Als ich 16 war und zum ersten Mal auf die Buchmesse ging, da dachte ich: da kommen Autoren hin und zeigen den Buchmachern, die Verleger heißen, ihre Manuskripte. Und dann entsteht ein Buch. Ich brauchte ein paar Jahre um zu verstehen, dass Autoren da eigentlich gar nicht so gern gesehen waren. Außer natürlich die berühmten, die Lesungen hatten oder Interviews und Autogramme gaben. Self Publishing, eBook & Co bringen die Branche aber gerade irgendwie durcheinander. Doch Vorsicht: es ist nicht alles Gold, was da für Autoren scheinbar glänzt. Und hinter den Kulissen sieht es sogar ein wenig armselig aus…
Ein paar Bierbänke und Biertische – obwohl das Oktoberfest vorbei ist. Nein, das ist nun wirklich nicht das attraktivste der vielen „Cafes“ auf der Buchmesse in Frankfurt. An Sperrholzwänden, die vermutlich Design sind und nicht ein Versehen – treffen sich einige Self Publisher zum Gedankenaustausch.
Self Publisher – heimatlose Autoren mit neuer Macht?
Neue Technologien – neue Chancen für Schreib-Talente?
Endlich die Geschichte erzählen, die einem am Herzen liegt? Einfach mal eben publizieren und die Welt erreichen? Kann es wirklich bald so sein? Oder ist es gar schon so? Wenn ich meinen Besuch vor einem Jahr auf der Buchmesse 2014 Revue passieren lasse, würde ich sagen: die Chancen stehen durch neue Technologien fünfzig zu fünfzig. Und das Glas ist eher halbvoll, als halbleer. Das ist die gute Nachricht. Und was sagen den die Profi-Literatur-Platz Sucher?
Holzfaser adelt…
„Bei denen die zu uns kommen ist aber der Fokus immer noch: das gedruckte Buch als Ziel.“
Martina Kuscheck & Gerd Rumler, Literatur-Agenten
Also: elektronisch ans Verlagshaus binden, sagen die einen. Zwischenparken sagen die anderen. Und ein befreundeter Kollege eines Branchenblattes sagt es etwas unfeiner…
Expertenmeinung: „Super: das ist digitale Mülltrennung…“
„Ich finde es super, was die Digitalen da machen. Das ist im Grunde die Möglichkeit für die Verlage, dass diese ganzen Pseudo-Autoren woanders aufgefangen werden. Ich habe zu einem derjenigen, die da Dienstleistung anbieten gesagt: Prima- das ist digitale Mülltrennung. Ihr haltet den Schrott von den Verlagen fern…“
Branchenjournalist
Digitale Mülltrennung, nennt es also ein Kollege. Sicher eine drastische Sicht – aber klar ist schon: selbst für viele Autoren in der Self-Publishing Area mit denen ich sprach ist, wie ja auch die Agenten berichten, das ankommen im Bereich der Selbstverleger mit eBook oder Book-on-demand nicht unbedingt das echte Ziel. Eher ein Einstieg, ein Plan B – das Ziel ist „…in einem echten Verlag, gedruckt werden.“ Und dennoch: die Talkrunden zum Thema, die Vorträge von Anbietern in der Self-Publishing Aera in der Halle 3.1 sind voll. Die Besucher hören sich lange Präsentationen geduldig an. Stellen Fragen und erfahren Erstaunliches:
Mehr Schein als Sein als Trick?
Zum Beispiel: „Durch die neuen Technologien kann man heute, wenn man sich ein bisschen bemüht gar nicht mehr erkennen, ob das ein Selbstverleger ist oder ein klassischer Verlag…“. So erzählen die Vertreter von „Ruck-Zuck-Buch“ und tredition den Zuhörern. Und: „Die Journalisten sind heute sogar offener für die Self-Publischer…“ berichtet Sönke Schulz auf Rückfrage den gebannt lauschenden Autoren in Spe. „Da erwarten sie was Neues, was erfrischendes…“
„Die Journalisten sind heute offener für die Self-Publisher“
Zitat Vortrag Self Publisher Area
Hans-Dampf-Autor in allen Gassen – so gehen Erfolgsgeschichten der digitalen Welt
Es ist bei allen Vorträgen die ich 2014 so hörte dieselbe Mischung aus Hoffnung machen und Realitäten klar machen. Und das gilt auch bei Gesprächen zwischen den potentiellen Autoren und den Anbietern im Markt. Anbieter? Naja – das sind Leute die eigentlich mehr „Enabler“ sind. Aber den Begriff „Enabler“ sagt man auf der Buchmesse wahrscheinlich nicht. Weil – wenn man eine Definition des Begriffes in Frankfurt im Oktober versuchen würde, käme bestimmt rasch der Heureka Moment… „Enabler? Ach Sie meinen einen Verleger!“ Stimmt aber nicht ganz. Eher technischer Dienstleister. Vielleicht Plattform. Denn was muss der Self Publisher auf jeden Fall selber machen? Alles mögliche! Und: Arbeiten! Arbeiten! Arbeiten! Und zwar überall und gleichzeitig.
