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Digitalisier das! – Erste Folge: Vinyl zu MP3

Ohne Analog-Digital-Wandler geht nichts

Nun erleben wir ja derzeit einen kleinen Vinyl-Boom. Daraus aber zu schließen, die gute alte Stereoanlage samt Plattenspieler käme zurück, geht fehl. Die aktuellen Stückzahlen sind im Vergleich zu den Hochzeiten Schallplatte marginal. Und bei den Käufern handelt es sich vorwiegend um Hifi-Freaks, die wissen, dass nur die Vinyl-Scheibe Musik liefert, die dem live gehörten Original wirklich nahekommt. Übrigens aus rein physikalischen Gründen. Wir anderen Digisaurier, die wir ab Mitte der Sechziger- bis Ende der Achtzigerjahre massenhaft Alben erstanden haben, um dann auf die CD umzusteigen, lieben unsere Sammlung und würden gern Songs hören, die es auf CD oder als MP3 schlicht nicht gibt. Noch ein anderes Argument spricht für das Digitalisieren der Scheiben: Wer Musik ehrlich hören will, aber eben digital, der kann ja seine Lieblingssongs in MP3s umwandeln, wenn er das passende Album als LP hat.

Bei uns ist es noch ein bisschen anders, denn bei uns kommt die Musik aus dem Netzwerk. Alles was wir hören, stammt entweder von Spotify oder vom NAS, an dem eine 1-TB-Festplatte mit mehreren zehntausend Liedern hängt. Deshalb kam ich vor einigen Jahren darauf, ALLE alten Schallplatten zu digitalisieren – ursprünglich mit der Idee, das Vinyl anschließend zu verscherbeln. Was ich nie fertigbrachte, sondern stattdessen immer mal wieder eine Scheibe auf den Teller lege, um ganz gepflegt Analogmusik zu genießen.

Dieser Analog-Digital-Wandler wird zwischen Plattenspieler und Rechner eingeschleift.
Um es vorwegzunehmen: Das Digitalisieren analoger Tonträger ist eine sehr zeitaufwändige und nicht vollautomatisierbare Angelegenheit, weil natürlich nur in Echtzeit digitalisiert werden kann. Um also zum Beispiel die A-Seite eines Albums mit einer Laufzeit von 46 Minuten aufzuzeichnen, braucht man – ja, genau – 46 Minuten. Da muss man schon persönlich am Ball bleiben. Ansonsten dürfte klar sein, dass eine Vorrichtung zum Wandeln von analogen Signalen in digitale nötig ist.

Tatsächlich sind Billigplattenspieler am Markt, die den Sound direkt per USB-Kabel in den Rechner speisen. Diese Geräte werden teilweise für deutlich unter 100 Euro angeboten. Allerdings ist die Qualität von Antrieb und Abtastsystem in der Regel so schlecht, dass die so entstandenen Aufnahmen noch viel schlechter klingen. Besser geht es, wenn man den guten alten Plattenspieler noch nicht verkauft oder gar weggeworfen hat. Also diese wunderbare Maschine von einem der namhaften Hersteller oder aus einer dieser kleinen Hifi-Schmieden. Denn dann braucht man nur einen entsprechenden Converter wie den Von JB-Systems (Amazon-Link). Dieses Device und andere Wandler ähnlicher Bauart kosten um die 30 Euro. Am einen Ende gibt es vier Buchsen für NF-Kabel – je ein Paar für den Input vom Plattenspieler und für den Output zum Receiver. Am anderen Ende kommt ein normales USB-Kabel aus dem Kästchen. Gegen Störbrummen hilft eine Klemme zum Erden (GND). Beim JB-Systems-Teil gibt es zudem einen Schiebeschalter, mit dem zwischen Phono- und Line-Input wählen kann. Das ist so clever wie wichtig, denn das Gerät enthält eine Vorverstärkereinheit für Phono-Signale. Schließlich kann man auch noch die Eingangslautstärke regulieren.

Und dann noch die Software…

Die Software namens Audiograbber macht aus dem eingehenden Signal MP3-Dateien.
Vom Prinzip her ist das Kästchen ein klassischer A/D-Wandler, weil er das analoge Signal vom Plattenspieler in ein digitales Signal verwandelt, das dann übers USB-Kabel in den Computer strömt. Aber ohne passende Software würde der Strom einfach so vor sich hinströmen. Ein Programm wie die Freeware namens Audiograbber ist unverzichtbar, soll aus dem Musikstrom handliche MP3-Dateien entstehen. Nicht ohne Grund verwende ich den Begriff „Strom“ (neumodisch: „Stream“ wie in „Streaming“…), denn das Hauptproblem beim Digitalisieren von klassischen Schallplatten besteht in der Pause. Ohne weitere Einstellung oder Verarbeitung würde der Audiograbber aus jeder Seite der Vinyl-Scheibe genau eine MP3-Datei machen, die mit dem Knistern beim Aufsetzen der Nadel beginnt und mit dem Plock-plock beim Auslaufen in der Endrille aufhört.

