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Die Uncoolen und die Coolen

Borland und Ashton Tate – das ist eine Geschichte, wie es sie seit Äonen gibt: uncoole Firmen kaufen coole Firmen. Plötzlich dominieren Nadelstreifen und Krawatten in pastelligen Rottönen, wo einst flippige Freaks mit Wasserpistolen über die Gänge hüpften. Doch ein einziges einmal war es anders. Da hat eine coole Firma einen ziemlich uncoolen Konkurrenten gekauft. Und ist daran zerbrochen.

Borland war unfassbar cool

Borland war unfassbar cool in späten 80ern und frühen 90ern des vergangenen Jahrhunderts. Bei Pressekonferenzen sprachen Entwickler statt Marketing-Menschen, hemdsärmelig, die Sakkos mit fetten Schulterpolstern über die Lehne geworfen, Füße auf dem Pult.

Borland hatte Quattro Pro, Paradox und die besten Compiler überhaupt. Hach, die Compiler. Turbo Pascal und – mein Favorit – Turbo C, später Borland C++.

Warum Borland so cool war? Abgesehen vom flapsigen Auftritt der Entwickler hatten sie wirklich schöne Räume in Starnberg. Und sie hatten gute Produkte. Turbo C war der erste Compiler mit einer guten, eingebauten Hilfefunktion. Borland hat Produkte vom Nutzer her gedacht. Das gefiel mir.

Die gänzlich uncoole Akquisition

Doch dann kam Ashton Tate. Ein Urgestein des Datenbank-Paläozoikums. dBase hieß ihre Datenbank. Die gab es schon als dBase III, als ich 1988 angefangen habe.

Jungs, die mit dBase umgehen konnten, hatten zehn von zehn Punkten auf der Nerd-Skala. Aber Asthon Tate selbst war eine Nadelstreifen-Firma. Unternehmens-Software von Unternehmern für Unternehmer. Nichts gegen Unternehmer in Nadelstreifen: Firmen zu führen ist ne ernste Sache. Da passen dunkle Anzüge. Aber Borland passte zu Ashton Tate etwa so gut wie ein schnoddriger VW-Bus zum DAX-Konzern-Manager.

Meine Erinnerungen sind wohl verwässert – aber ich meine, Borland hätte nach der Übernahme eine schnelle Wandlung durchgemacht. Mit dem Merger ging alle Coolness verloren. Von einem Tag auf den anderen. Die Entwickler hemdsärmelten wieder an ihren Computern herum und sprachen nicht mehr vor der Presse.

Richard Joerges und Martin Goldmann bei einer Borland-Party in der Münchener Babalu-Bar. Im Hintergrund links Philippe Kahn.

Plötzlich hatte Borland zwei Datenbanken im Programm: Nadelstreifen-dBase und Hippie-Paradox. Möglichst bald sollte dBase für Windows erscheinen. Doch da hatte sich das Unternehmen verhoben, dBase für Windows verzögerte sich endlos. In der PC DIREKT vom Oktober 95 gab ich den einst so coolen Borlands ein wenig Spott mit auf den Weg:

Ein Aufatmen geht durch die EDV-Szene. Nach einer rund zweijährigen Ankündigungs- und Betaphase kommt Windows 95 endlich auf den Markt. Damit hat es fast den Verzögerungsrekord von Borlands dBase für Windows erreicht.

(Test Windows 95, PC DIREKT 10/1995)

Aber Borland hatte noch ein viel größeres Problem: Microsoft. Dort fand man den Merger mit Ashton Tate gar nicht witzig. Die eigene Datenbank Access war gerade erst aus den Windeln. Also holte sich Microsoft Foxpro dazu. Ausgleich. Microsoft gegen Borland 2 zu 2.

dBase für Windows kam irgendwann, Paradox musste gehen. Zu Corel. Corel war früher ne coole Grafikfirma. Dann hat sie Word Perfect gekauft. Oder war es anders herum? Corel hat Paradox mit Word Perfect in ein Bundle gesteckt und gemeinsam versenkt.

Und Borland? Borland hatte sich an Ashton Tate verschluckt, Microsoft hatte leichtes Spiel mit einem Gegner der sich selbst besiegt hat. Schade um Borland. War ne coole Firma. Damals.

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