Wirtschaftswunder 4.0? Sind die Größenwahnsinnig?

Wenn die Computerleute ein Motto ausrufen, dann lassen sie es richtig krachen: so wie derzeit mit dem Slogan „Wirtschaftswunder 4.0“. Aber sonst ist alles knusper, oder? Was bilden die sich ein? Sind die größenwahnsinnig. Hmmm… Meine Erkenntnis: nachdem ich die Trümmer dieser Marketingbombe aus Hannover auf die Seite geräumt habe, entdeckte ich ein beängstigend großes, schwarzes Loch. Und das wurde nicht von der Marketingbombe geschlagen – sondern das haben wir alle gemeinsam fröhlich selbst geschaufelt. Und auch wenn man nicht jeder digitalen Sau, die durch´s Dorf getrieben wird nachlaufen sollte: das Loch sollte uns ernsthaft Sorge machen…

Hinweis: im folgenden findet sich der Beitrag auch zum anhören für alle die nicht lesen wollen ;-)

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Jetzt mit bloggen – die Branche hat 10 Jahre gebraucht um die ernst zu nehmen, auf die sie heute angewiesen ist…

WARNHINWEIS: Dieser Artikel beschäftigt sich mit Erkenntnissen der CeBIT 2015. Und die ist vorbei. Sie haben gelernt, dass man spätestens 20 Minuten nach einer Messe (oder gerne auch nach einer Messe-Eröffnung) nichts mehr lesen muss, was von dieser Messe kommt – alle wichtigen News sind durch. Alle Gadgets gezeigt. Aber ich glaube, dass das einer unserer großen Fehler gerade bei der Digitalisierung ist. Nur: ich will sie nicht ungewarnt in diesen – auch noch längeren Text – laufen lassen. Flüchten Sie also jetzt – oder lesen Sie bis zum Ende…

Die Digtialisierung, die Transformation und der ganze Rest

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Wenn alles mit allem sprich ist toll – aber erstmal muss analog in einer Sprache mit digtial reden

Also – es geht eigentlich nur zum Beispiel um dieses kleine Restaurant & Cafe… Und natürlich auch um diese Fabrik… Ahja – und auf jeden Fall ums Büro… Die müssen alle irgendwie digital… Also – so vernetzt und so… Transformieren müssen die – sie wissen schon.

„Sie wissen schon – digitale Transformation ist wichtig…“

Messepersonal zu Standbesuchter

„Achsoooo!“, denken Sie jetzt: „Ja – klar, das sagen die in Hannover ja nun seit gefühlt 50 Jahren. Und es hat uns ja bisher auch nicht geschadet, wenn wir freundlich gelächelt haben über die Nerds. Und nachdem die Tagesschau und das Heute-Journal eh nicht mehr so viel wie früher über diese IT-Messen berichten, kann es ja nicht so wichtig sein, oder?“ Schlagende Argumentation. Muss ich zugeben.

„Wo sind denn die Gadget-Hallen?“

Kollegenfrage 2015!

Und es stimmt – die Leitmedien berichten ja immer nur über die echt wichtigen Sachen. Auch beim digitalen… Das neue iPhone zum Beispiel. Oder die dritte Änderung der Facebook-Regularien. Aber nicht über schwarze Löcher. Denn in dem großen schwarzen Loch, dass ich eingangs beschrieben habe, gibt es ja nix zu sehen, nix zu berichten – und man bräuchte verdammt viele Scheinwerfer um da zumindest mal ein bisschen was zu sehen. Und dann kann man es nicht filmen…

So denken sich das die IT-Macher: ein Werbefilm zum Thema…

Die CeBIT – das digitale Stadtteil-Fest

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Happening wie hier bei Code-n: toll aber nicht genug. Stadtteilfest reicht nicht…

Ein Freund sagte mir die Tage: „Also wenn ich nicht Deine Postings gesehen hätte – ich hätte gar nicht gemerkt das CeBIT ist.“  Ist das schlimm? Im Grunde nein. Aber für die Gefahr die von dem schwarzen Loch ausgeht ist es entscheidend. Die CeBIT – und ähnliche Veranstaltungen – sind zu einer Art digitalem Stadtteil Fest geworden. Die Jungs und Mädels im Stadtteil feiern und freuen sich – und wundern sich wenn sie feststellen, dass der Rest der Stadt davon nix mitbekommen hat. Weil die anderen halt auch nur Ihre eigenen Stadtteilfeste wahrnehmen – und sich genauso wundern, wenn kein anderer aus der Stadt davon was mitkriegt. Tja –  irgendwie so ist das mit den Computermessen. Es trifft sich die Branche – egal ob Mobilfunker, Computermensch oder sonstige Digitalisten. Dazu geladene Gäste von auswärts – und man feiert das Stadtteil-Fest. Und schon steckt man im digitalen Ghetto. Denn die mit denen die reden sollen und wollen kommen leider lange nicht in ausreichender Menge zum Event. Und wenn schon, dann meist auf jeden Fall nicht all zulang für ernsthafte Gespräche. Einfach weil viele potentielle Gäste viele Programmpunkte von dem Fest als nicht sehr wichtig für sich wahrnehmen.

„Irgendwas mit 4.0 ´ham se dieses Jahr – hatten die nicht letztes Jahr das mit 3.0?“ Da sagt ein kleiner Unternehmer: „…keine Zeit, keine Zeit…“ Und der großer Unternehmer: „…da geht mein IT-Mann hin.“ Und dem hört im Unternehmen nachher, wenn es ums große Ganze geht, keiner zu. Also: alles zur Zufriedenheit und gründlich geregelt.

Ja und die Leitmedien – wie schon gesagt: No Lights, no story. Oder einfacher: no Gadgets, no Berichterstattung. Und was macht die Branche: Mit lauten Ghettoblastern (weiß noch jemand der Leser was das ist?), deren wummern man zumindest irgendwo in der Umgebung noch wahrnimmt, versucht man sich dann Gehör zu verschaffen. Aber keine Sorge: mit mehr Abstand wird das wummern leiser und stört auch nicht mehr so…

Wir hatten Glück. WIr durften – zum Beispiel für das Portal Mittelstand die Macher – länger bleiben und genauer hingucken, wie die Slideshow zeigt: Birte und die Zukunftsmacher…

Der digitale Ghettoblaster: Marketing, Promis und Angst!

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Unternehmer sind von der Erde – ITler von irgendwo anders…

Tja – und dann passiert das was ich oben beschrieben habe: Die Kanzlerin kommt und sagt: Ist wichtig hier. Der Wirtschaftsminister kommt und sagt: ist spannend hier. Der Enthüller kommt und sagt: ist gefährlich hier. Und Peter Maffay kommt und sagt: ist gut hier – so für meine Social Project und so. Und dann gehen sie wieder alle – zur Tagesordnung über. Und viele von uns gehen mit… Und ich bleib zusammen mit ein paar Fachkollegen dann auf der Messe – wie eben zum Beispiel der CeBIT – und nehme mir 7 Tage Zeit, um mit den Leuten hier zu reden.

„Ein digitaler Unternehmer hackt Dein Geschäftsmodell!“

Nick Sohnemann, Trendforscher

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Ich darf länger bleiben – und mit Vordenkern wie Nick Sohnemann reden. Vor Freitag hatte der gar keine Zeit…

