Silicon Valley: Apple hatte Fellows, Google hat Knete…

HP-Garage - ein Geburtstort des Silicon Valley
Historischer Platz – die HP Garage im Silicon Valley

Es ist mehr als 20 Jahre her, dass dieses Foto entstand. Bei einer mehrwöchigen USA Drehreise für Neues… die Computershow in 3Sat. War natürlich noch ein analoges Foto, gemacht an der Garage, in der David Packard & William Hewlett ihre Computerfirma gegründet hatten. Wir wollten damals 1995 im Fernsehen erzählen, wie die ticken, da im Silicon Valley. Jetzt waren Judith Rakers und Claus Kleber für Dokumentationen da.  Was hat sich geändert? Google gab es noch nicht – hippe Innovation hieß damals Apple. Unser deutsches Beispiel für einen, der es im Valley geschafft hat, das war Hartmut Esslinger. Designer des Mac und umtriebiger Kreativ-Geist in der IT-Branche. Unsere Internet hieß Datex J und Compuserve. Selfies haben wir auch nicht gemacht – ging nicht, ohne sich den Arm zu brechen…

Jetzt 20 Jahre später – so stelle ich fest – hat sich kaum was geändert. Die Namen sind andere, aber eine ganz bestimmte Idee hat überlebt. Vielleicht, so denke ich, als ich beispielsweise die Dokumentationen mit Judith Rakers oder Claus Kleber über das Silicon Valley sehe, gibt es diesen Ort gar nicht geografisch?
Christian Spanik an Kaliforniens Küste in der Nähe vom Silicon Valley
Ich will nix über meine Hose, die Schuhe oder das Jackett hören! Das ist mehr als 20 Jahre her – drum bin ich ja heute Digisaurier… Dreharbeiten für Neues die Computershow

Gibt es das Silicon Valley eigentlich wirklich?

Nein – keine Sorge. Ich will keine Verschwörungstheorie á la “…die Mondlandung war ein Fake” und “…Silicon Valley ist ein potemkinsches Dorf” von mir geben. Aber wenn ich die Menschen die ich damals für Neues die Computershow mit der Kamera getroffen habe vergleiche mit denen, die Judith Rakers oder Claus Kleber in der jüngsten Zeit getroffen haben, dann kann man sagen: Silicon Valley ist kein Ort, sondern ein virtueller Platz. Und gerade vor ein paar Tagen hatte ich ein langes Interview mit Ulrich Dietz von GFT, der viel für Start Ups tut und oft im Silicon Valley ist – und auch dieses Gespräch bestärkte mich in dem Gefühl: die Gegend bei San Franzisko ist sowas wie das Las Vegas der IT-Branche. Hier wird etwas in Beton und Glas gegossen, dass es in Wirklichkeit nur im Kopf gibt. Aber keinesfalls nur an einem Ort. Das Valley heute – so lerne ich in den Dokumentationen von Rakers und Kleber – ist halt der Ort, wo Kreativität auf IT trifft. Gründergeist auf Garage 2.0. Und die “Garage 2.0” heißt bei Google auch irgendwie so ähnlich. Gemeint ist ein Kreativlabor. Und der deutsche Frederik Pferdt – Innovations-Guru von Google – zeigt Judith Rakers, wie Innovationen bei Google gemacht werden: mit Knete. Ne – ich meine das ernst. Nicht Geld – echte Knete. Knetmasse, um Ideen Gestalt zu verleihen. Kurios?
Christian Spanik mit dem Newton im Silicon Valley für Neues die Computershow
Eine der völlig wahnsinnigen Ideen von damals habe ich hier beim Dreh für Neues die Computershow in der Hand: einen Prototypen – mehr ein Mock UP – des Newton. Der natürlich nicht funktionierte… Und der Apple in eine schwere Glaubwürdigkeitskrise führte.

Stimmt – das Valley heute ist kurios. Aber nicht kurioser, als es für uns damals war. Damals, als uns Apple zeigte, dass sie ohne Ende Menschen hatten, die Programme für sie schrieben – ohne erstmal Geld dafür zu wollen. Sie bekamen nur Hardware und Unterstützung. Google hat heute Knete, Apple hatte damals die Apple-Fellows – so nannte man diese “Mitarbeiter”. Dieses Konzept von Mitarbeit war unfassbar für uns. Würde man heute wohl Crowd-Sourcing nennen und es war vielleicht die Basis für Open-Source Entwicklung.

Oder als sie uns in Cupertino den Newton vorführten – der in Wirklichkeit damals noch am Tropf von 2 (!) Mac-Computer hing, um ungefähr sowas zu machen, wie das, was die Werbung versprach. Und die versprach – obwohl der Newton in Wahrheit noch in der Intensivstation für Neugeborene lag – viel:

Aber es gab noch mehr zu staunen in Cupertino für uns als Macher von Neues die Computershow. Und manches war richtig wegweisend. Auch wenn es keinen eigenen Werbespot bekam: Apple bot einen internen, per Computer vernetzten Mitfahrservice für alle Mitarbeiter. Man konnte sofort sehen, wer wann wohin fährt und noch Platz im Auto hat. Wer hätte gedacht, dass sich daraus im Rahmen der „Shareconomy“ komplette Geschäftmodelle ableiten würden. 20 Jahre später. Wenn ich mir also ansehe, was Claus Kleber berichtet hat und wie sehr er in der Reportage versucht, was er sieht in die Zukunft zu projizieren, und dabei auch von Sorge spricht, ob das unser europäischer Weg sein kann oder soll, dann sage ich mir: aus vielen Ideen wird was, aus vielen was ganz anderes und aus allerhand nichts. Das war damals so (wenn man heute zurückschaut) und ich bin sicher, bei allem was ich in den Dokumentationen und Reportagen über das Silicon Valley der Kollegen Claus Kleber und Judith Rakers gesehen habe: das wird auch morgen so sein.

