Kindle Paperwhite (Foto: Amazon)

Was zur Hölle… ersetzt der eBook-Reader tatsächlich das gedruckte Buch?

Um die Frage aus der Überschrift gleich am Anfang zu beantworten: Ja. Und wie immer gehört zu diesem fetten Ja ein ebenso dickes „Aber“. Dazu später mehr. Wer gern und viel Romane liest, der wird seinen eBook-Reader rasch lieben lernen. Allein schon, weil es wesentlich bequemer ist, ein dünnes Ding von kaum 150 Gramm Gewicht in der Hand zu halten als einen pfundschweren Schmöker – besonders beim abendlichen Lesen im Bett. Das ist aber noch nicht lange so, und das Verdienst, den eBook-Reader zur echten Alternative zum Buch gemacht zu haben, gehört der Firma Amazon, die aus ganz eigennützigen Interessen vor einigen Jahren den Kindle entwickelt hat. Zuvor gab es ab etwa 1990 haufenweise Versuche, elektronische Lesegeräte am Markt durchzusetzen, die alle aus dem einen oder anderen Grund fehlschlugen. Bis Sony 2004 das erste (sündhaft teure) Gerät mit „elektronischem Papier“ herausbrachte, einer Technologie der Firma E-Ink. Im Gegensatz zur LCD- und LED-Technik entsteht dabei Schwarz auf dem Bildschirm durch das Drehen von mit Pigment gefüllten Mikrokapseln per elektrischem Impuls. Je nachdem, ob positive oder negative Spannung anliegt, erscheint ein Bildpunkt schwarz oder weiß.

So weit das Prinzip. Diese Technologie der Elektrophorese wurde inzwischen erheblich verbessert, sodass auch die Darstellung von Graustufen möglich ist und Schwarzweiß-Fotos auf E-Ink-Displays prima dargestellt werden können. Auf aktuellen eBook-Readern sehen daher Texte und auch Bilder aus wie gedruckt. Natürlich ist der Hintergrund weiß, und zwar so weiß wie möglich, damit ein möglichst großer Kontrast die Lesbarkeit verbessert. Und damit das ganze auch im Dunkeln funktioniert, sind die meisten höherwertigen Reader mit einer Hintergrundbeleuchtung ausgestattet.

Kobo Aura
Kobo Aura: Jetzt gibt’s auch wassergeschützte eBook-Reader fürs Schmökern im Pool oder der Badewanne (Foto: Kobo)
Im Prinzip wird eine Buchseite aufs Display „gedruckt“. Wie bei einem physischen Buch muss also „geblättert“ werden, um weiterlesen zu können. Durch Tastendruck, Tap aufs Display oder Wischen wird dieses Umblättern ausgelöst. Der eBook-Reader holt sich den Inhalt der nächsten Seite aus dem Speicher und „druckt“ diese dann wieder aufs Display. Und hier wird schon ein Qualitätsunterschied deutlich: Bei den Spitzengeräten vollzieht sich das Blättern schneller als es geübte Leser bei Büchern hinkriegen; bei weniger guten Readern legt die Elektronik gern mal eine spürbare Gedenkpause ein bevor die nächste Seite erscheint. Weil ein Reader mit E-Ink-Technologie Strom nur beim Blättern und für die Hintergrundbeleuchtung verbraucht, hält der Akku beinahe ewig. Man misst die Kapazität folgerichtig mit der Anzahl der geblätterten Seiten. Normal sind Werte oberhalb von 5.000 Blättervorgängen, aktuelle Geräte schaffen aber auch 14.000 oder gar 18.000 Seiten. Letzteres würde reichen, um alle Romane Dostojewskis am Stück zu lesen, ohne den Akku je aufladen zu müssen.

Wie kommt das Buch auf den Reader?

Die bereits erwähnte Firma Amazon hatte bei der Einführung des Kindle einen Plan: Besitzer des Amazon’schen eBook-Readers sollten nur digitalisierte Bücher lesen können, die sie bei Amazon im Kindle-Shop erworben haben. Also schuf man ein eigenes Dateiformat und die (kostenlose) Online-Verbindung zwischen jedem Kindle und seinem virtuellen Amazon-Laden. Und damit die Konsumenten diese Kröte schluckten, subventionierte man den Kauf des Readers und zwang die Verlage, digitale Versionen für den Kindle erheblich günstiger verkaufen zu lassen als die es wollten. Das führte a) dazu, dass erstmal eBook-Reader für deutlich unter 100 Euro zu haben waren und b) dass die Kindle-Besitzer massenhaft digitale Bücher bei Amazon kauften.

