Als die Smartphones wasserdicht wurden...

Was ist das? Es ist metallisch, wasserdicht und mobil… (ketzerische Gedanken zum MWC 2016)

[Foto: (c) Samsung – aus dem Unpacking-Video]

Erfahrene Digisaurier wissen, dass die Entwicklung einer Hardware-Kategorie ihrem Ende zustrebt, wenn die neuesten Geräte merkwürdige Features haben und auf Kongressen alle Vortragenden dieselben Phrasen dreschen. Wenn’s danach geht, ist es mit Innovationen im Bereich der mobilen Digitalität so gut wie aus. Darauf lässt die Gesamtbefindlichkeit des Mobile World Congress 2016, dem Klassentreffen der Branche in Barcelona, schließen. Den diversen Rednern inklusive der Keynote-Sprecher fiel jedenfalls kollektiv nichts anderes ein, als zu posaunen, alles würde immer mobiler. Denen möchte man zurufen: Blödsinn! Dann dürfte kein Konsument mehr eine Sekunde stillstehen oder gar sitzen oder liegen. Und bei den Geräten sieht es mau bis skurril aus. Smartphones müssen – lernen wir – aus Metall sein und wasserdicht. Na toll…

Neu sind diese Bestimmungen nicht, aber die Argumente dafür sind so dünn wie eh und je. Natürlich lassen die Handybauer ihre Geräte serienweise in Spülbecken fallen oder in den Swimmingpool, tatsächlich aber ist der Wunsch, das Maschinchen gegen das Eindringen von H2O zu sichern, eine Folge der immer mehr ausufernden Mobilität. Wenn nämlich die Smombies mit starrem Blick aufs Display durch die Städte wanken, dann kriegen die nicht mehr mit, ob’s regnet oder schneit. Da wär das Geschrei aber groß, wenn das Smartphone in solch einer Situation nässebedingt ausfällt! Für Metall als Gehäusematerial spricht dagegen wenig mehr als die irrationale Annahme, Smartphones aus irgendeiner Legierung gingen weniger schnell kaputt und würden Stürze besser überstehen. Dem ist nicht so. Ja, es soll iPhones aus Metall gegeben haben, die man stärker biegen konnte als Geräte aus Plastik. Aber in diesem Punkt geht die Smartphone-Industrie in ihrem Wunsch, jedem Konsumenten jedes Jahr ein neues Gerät zu verkaufen, den Weg der Autobranche. Nicht mehr die Features und Fakten zählen, sondern das Gefühl. Man benutzt gern den Begriff „wertig“, der eigentlich sinnentleert ist, denn entweder hat etwas einen Wert oder nicht. Wenn etwas wertig aussieht oder sich wertig anfühlt, dann wird tatsächlich nur die Emotion ausgelöst, es sei wertvoll.

Baut endlich das SUV unter den Smartphones!
Am robustesten wären – und das belegen seit Jahren Geräte, die für besonders harte Einsatzbedingungen gebaut werden – Gehäuse aus starkem Kunststoff mit Armierungen aus Gummi an den gefährdeten Stellen. Vielleicht ist es an der Zeit, das Gelände-Handy rauszubringen, das Sports-Utility-Smartphone (kurz: SUS), das genauso aussieht, bisschen dicker und schwerer ist als andere Geräte, dafür aber geländegängig. Auch beim Glas des Displays ist die Entwicklung eigentlich durch, denn die verschiedenen Sorten Gorilla-Glas sind so widerstandsfähig, dass in der Folge bereits einige Dutzend Hersteller von Handyschutzfolien pleite gegangen sind.

Es hat Jahre gegeben, da wurden auf der zum MWC zählenden Exhibition tatsächlich wichtige neue Geräte präsentiert. Nachdem Apple aus dem jährlichen Vorzeigen der nächsten iGeneration einen Kult gemacht hat, den dann Hersteller wie Samsung, LG und andere kopiert haben, mühen sich Legionen Fachjournalisten damit ab, Begeisterung für die jeweils nächste Laufnummer herbeizuschreiben. So in diesem Jahr für die Samsung-Galaxy-Telefone mit der Nummer 7. Auch wenn kaum ein Konsumentenhahn danach kräht, begeben sich Experten auf die Jagd und enthüllen serienweise geheime Fotos – die ihnen von fleißigen PR-Menschen zugesteckt werden. Gerüchtet wird im Hinblick auf die 7er zum Beispiel, dass sie ein „always on display“ besäßen. Immerhin hat sich Samsung diesen Begriff gesichert. Vermutet wird, dass Teile des AMOLED-Displays dauerhaft bestimmte Informationen und Icons zeigen, ohne dass dafür das Gerät angeschaltet oder geweckt werden muss. Hört sich verlockend an … oder auch nicht.