Warum ich bleibe? Naja -zum einen bewege ich mich als Digisaurier zum Beispiel einfach nicht mehr so schnell und vertrage den raschen Klimawechsel Nord-Süd nicht mehr so gut. Und zum anderen: Das machen wir ja nun schon seit dreißig Jahren so. Okay – früher waren wir mehr und die Messe war länger und die Partys besser. Aber unser Motto war zu jeder Zeit: schlendern im Kurkonzert statt nur kurzes lauschen auf Ghettoblaster… Nur so hörte und hört man die Zwischentöne. Nur so räumt man heute die Trümmer der wenigen lauten Stunden zur Seite und stößt: auf das große, schwarze Loch. Das, von dem die Leitmedien gerade nicht berichten. Weil: zuwenig Licht, zuwenig lustig und auch kein Stinkefinger in sichtbarer Nähe. Laaaangweilig…

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Zumindest die Roboterarme wurden gesendet und fotografiert. Aber oft missverstanden als Kunstprojekt. Viel spannender sind die Ideen dahinter, die Clemens Weisshaar hat

„Ihr wart die Generation Vision. Wir sind die Generation Fulfillment…“

Clemens Weisshaar, Industrie-Revoluzzer

Langweilig? Aha. Dafür kann die Messe nichts. Das ist einfach so, wenn eine Sache in die Jahre kommt oder freundlich ausgedrückt: erwachsen wird. Und nach außen wirkt auch alles immer noch wie früher: Monitore (heute flach), Tastaturen (heute per Laser gebeamt), Computer (heute im Telefon). Alles beim Alten, nur kleiner und smarter – aber verdammt wenig zum schnell in die Kamera halten…

Die Wahrheit ist: in den letzten 20 Jahren ist etwas unglaubliches ganz tief drinnen passiert. Und wir haben – und da nehme ich mich gar nicht aus – nur auf das Äußere geguckt. Fehler. Schwerer Fehler.

Die IT – Reifen oder Motor?

Röntgenblick gegen Fachkräftemangel
Lösungen für den Fachkräftemangel gab es zu sehen – wenn man ein bißchen länger den Machern zuhörte

Die IT ist mutiert. Sie war mal eine Tuning-Werkstatt. Machte das eine oder andere leichter und schneller. Ersetzte hier dies und dort das… Eher was für Bastler und Nerds. Dann wurde sie zum Reifen – man hatte es damit pauschal bequemer auf der Strecke als mit dem Holzrad und bei Schnee und Matsch sogar besser vorwärts. Auch als normaler Fahrer. Und jetzt behauptet die IT-Branche, der Motor zu sein auf dem Weg ins Wirtschaftswunder. Aber das ist Quatsch. IT und Telekommunikation sind Herz und Hirn geworden. Und das gefällt uns nicht. Von der Bastlerbude ins Zentrum der Macht? Ne! Das war nicht der Plan! Darum wollen viele das nicht hören. Und es keinesfalls zulassen. Und so erklären die „Teil-Digitalsierer“ und Feigenblatt-Transformierer im Grunde das Konzept: wo ich bin ist vorn…Und das muss dann auch reiche…

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Wenn der digitales Autohaus sagt, meint er nicht dass die Word und Excel einsetzen. Er redet von Beacons. Das ist besser als Spam. Und nicht eßbar…

„Meine Firma ist doch komplett digital. Wir haben Word und Excel. Die Mitarbeiter haben sogar Tabletts und Smartphones…“ Ja, stimmt. Und letzteres oft, weil die Mitarbeiter das selbst eingeführt haben. Nicht die Geschäftsleitung. Bring your own Device nannte man das. Aber in Wirklichkeit war es das Kidnapping der IT-Verantwortlichen und des Arbeitsprozesses in der Firma. Ein Kidnapping aus meiner Sicht mit noch unbekanntem Ausgang, Denn der große Showdown steht erst bevor. Noch ist nicht entschieden, ob wir verstehen, was es heißt die Digtialisierung zum zentralen Element einer Firmenstrategie zu machen. Oder sie wieder zurück in die Service & Tuning Werkstatt  zu verbannen. Sie als Werkstatt zu begreifen, die man halt hie und da braucht- das ist falsch. Denn dann holt sich das Restaurant & Cafe halt vom IT-Fuzzi sein Kassensystem. Und wenn man ganz innovativ ist noch diese Bestelldinger, die den Notizblock am Tisch ersetzen und funken können.  Und die mittelständische Firma bastelt sich was in Excel. Oder wenn man ganz mutig ist irgendwas mit SAP – aus der Cloud natürlich. Man hört ja auch nicht mehr viel von SAP. Stimmt – die halten die Klappe und sind erfolgreich… SAP und deren Kunden…Leider ist SAP wie Trendguru Nick Sohnemann immer wieder sagt auch eine der letzten Startups die ein Weltkonzern wurden aus Deutschland. Gegründet in den 70igern…