„Sie müssen sich einsetzen, müssen sich wie ein Verleger um den Vertrieb kümmern und alle ihre Vermarktungsmöglichkeiten einsetzen…“
(Self Publishing Dienstleister)
Oder die Story von der Dame, die zum Thema Mobbing geschrieben hat und – nach einem Auftritt bei Markus Lanz – plötzlich ihr Buch auf den Amazon Bestseller-Listen ganz oben wiederfand. 100.000 sollen verkauft worden sein. „Und wie kam die zu Markus Lanz?“ fragt eine hoffnungsfrohe künftige Selbstverlegerin. Da muss Vorträger Schulz die Achseln zucken. Weiß er nicht. War halt so. Aber was soll es: die Richtung ist klar und genau so muss er sein, der Autor in einer intelligenten, digitalen Welt. Ein hochaktiver Selbstdarsteller mit Facebook, Twitter und Homepage oder noch besser Blog mit vielen Lesern. Und dann klappt´s auch mit dem Markus…
Digisaurier-Gedanke: War das alles nicht schon immer so?
So als Digisaurier und damit Wanderer zwischen analoger Vergangenheit und digitaler Zukunft kommt einem dann schon der Gedanke: So neu ist das alles nicht… Und wenn man guckt, was auf den „klassischen“ Ständen passiert: engagierte Autoren machen dort jede Buchmesse genau das, was die Kollegen bei den Self-Publisher Veranstaltungen dem Publikum auch sagen: „Von nix kommt nix…“ Früher wie heute, oder? Vergesst die neuen Zeiten und die irgendwie ja doch neuen Machtverhältnissen in der erzählenden Branche des geschriebenen Wortes. Schaffe, schaffe – Erfölgle baue… Sonst geht nix.
„
Einmal Verlag und zurück – vom Establisment zum Self-Publisher?
„Ja – da gibt es einige Autoren, die einfach beides machen… Oder über einen zweiten Publishing Weg im Self-Publishing nachdenken.“, wissen auch die Literatur-Agenten.
Und es gibt ohne Frage Namen, die könnten heute auch ohne Verlag – nachdem die Basis gelegt ist. Thriller Autor Sebastian Fitzek zum Beispiel – wer pusht da wen? Manchmal ist man sich da gar nicht so sicher. Und gerade in den Tagen vor der Buchmesse 2015 geht die Meldung um, das Cornelia Funke, wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem US-Verlag – ebenfalls zur Self-Publisherin wird.
Die Dienstleister – klappern gehört zum Handwerk
Und was machen nun all die Dienstleister in diesem Bereich, um sich zu unterscheiden. Kunden – pardon – Autoren zu sich zu ziehen? Die Kollegen von Egmont und der Self-Publishing Plattform Lyx machen zum Beispiel den kommenden Autoren den Weg leicht. So ein ganzes Buch gleich fertig zu schreiben ist ja viel Arbeit. Also: „Chapter by Chapter“-Publishing wird hier vorgestellt.
„Der Autor will nicht warten, bis alles fertig ist. Er will die ersten Sachen Online stellen, dann eine Meinung der Community hören. Sich motivieren lassen zum weiterschreiben…“
Sabine Glitza, Egmont Lyx
„Aber was ist, wenn der Autor irgendwann – aus welchen Gründen auch immer – aufhört?“, frage ich mich, beim Chapter by Chapter Konzept. Sabine Glitza denkt, dass das nicht passiert, weil „…die Leute bei uns in der Leserschaft wirklich sehr nett zu den Autoren sind. Da wird nicht gebashed sondern wirklich motiviert…“ Und sollte dennoch einer mittendrin aufhören, sagt Dennis Schmolk, „…dann hat die Geschichte halt kein Ende.“
Das ist wohl wahr – allerdings würde mich diese digitale Freiheit als Leser eventuell doch ein wenig nerven. Und als Autor finde ich es befremdlich, weil wir alle wissen, dass während des Prozesses des Schreibens das Umschreiben im Laufe des Buches (auch von frühen Kapiteln) ein sehr normaler Vorgang ist, Aber schreibt man um, wenn es schön öffentlich ist…
Aber die Self-Publish Plattformen können auch anders: wer nicht nur einfach mal so veröffentlicht, sondern zum Beispiel bei Lyx-Talent mitmacht und sich bewirbt, der muss wirklich „…die ganze Geschichte fertig haben. Sonst nehmen wir den nicht an.“
Mal ernsthaft: die Self-Publisher professionalisieren sich
Eine Professionalisierung der Autoren im Self-Publishingbereich sehen auch die Kollegen, die sich darum kümmern, dass Manuskripte lesbarer werden. Am kleinen Stand des Verbandes der freien Lektoren, treffe ich drei die sich in einer Sache einig sind: die Self-Publishing Autoren haben sich verändert.