Der Trend geht zur Drittkamera
Während Apple noch bei der 6 verharrt, Samsung den Schritt hin zur 7 macht und HTC schon bei der 9 ist, kommt LG gerade erst zur Nummer 5. Und hat durchsickern lassen, dass dieses neue Flaggschiff (auch so eine typische Technikjournalisten-Floskel…) mit zwei Kameras auf der Rückseite ausgestattet sein wird. Ja, richtig gelesen: eine vorne, zwei hinten. Nun vermuten die Auguren, dass man so mit dem G5 gleichzeitig Videos aufnehmen und Fotos knipsen kann … wenn’s denn schön macht. Vielleicht gibt es aber auch eine andere Erklärung. Vielleicht wird aber auch gar kein G5 präsentiert. Vielleicht präsentiert außer Samsung überhaupt kein anderes Unternehmen seine neuen Geräte. Wer weiß…

Zu vermuten ist, dass spätestens zum MWC 2017 das Buzzword „mobil“ durch das Zauberwort „virtuell“ abgelöst wird, denn alle auf der Exhibition vertretenen Hersteller haben irgendwas mit virtueller Realität im Köcher. Ob die neuen Sachen über das Niveau eines Google-Cardboards – der VR-Brille aus Pappe zum Selberfalten – hinauskommen, wird sich erweisen. Eine nette Idee hat man bei Acatel gehabt: Die Verpackung des Alcatel Idol 4S lässt sich als VR-Aufsatz nutzen. Und von Samsung heißt es, dass die VR-Brille namens „Gear“ den Smartphones der kommenden Generation kostenlos beigelegt würde.

Was sollen wir kaufen?
Es wird junge Menschen geben, denen ein Jahr sehr lang vorkommt und die deshalb alle zwölf Monate ein neues Smartphone der aktuellsten Generation brauchen, um sich gut und auf der Höhe der Zeit zu fühlen. Wir älteren Menschen, denen die Zeit viel zu schnell vergeht, haben andere Ansprüche an technische Geräte: Sie sollen, verdings nochmal, funktionieren und lange halten! Denn wir haben nicht mehr so viel Zeit, uns alle Naselang mit neuen Funktionen zu befassen. Mal abgesehen davon, dass Erwachsene meist was Besseres mit ihrem Geld anzufangen wissen, als ständig etwas Neues anzuschaffen. Bei allen drei wichtigen Smartphone-Systemen (iOS, Android und auch Windows) bringen die neuen Betriebssysteme hin und wieder wirkliche Fortschritte, selten aber die Hardware. Wie früher beim PC basteln App-Entwickler ohnehin ständig neue Dinger, für die die Hardware von vor einem Jahr zu lahm ist. Wer also die allerneueste Super-Duper-App nutzen will, sieht sich gezwungen, ein neues Smartphone zu kaufen. Diesen Teufelskreis kann man leicht unterbrechen, indem man ein paar Regeln befolgt:

1. Nie im App-Store nach neuen Apps schauen!
2. Regelmäßig ungenutzte Apps deinstallieren!
3. Das Smartphone behalten, mit dem man am besten klarkommt.

So kommt man beispielsweise als technikaffiner Senior mit einem LG G2 von 2012 mit einem frühen Android 5.x im Alltag prima klar. Und weil man bei diesem Teil auch noch den Akku wechseln konnte, muss man es nicht wegwerfen, wenn die Stromquelle nicht mehr tut. Gegen das kratzempfindliche Display hilft eine Schutzfolie, und wenn man die SD-Karte gegen eine mit höherer Kapazität tauscht, lassen sich auch anspruchsvollere Apps nutzen. Wer braucht da schon ein wasserdichtes Metallgehäuse mit Gorilla-Glas, zwei Rückseitenkameras und ein Always-On-Display?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert