben und Disketten-Verschicken unterm Strich aber ohnehin nicht viel weniger effizient als es Pioniertaten in der Datenfernübertragung gewesen wären.

Cover "Mein zweites Commodore-64-Buch"
So lief das früher – die Autoren liefern ihr Manuskript ab, und dann übernehmen erst mal die (Satz-) Profis.

Als wir nach fundierter und durchaus berechtigter Verbesserungs-Runde mit der Lektorin des Vogel-Buchverlags, Gerda Berninger, mit allen Überarbeitungen des Manuskripts fertig waren, lieferten wir sozusagen ein Golden Master auf 5,25-Zoll-Diskette im Apple-Format an den Verlag. Und einige Wochen später kamen wunderschön gesetzte Satz-Fahnen zur Autorenkorrektur zurück, in denen sich einige wenige falsche Zuordnungen von Abbildungen und Text und ein paar verhauene Formatierungen eingeschlichen hatten – die aber ansonsten viel professioneller aussahen als unsere Matrixdrucker-Ausdrucke.

„Herstellung Alois Erdl in Trostberg“ lese ich heute auf der Impressums-Seite. Meines Wissens hatten die Fachleute dort unsere Apple-Writer-Texte per Fotosatz ausbelichtet. Desktop Publishing gab’s im Spätsommer 1984 ja noch gar nicht, also können auch die Kollegen in Trostberg zu dieser Zeit wohl noch keine Macs zum Setzen genutzt haben.

Drucken von zwei Rechnern – auf teurem Barytpapier

Peek_Poke_1984 (1 von 1)
Mit Spezialpapier zur Druckerei – unser zweites Buch erschien zuerst…

Doch es ging auch anders. Das durfte ich lernen, als wir in der Wartezeit zwischen der Abgabe des Fachbuchs im Vogel-Buchverlag und dessen Erscheinen schon mit unserem Projekt Nummer 2 anfingen: Dem CHIP-Special „Peek und Poke – das Commodore-64-Adressbuch“. Bei den CHIP-Specials hatte sich nämlich zwischenzeitlich eine andere Produktionsart etabliert. Der Verlagsleiter Michael Ardelt, der uns beide Jungspunde mit diesem Projekt beauftragt hatte, ließ uns zu diesem Zweck per Kurierdienst einen Packen von 200 Blatt „Barytpapier“ im A4-Format liefern.

Und dann ging die Produktion so: Die Erklärtexte entstanden wieder auf dem Apple II, wobei wir in den dort formatierten Texten Platz für die Abbildungen, Tabellen und Listings ließen, die dazwischen platziert werden sollten. Dann druckte die Software „Apple Writer“ (noch einmal: wir sprechen von einem Apple II, nicht etwa einem Mac) die Seiten auf dem wohl ziemlich teuren und deshalb streng abgezählten Barytpapier aus. Anschließend galt es, das bereits vom Apple II bedruckte Papier von Hand erneut in den Epson-Matrixdrucker einzuspannen und vom C64 aus das jeweilige Listing darauf auszudrucken: OPEN 4,4 : CMD 4 : LIST (letzteres musste ich übrigens gerade in „Mein zweites Commodore-64-Buch“ spicken, das trotz seines Titels ja de facto unser erstes war).

Dieser, wie man heute sagen würde, „Workflow“ schien uns trotz allem am sichersten. Denn die zum Teil aus ewig langen Zahlenkolonnen (den so genannten DATA-Zeilen) bestehenden Progrämmchen abzutippen war zur Fehlervermeidung eigentlich keine Option. Und eine Datenübernahme vom C64 auf den Apple II haben zumindest wir mit unseren Mitteln nicht hinbekommen.

So blieb als praktikabelste Lösung das abenteuerliche Handpositionierungs-Layout auf dem Matrixdrucker. Und das war durchaus spannend: Hatten wir auch genug Leerzeilen vorgesehen? Ging bei Positionierung oder Ausdruck sonst irgendwas schief? Bei insgesamt 163 Seiten redaktionellem Inhalt durften nicht allzu viele Drucke danebengehen. Denn keiner von uns beiden wollte Herrn Ardelt anrufen und beichten, dass wir noch einen weiteren Packen des teuren Barytpapiers brauchen würden.

Heute erklärt mir Wikipedia, was wohl nach der Lieferung der 163 Seiten passiert ist: Barytpapier taugt perfekt dazu, kontrastreiche Fotoreproduktionen von Vorlagen zu machen. Im finalen Arbeitsschritt wurden unsere matrix-gedruckten Seiten also verfilmt, um davon dann letztlich Druckvorlagen herzustellen.

Unnötig zu erwähnen, dass das alles neben dem Schreiben und Ausprobieren richtig viel Zeit in Anspruch genommen hat. Was natürlich dazu führte, dass auch nachts um 2 oder 3 Uhr immer noch Seiten durch den kreischenden Matrixdrucker wanderten. Sie haben es nie so gesagt, aber ich könnte mir vorstellen, dass meine im Nachbarzimmer nächtigenden Eltern sich insgeheim gewünscht haben, ihr Sohn möge doch lieber Drogen nehmen als Computerbücher zu schreiben.

Typenrad-Hölle für die anderen Gäste im Landgasthof

Vielleicht war es auch dieser Gedanke, der Christian und mich bei einem späteren Buchprojekt auf die Idee brachte, uns für dessen Schlussphase in einem kleinen Landgasthof irgendwo ein wenig außerhalb von Würzburg einzuquartieren. Hugo E. Martin hatte uns dafür etwas ganz besonders Tolles ausgeliehen: Einen Typenrad-Drucker, der – angesteuert vom Apple Writer – die Texte in glasklarer Schreibmaschinenschrift zu Papier brachte.

Was wir nicht bedacht hatten: Das Ding machte beim Ausdrucken einen Höllenlärm. Das Typenrad sorgte für eine Klangkulisse wie sie eine Profi-Sekretärin auf Speed nicht hätte produzieren können. Die anderen Gäste mögen für ihren Aufenthalt mit manchem gerechnet haben – aber wohl nicht damit, dass mehrere Tage und Nächte hindurch aus einem der Nachbarzimmer immer wieder der infernalische Lärm eines Großraumbüros klingen würde.

Ich kann mich allerdings nicht an vorwurfsvolle Blicke oder schlimmere Missfallensbekundungen der anderen Pensionsgäste erinnern. Vermutlich war der Betreiber über Nacht selbst nicht im Haus und mochte möglichen Berichten über nächtliches Schreibmaschinen-Dauerfeuer keinen Glauben schenken. Im Frühstücksraum hatten wir uns sicherheitshalber nicht blicken lassen – es galt ja, einen Termin zu halten…

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