Meine Fabrik - für ein paar Minuten!
Lust auf Gespräche haben – sonst lohnt die Fahrt nach Hannover nicht

Und die Fabrik? Na – die gehört natürlich dem Fabrikbesitzer und die Roboter tun nur was er will. Und wenn man sehr digital ist, machen sie das mit entsprechender Software-Steuerung und können nach Ersatzteilen funken, bevor was kaputt ist.

Und das geht alles solange, bis all diese Geschäftsmodelle gehackt werden. Von irgendeinem, irgendwo in der Welt digital gedacht, komplett neu aufgesetzt und dann – mit ein bisschen Talent zum Bluff – weltweit durchgesetzt. Von jemandem der verstanden hat, das „Digitalisieren“ ein Gesamt-Denkansatz im Geschäftsmodell ist. So wie zu verstehen  was Wasserdampf tut . Der hat ja bekanntlich auch nicht nur zu Revolution vom Bügeleisen geführt.

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Raus aus dem Elfenbeinturm – äh Glaspalast muss die IT Branche!

Was ist falsch gelaufen? Wir haben es in großen Teilen einfach verpennt. Und ich nehme mich dabei wie gesagt nicht aus. Wir Digitalen und die anderen haben nicht gelernt miteinander zu reden.  Wir haben oft nur so getan. Wir bemühen auch heute immer noch Dolmetscher. Mal bessere, mal schlechtere. Oder holpern radebrechend in der Sprache der anderen dahin und bestellen die falschen Sachen. Oder bekommen etwas, was wir gar nicht brauchen können. Technik die nicht passt, Gesetze die nicht mehr stimmen, Bandbreiten die nicht ausreichen werden für eine digitale Transformation einer Gesellschaft.

„50 MBit ist schon schön – aber nur ein Etappenziel. Nicht das Ausbauziel. Zumindest für mich.“

Prof. Dieter Kempf, Bitkom-Präsident

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Links der Messechef, rechts der Bitkom-Chef und in der Mitte ein Stück zweckentfremdete analoge Welt…

Digital und Analog sind leider auch nach dreißig und mehr Jahren nicht auf Augenhöhe. Sind nicht Partner, sondern nehmen sich als gegenseitige Nervensägen war. Und wenn Sie bis hierhin ungefähr mitgehen, dann stehen wir beide nun zusammen direkt am Abgrund des großen schwarzen Loches, hören das wummern der Ghettoblaster hinter uns und könnten uns fragen: wie sind wir nur hierhergekommen. Und wir können sicher sein: nächstes Jahr werden wir einen ganzen Schritt weiter sein. Irgendwo bei 5.0 oder so.

To be continued… Demnächst in Teil II: „Weil zusammengekracht ist, was zusammenwachsen sollte…“ Von „Verdammt, wtf…“ bis „…vielleicht könnten wir ja…“ – Analysen, Statements und Lösungsansätze gegen das schwarze Loch. Und genau dazu hätte ich gerne Ihre / Eure Meinung. Alles Quatsch? Alles richtig? Alles wurscht… Ich freu mich…

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…aber Sie können es ja nächste Jahr nochmal versuchen mit der digitalen Transformation

 

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