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Fast vergessen (6): Was wurde eigentlich aus der ELSA AG?

Das ELSA-Hauptquartier am Aachener Sonnenweg (Foto: siehe Bildnachweis unten)

Das ELSA-Hauptquartier am Aachener Sonnenweg (Foto: siehe Bildnachweis unten)

Wenn man ganz nah an einem dramatischen Ereignis war, empfiehlt es sich, ein paar Jahre abzuwarten bevor man darüber spricht oder schreibt. Am schnellen und gnadenlosen Niedergang der Aachener ELSA AG im Jahr 2002 war ich sehr dicht dran. Irgendwann im Frühjahr 2001 lief in der PR-Agentur, bei der ich damals tätig war, eine Anfrage ein, ob man ein namhaftes deutsches IT-Unternehmen bei der Umgestaltung der Kommunikation beraten könne. Absender war der damalige Leiter der Unternehmenskommunikation, Oliver Schwartz, ein junger, ehrgeiziger PR-Mensch, der sich mit seiner straffen und effizienten Medienarbeit bei US Robotics (Palm) einen Namen gemacht hatte. Natürlich sagten wir zu, denn die IT-Experten in der Agentur wussten, dass die ELSA AG ein wahres Dickschiff mit einer interessanten Story war. Keiner von uns ahnte, dass aus der allgemeinen Beratung bald die hautnahe Begleitung einer Krise werden würde.

Heute, rund 20 Jahre später, ist kein bisschen klarer, woran es gelegen hat, dass dieses weltweit renommierte Hardwarehaus so schnell so tief abstürzte. Und wenn man mit anderen Beteiligten redet, hat jeder eine andere Story zu erzählen. Schuldige werden benannt und von anderen verteidigt. Verschwörungstheorien poppen auf, und notfalls wird das Scheitern des Neuen Marktes als Grund für den Zusammenbruch des Unternehmens herangezogen. Tiefe Feindschaften sind entstanden, und ein paar Karrieren fanden im Krisenjahr 2002 ihr Ende. Da lohnt es sich, einen Blick auf die Geschichte der ELSA AG zu werfen, also darauf, wie die Firma so groß werden konnte.

So urig sah’s bei ELSA aus (Foto: privat)

Keimzelle des Unternehmens war die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (kurz: RWTH), deren Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik schon sehr früh nach ihrer Gründung im Jahr 1961 einen guten Ruf genoss und spätestens ab den Siebzigern zu einer der wichtigsten Forschungseinrichtung rund um die Digitalisierung galt. Bereits in den frühen Neunzigerjahren entstanden aus diesem Umfeld einige Unternehmen, die man heute Start-ups nennen würde, und die mit der Umsetzung von Theorie in marktfähige Produkte erfolgreich werden wollten. Der Bau eines Gründerzentrums bot den passenden Rahmen.

Da war die Firma ELSA aber schon dick im Geschäft, wenn auch mit Consumer-Produkten, sondern mit Industrieelektronik. Gegründet 1980/81 in Würselen, zog man zunächst nach Stolberg und dann nach Aachen, wo 1986 der Elektrotechnikstudent Theo Beisch zur Company stieß. Die Gründer hatten sich auf die Technik der Datenfernübertragung spezialisiert, Beisch brachte das Thema Grafik ein. 1988 brachte man mit dem MicroLink 2400M das erste von der Bundespost zugelassene Modem auf den Markt. Dann kamen die ersten Grafikkarten ins Repertoire, die bei den Freaks auf ungeteilte Begeisterung stießen. Unter Kennern berühmt wurden ELSA-Produkte vor allem wegen ihrer herausragenden Qualität und der mindestens ebenso guten Treiber. Anfang der Neunziger war ELSA mit Niederlassungen in den USA, Japan und Taiwan zu einem globalen Player in ihren Fachgebieten geworden.