Kantine und Meeting-Räume – das besondere etwas im Silicon Valley

Wir sahen bei HP, dass es in der Kantine viele gesunde Sachen zum extrem günstigen Preis gab – und die Kantine auch nicht einfach eine Kantine war, wie wir sowas kannten, sondern ein Erlebnis- und Begegnungsraum. Bei Hartmut-Esslingers Frog-Design gab es einen Meeting-Raum statt mit Tisch und Stühlen, mit Couch, Knautschsäcken zum drauf sitzen. Und – mitten im Raum stehend – ein Eins zu Eins großes Motorradmodell das dort designed worden war. Im ganzen Raum waren solche Prototypen-Stücke verteilt. Computer, Räder und vieles mehr, was die sich so ausgedacht hatten – aber eben Dinge, die nie in Serie gingen. Ein Raum des Scheiterns? Nö – der Inspiraton.

Geschichten aus dem Silicon Valley erzählten wie bei Neues die Computershow
Lieber surfen statt Geschäftstemin – das soll ein Unternehmensschicksal besiegelt haben…
Wir staunten über Meeting-Räume bei Computerfirmen die nach Disney-Figuren oder Zeichentrick-Filmen benannt waren, um so einen gewissen Spirit für das Meeting als Rahmen vorzugeben. Wir nutzten Räder die durch ein Green-IT Programm überall herumstanden – und die kostenlos von den Mitarbeitern benutzt werden konnten, um von einem Gebäude zum anderen zu kommen. Und wir rieben uns die Augen als wir in Monterey die Geschichte hörten, dass das Schicksal einer Software-Firma davon abhing, ob ein Manager lieber surfen ging, anstatt einen Termin mit IBM zu machen. Wie wahr auch immer sie sein mag.

Heute frage ich mich: haben wir diesen Silicon Valley Geist im Film rübergebracht?

Wir ließen uns anstecken vor Ort. Wir haben sogar ein kleines bisschen von diesem Geist versucht zu retten in unseren Alltag. Wir haben ihn auf jeden Fall versucht in die Filme fpür Neues die Computershow zu packen. Stundenlang am Schneidetisch diskutiert was nun wie in den Film soll und dem deutschen Publikum zuzumuten war. Ob was davon letztlich hängen geblieben ist? Ob wir die Botschaft weitertragen konnten zu unseren Zuschauern? Ich weiß es nicht sicher. Aber wenn ich mir heute diese Dokumentation von Judith Rakers  und Claus Kleber anschaue stelle ich fest: Rakers schafft es für ihren Film nur Deutsche vor die Kamera zu holen, die dort heute ihren Weg machen. Damals gab es davon kaum welche – schon gar nicht in den entscheidenden Positionen. Wer weiß – vielleicht haben wir doch so manchen und so manche von denen die damals 10 oder 15 waren erreicht und so ein wenig mitgeholfen, sie auf die Reise zu schicken. Ins Silicon Valley, diesen virtuellen Raum, der in jedem Kopf entstehen kann. Und hoffentlich bringen auch sie wieder was zurück zu uns. Hierher nach Deutschland. Denn das Valley kann in jedem Kopf, in jedem Land entstehen. Und wenn ich mich die Tage in Stuttgart bei CodeN Spaces umschaue, das Restaurant der GFT sehe, dass man da statt einer Kantine hat – dann ist doch allerhand hier angekommen. Ob wir nun mit unserer Fernseharbeit für Neues die Computershow einen Beitrag dazu leisteten oder nicht.

Ein Jammertal – Die Silicon Valley Dokumentationen von Judith Rakers und Claus Kleber im Netz

Übrigens, um Wasser in den Wein zu gießen: Meistens kann man die Reportagen und Dokumentationen von Judith Rakers und Claus Kleber aktuell auch in den Mediatheken von ARD und ZDF nicht mehr sehen. Weil: in Deutschland muss man solche Sachen als öffentlich / rechtlicher Sender ja wieder aus dem Netz nehmen… Nach 7 Tagen. Was soll ich sagen – der Spirit ist sicher nicht bei allen die damals 10 oder 15 waren angekommen… seufz…
Und ansonsten: guckt hie und da beim Digisaurier vorbei. Hier erzählen wir Geschichten von gestern, heute und manchmal auch vom Morgen ;-)
Hinweis: dieser Artikel wurde am 26.06.2016 nochmals leicht aktualisiert.

2 Gedanken zu „Silicon Valley: Apple hatte Fellows, Google hat Knete…“

  1. Wie sagt Rick de Lisle immer?
    „Rock’n Roll is just a state of mind!“
    So ist es auch mit dem Silicon Valley :-)
    Klar, das tolle Wetter und die Sachen wie günstige, gesunde Kantine helfen bei der Kreativität. Aber die Verkehrssituation ist katastrophal und die ersten Chipfabriken verursachten auch Umweltprobleme. Habe noch Bücher darüber.

    Trotzdem ist eine Reise ins Silicon Valley ein tolles Erlebnis. Ich durfte das 1999 mit Peter Becker und dem HHPC (heute HPC) machen, davon gbt es eine DVD, die ich inzwischen auch online gestellt habe:

    https://www.youtube.com/watch?v=iw8r2RaV0hY

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