„Die Autoren die selbst verlegen, sind bestimmter geworden. Die wissen, was die wollen. Sie haben eine Vorstellung davon, was Lektorat tut und was ein gutes Lektorat an einem Buch besser machen kann. Da hat sich schon was verändert.“
Verband der freien Lektoren
Insofern ist der Verband, der 2014 zum ersten Mal in der Self-Publishing Area war sehr zufrieden mit dem neuen Standort.
Bei den Dienstleistern gehört, vor allem wenn sie auf der Bühne vor den künftigen Autoren sprechen, klappern zum Handwerk. So mancher Vortrag in 2014 hatte ein paar Stellen, da findet man manches ganz schön vermessen.
Elektronische Tupperware-Konzepte für mehr Leser?
Fragt man – abseits der Bühne – nach, wie das gehen soll, dann wird das Ganze schon eine Nummer kleiner. „Self Publishing rettet also das Lesen?“ „Nein – das kann ich so nicht sagen. Aber für uns steht fest: wenn Autoren selbst anfangen zu vermarkten, so eine Art Crowd-Searching für Leser – dann haben wir ein enormes Potential, um den Kampf um die Freizeit der Menschen zu gewinnen. Und alle stärker zum Lesen zu motivieren, statt zum TV gucken in einer Mediathek auf Abruf.“
Es wird zwei Welten geben – Papier und digital
Vieles kann, nix muss. Und Ausnahmen bestätigen sicher die Regel. Aber für den Großteil der neuen Marktteilnehmer – so ist der Marktkenner Faure vor einem Jahr überzeugt – gilt die Regel und nicht die Ausnahme.
„Klar gibt es ein Potential. Aber der Großteil dieser Autoren wird feststellen, dass von den 50 Facebookfreunden, vielleicht 30 das Buch interessant finden, das man geschrieben hat. Und ein Teil kauft es vielleicht auch. Aber das hat nicht das Potential den Verlagsdominierten Markt auszuhebeln.“
Ulrich Faure, Buchmarkt
Aber: wie all diese Papierblätterer dann daheim wirklich lesen – ob auf Papier oder digital – das bleibt freilich offen. Vor allem nachdem sie – gar nicht so selten – ein Buchcover eines Papier-Titels in dem sie gerade geblättert haben mit dem Handy fotografieren…
Die neue Fairness – eine Chance der intelligenten Welt
Die Schwesterseite der Digisaurier heißt ja www.intelligente-welt.de. Und gemeint ist genau diese digitale, vernetzte Welt und hoffentlich auch schöne Welt, die da irgendwie kommen könnte, wenn wir das eine oder andere richtig machen, mit diesen Technologien. Und aus dieser Sicht betrachtet muss man sagen: Wichtig war 2014 in der Halle 3.1 – wo die neuen Technologien, wo die intelligente, vernetzte Welt den alten Wunsch des Geschichten Erzählens und Publizierens für so manchen wieder möglicher erscheinen ließ – eines: Fairness.
Insofern bleibt ein Fazit: die Chancen sind 50 zu 50. Das Glas ist eher halbvoll, als halbleer für die neuen Autoren durch das Self Publishing. Und: in einer solchen intelligenten Welt ist offenbar die Chance auf Fairness, Transparenz und Ehrlichkeit beim Self-Publishing gestiegen, im Vergleich zu früher. Das wäre doch schon mal was.
Und dabei fällt mir ein: ich bin hier ja auch Self-Publisher. Weil: der Text ist ja sicher viel zu lang, den hätte keiner gedruckt und vermutlich will ihn eh kaum einer lesen. Aber: es hat Spaß gemacht ihn zu schreiben. Und nein – ich hab mir keinen Lektor leisten können. Darum sind alle Tippfehler meine Schuld. Und Gedankenfehler eh…
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Kollege Michael Lang hat ein recht gutes Fazit für sich aus diesem Text (ja! er hat ihn komplett gelesen…) gezogen, dass ich den Lesern nicht vorenthalten will. Danke, Michael… Und wenn noch jemand ein anderes Fazit ziehen will: nur zu. Kommt auch gerne hierher… Oder in die Kommentare schreiben – wie es euch gefällt…
<meta http-equiv=“refresh“ content=“0; URL=/?ref=tn_tnmn&amp;_fb_noscript=1″ />via Facebook Michael Lang Christian, deine Feststellung in deinem Artikel, dass sich die Selfpublishingszene professionalisiert, kann ich nur bestätigen. Wenn ich dran denke, über welche Banalitäten in der Selfpublishing-Gruppe auf FB noch vor zwei Jahren diskutiert werden musste und was da oft für Schwachsinn als Gegenargument kam … Genau genommen hat eine Zweiteilung stattgefunden: Die einen wurden Profis und verschwanden deshalb weitgehend aus der Gruppe, die anderen – Hobbyschreiber und Unbelehrbare – sind mangels Erfolg auch weitgehend verschwunden. Heute sind es vor allem Neueinsteiger, die naive Fragen stellen – aber das ist ja normal und richtig so.