Ein klassisches ELSA-Modem (Foto: siehe Bildnachweis unten)

Und profitabel war der Laden! Die Verkaufspreise der Modems und Grafikkarten war enorm hoch, die Herstellungskosten sinkend. So konnten die Verantwortlichen für damalige deutsche Verhältnisse enorme Summen in die Produktentwicklung stecken und blieb über Jahre technisch führend. Man expandierte ständig, baute neue Produktionsstandorte auf und schaffte sich eine effiziente Vertriebsorganisation an. Aus dem urigen Backsteinbau am Sonnenweg in Aachen wurde durch Um-, An- und Neubauten ein echtes Hauptquartier, das aber bis zum Schluss mit seinem staubigen Parkplatz und den verwinkelten Zugängen immer ein wenig chaotisch wirkte.

Um 1999 herum waren Modems, Grafikkarten und Monitore der Marke ELSA allgegenwärtig. Nur: Die Konkurrenz hatte nicht geschlafen, nur wenige Produkte trugen noch Alleinstellungsmerkmale, und die Verkaufspreise verfielen zusehends. Man hatte ein bisschen zu lange auf professionelle und semi-professionelle Kunden gesetzt und war – wie man heute weiß – auf eine Vertriebskrise nicht im Geringsten vorbereitet. Im Kreis der drei Gründer kam es zu heftigen Konflikten über die zukünftige Linie. Während ELSA-Produkte – auch dank einer hervorragenden Medienarbeit – Testsiege zu Dutzenden einheimsten, verkauften sich gerade die hochgelobten Geräte wegen ihrer Preise immer schlechter. Die Frage war: Mit neuen Produktlinien auf den Massenmarkt setzen oder weiter auf Qualität zu setzen und den Kostendruck durch Sparmaßnahmen reduzieren.

ELSA Fun – als man versuchte modern zu werden (Foto: Amazon)

Wie aufgeheizt die Stimmung im Frühjahr 2001 war, erlebte ich selbst bei einigen Meetings am Sonnenweg, wenn von zwei eingeladenen Chefs nur einer erschien, wenn ad hoc die Agenda verändert wurde und wir vergebens aufgelaufen waren. Personalentscheidungen wurden im Alleingang getroffen, und plötzlich war auch Oliver Schwartz nicht mehr da. Das Unternehmen war tief gespalten. Man hatte sehr früh erhebliche Mittel in die Entwicklung von Wlan- und Bluetooth-Produkten investiert, die an anderen Stellen fehlten. Und dann waren es die Banken auch leid, sich mit einer tief zerstrittenen Geschäftsleitung auseinanderzusetzen.

Der Rest ist schnell erzählt. Im Mai 2002 wurde die Insolvenz eingeleitet, wobei Theo Beisch dem Insolvenzverwalter gerichtlich vorwarf alle Rettungsversuche geblockt zu haben. Schließlich kam es zu einem umfassenden Management-Buyout, der zu Firmen wie LANCOM und Devolo führte, die auf ihren jeweiligen Kompetenzbereich reduziert lange erfolgreich blieben. Ein Cousin von Theo Beisch gründete aus den Resten der AG die ELSA GmbH, der nur ein kurzes Leben beschieden war. Auch weil der Insolvenzverwalter die Namensrechte an ein taiwanesisches Unternehmen verkauft hatte, das als ELSA Technology bis heute besteht – Treppenwitz daran: Diese Firma, die sich den Namen ELSA gekauft hatte, war 1997 als Joint Venture der ELSA AG und eines kleinen Hardwareentwicklers in Taiwan gegründet worden.

Ein sehr früher ELSA TFT Flachbildschirm (Foto: eBay)

Wie gesagt: Wir waren mittendrin im Strudel der Insolvenz, und mir tat die ganze Sache sehr leid. Vor allem wegen der rund 340 hochqualifizierten Mitarbeiter, aber auch, weil ich immer ein großer Fan der ELSA-Produkte war. Einen ELSA-LCD-Monitor aus jenen Jahren, der als Leihgerät auf meinem Schreibtisch in der Agentur stand und den ich nach der Abschreibung privat übernehmen konnte, tat noch weitere vier Jahre klaglos Dienst im Homeoffice.

[Bildnachweis – ELSA Headquarter: Norbert Schnitzler via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0; ELSA-Modem: Phrontis via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0;]

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