Man möchte aber doch lieber einzelne Dateien, wobei eine Datei einem Song entspricht. Im Audiograbber gibt es dafür die Funktion „Automatisch trennen“. Das Programm lauscht, und wenn es Stille entdeckt, dann beendet sie das Erstellen der einen Datei und beginnt mit dem Bau der nächsten. Nur muss man sich mit dem Audiograbber über den Begriff „Stille“ verständigen, denn was der Vinyl-Freund schon als Stille empfindet, besteht fürs Programm aus lautem Knistern. Zum Glück lässt sich die Empfindlichkeit einstellen. Und es ist angeraten, bei jeder LP mindestens einen kurzen Testlauf zu veranstalten, dann die Empfindlichkeit zu regulieren, um anschließend Ernst zu machen. Wir die Empfindlichkeit zu hoch gewählt, zerlegt der Audiograbber einen Song, in dem manchmal nichts los ist, in mehrere Dateien.

Erst wenn eine komplette LP-Seite eingespielt wurde, geht es an das Erstellen der MP3-Dateien, was der Audiograbber „Komprimieren“ nennt. Vorher kann man in der Liste die Titel der Stücke eintragen und natürlich auch den Albumtitel und den Interpreten festhalten. Beim sogenannten Komprimieren entstehen dann so viele MP3-Dateien wie Einträge in der Liste vorhanden sind, jeweils ordnungsgemäß mit dem Titel als Dateinamen und den zugehörigen MP3-Tags versehen. Alle Tags werden übernommen, wenn man die mit dem separaten ID3v1-Editor eingetragen hat. Alle MP3-Merkmale können – in Abhängigkeit der verwendeten Codecs – eingestellt und festgelegt werden. In der kostenpflichtigen Pro-Version findet sich zudem ein ganz ordentliches Modul zur Rauschunterdrückung.

Feinarbeit mit Audacity

Mit dem Tool Audacity kann man eine LP-Seite selbst in einzelne Songs zerlegen und das Rauschen minimieren
Bei richtig ollen Schinken mit hohem Knister- und Rauschfaktor versagen sowohl die Trennautomatik, als auch die Rauschunterdrückung vom Audiograbber. In diesem Fall oder wenn man’s ganz besonders sauber haben will, sollte man zu Audacity greifen, einem Tonbearbeitungsprogramm, das es schon ewig gibt und schon lange ohne lästige Updates auskommt. Mit Audacity nimmt man sich eine ganze LP-Seite vor, die man mit dem Audiograbber als WAV-Datei erzeugt hat. Prinzipiell kann auch mit Audacity aufnehmen, muss dabei allerdings auf ein bisschen Komfort verzichten.

Die WAV-Datei zeigt die stillen Stellen deutlich an. Soll ganz sauber getrennt werden, empfiehlt es sich, an diesen Stellen per Audacity-Funktion Stille einzufügen. Dazu wird die gewünschte Stelle markiert und durch einen Menübefehl auf Lautstärke 0 gesetzt. Natürlich kann man das Knistern beim Aufsetzten der Nadel wegschneiden und das Ende der Aufzeichnung auch. Natürlich erlaubt das Tool auch Verstärken und Normalisieren. Die integrierte Rauschunterdrückung basiert auf der Analyse der Datei und wirkt recht ordentlich: Unerwünschtes wird gekappt, ohne dass zu viel vom Inhalt der Musik drunter leidet. Die so bearbeitete WAV-Datei kann man dann wieder dem Audiograbber zuführen, denn der bietet die Möglichkeit, auch Musik, die in Form einer WAV-Datei vorliegt, in MP3 zu verwandeln – wieder mit der automatischen Trennfunktion und dem MP3-Tag-Editor. Dieses Mal wird das Trennen prima funktionieren, weil ja zwischen den Stücken echte Totenstille herrscht.

Viel Arbeit für ein bisschen Nutzen
Wie gesagt: Das Digitalisieren von LPs ist viel Arbeit. Deshalb habe ich an einem bestimmten Punkt entschieden, wirklich nur die Scheiben in MP3s zu verwandeln, die nicht zum Download und auch nicht bei Spotify angeboten werden. Damit reduzierte sich die Zahl der Vinyldinger, die den beschriebenen Prozess zu durchlaufen hatten, drastisch: von ungefähr 800 auf knapp unter 100. Aber die Digitalisierung dieser rund einhundert Platten zog sich über fast ein Jahr hin, weil das Aufnehmen von mehr als zwei oder drei Scheiben pro Tag schon anstrengend genug ist.

Hinweis: Die genannte Software gibt es zum Download für Windows-Computer; vergleichbare Anwendungen werden aber auch für Mac OS angeboten; der beschriebene A/D-Wandler funktioniert dank USB natürlich auch am Mac.

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