Ganz offen gesagt: Immer noch gehören die verschiedenen Kindle-Versionen zu den allerbesten eBook-Readern, die für Geld zu kaufen sind, aber immer noch ist die Bindung an den Amazon-Shop ein Ärgernis, weil man so auf diese Quelle angewiesen ist. Zum Glück wird die dortige Bibliothek immer wieder um kostenlose klassische Texte ergänzt, und die von Autoren bei Kindle-Publishing selbst verlegten Werke sind teilweise für sehr kleines Geld auf den eBook-Reader zu laden.

Dabei gibt es schon seit langer Zeit das quelloffene epub-Format, in dem jeder mit geeigneten Freeware-Programmen aus Textdateien richtige elektronische Bücher machen kann. Im epub-Format vorliegende Bücher können inzwischen praktisch bei jedem Online-Buchhändler erworben oder auch bei den Stadtbüchereien ausgeliehen werden. Damit aber nicht aus einem ausgeliehenen Buch Tausende Raubkopien werden, verfügt das epub-Format über eine Vorrichtung für das Digital Rights Management (DRM). Damit wird sichergestellt, dass ein so geschütztes Werk nur auf registrierten Geräten gespeichert und gelesen werden kann.

Der 8-Zoll-Tolino
Der 8-Zoll-Tolino: Ein Android-Tablet verkleidet als eBook-Reader (Foto: Tolino
Kurz nach dem Kindle und den tollen, aber teuren Readern von Sony kam aus Kanada der Kobo. Der war technisch ganz weit vorn, aber trotzdem nicht kostspieliger als die Amazon-Reader. Auch hier versuchte man, einen passenden Bookstore durchzusetzen, also die Kobo-Nutzer dazu zu zwingen, nur bei Kobo zu kaufen. Weil man aber auf das epub-Format gesetzt hat, kann jeder, der sich für einen Kobo entscheidet, digitale Bücher aus allen Quellen damit lesen. Den nächsten Versuch, einen Reader mit einem Shop zu verbinden, machte da ein Konsortium deutscher Buchhandelsketten unter der Führung von Thalia. Aber auch für die Maschinen mit dem schönen Markennamen „Tolino“ gilt: Alle gängigen eBook-Formate können drauf gepackt und gelesen werden. Übrigens: Alle eBook-Reader (außer Kindle) können stinknormale PDF-Dateien darstellen, also auch solche, die man selbst aus Textdateien, Präsentationen oder anderen Bestandteilen erzeugt hat. So eignen sich die Reader auch dafür, Dokumente ohne Computer, Tablet oder Smartphone zu lesen.

Gibt’s das auch in bunt?

Damit sind wir beim angedrohten Aber. Nein, mit der E-Ink-Technologie, die schwarzweiße Texte und graustufige Abbildungen prima darstellen kann, ist Farbe nicht möglich. Seit über zehn Jahren forschen diverse Unternehmen und Institute rund ums bunte elektronische Papier, bisher ohne wirklich zufriedenstellende Ergebnisse. Und eBook-Reader, die mit LEDs arbeiten (ja, die gibt’s) sind zum Lesen langer Texte ungefähr so angenehm wie Smartphones … nämlich gar nicht. Das heißt aber ganz klar: Wer Bildbände liebt oder Fachliteratur mit farbigen Abbildungen studieren möchte, ist bei eBook-Readern an der falschen Adresse. Zwar gibt es beispielsweise Tausende klassischer Reiseführer, aber bei denen haben die Verlage meist versucht, die ursprünglich farbigen Fotos und Karten in Graustufen umzusetzen, was selten zu schönen Ergebnissen führt.

Also sind die aktuellen eBook-Reader – die es ab ungefähr 60 bis an die 400 Euro gibt – nur etwas für Leute, die Text lesen wollen oder müssen. Sie eignen sich besonders für Romane, aber auch für Fachliteratur, bei der farbige Abbildungen keine Rolle spielen. Schließlich sind die meisten Reader auch nicht wirklich geeignet für Nachschlagewerke; zwar verfügen sie alle über Suchfunktionen und virtuelle Eselsohren, aber das Auffinden bestimmter Textstellen geht auch bei den ganz modernen Geräte nicht wirklich schnell.

Wer also JETZT endlich einen eBook-Reader anschaffen will, der sollte überlegen, ob er sich an einen Shop binden will, und vor allem ein Gerät mit Hintergrundbeleichtung wählen. So kann man immer und überall schmökern in den bis zu 1.000 Büchern, die auf ein solches Ding passen.

[Titelbild: Kindle paperwhite – Foto: Amazon]

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