Als Theo Lieven Bill Gates angriff…

Um ehrlich zu sein – ich weiß nicht ob Bill Gates den Angriff überhaupt mitbekam. Selbst Theo Lieven sagte mir später in einem unserer persönlichen Gespräche: „Keine Ahnung ob Gates immer alles mitkriegt, was seine Leute so machen und ob er das alles so will…“ Aber die Company merkte den Angriff des damals wichtigsten deutschen Computerhändler schon. Und wehrte sich auch. Wollte Bill Gates immer alles, was in seinem Unternehmen passierte. Plante er alles? War er immer das strategische Mastermind? Ich finde, das ist eine gute Frage – die sich im Positiven wie im Negativen aus meiner Sicht – durch die MS-Geschichte in Deutschland und vermutlich auch weltweit zieht. Eine Frage die unser aller Verhältnis zur „Gates-Company“ stark prägen sollte. Und aktuell prägt. Auch zum 50igsten von Microsoft. Und zum 40iger von Windows.

Leben und Lieben die das, was sie machen? Oder verkaufen die das bloß – das war eine zentrale Frage… Wer jemals bei Theo Lieven im Büro war und damals den berühmten Kabelbaum mit unendlich vielen Anschlüssen die irgendwie am Schreibtisch rausguckten und verbaut waren gesehen hat, der wusste: Der Mann nutzt was er verkauft. Der liebt was er tut. Und wie ging es ihm mit dem damals jungen Mann aus Redmond? „Respekt vor den Fähigkeiten“, hatte Theo Lieven seine Einschätzung von Gates mal definiert. Aber aus Respekt muss nicht zwangsläufig Sympathie werden. Schon gar nicht Liebe oder Gefolgschaft wie sie zu anderen IT-Firmen dieser Zeit entstand. Bei Microsoft wird es wohl für viele immer bei diesem eigenartigen Gefühl bleiben, was man vermutlich als Hassliebe bezeichnen kann.

Mit Theo Lieven unterwegs – immer ein Erlebnis

Aber erstmal einen Schritt zurück. Theo Lieven griff also Microsoft an. Ich denke, da gibt es jetzt Menschen die das Lesen und sagen: „Wer ist Theo Lieven?“ Oh – stimmt. Der Name mag in Vergessenheit geraten sein. Viele kennen eher noch seine Firma: Vobis-Computer. Aber simpel gesagt: Theo Lieven gehört zu den am meisten unterschätzten Playern in der Geschichte des Computers in Deutschland, wenn nicht in Europa. Er war mit einer der wesentlichen Architekten der Computerlandschaft in ihren Anfängen. Und ich bedaure bis heute, dass es nicht dazu gekommen ist, dass ich dieses 30-Minuten Filmportrait über ihn damals für „Neues“ machen konnte. Er hätte es mehr als verdient. Aber die Redaktion sah das damals anders.

Dennoch – die Geschichte die ich heute erzählen will, ist die von den Anfängen eines Kampfes, der am Ende nicht mit dem Sieg Davids endet. Aber auch nicht mit seiner Niederlage..

Eine denkwürdige Fahrt im Rolls Royce – oder sowas ähnlichem

Neues_Dreh_Oldtimer
Ich bin ganz sicher – das Auto war es nicht, dass wir fuhren. Das war im Museum bei Dreharbeiten zu Neues… die Computershow

Die Vorarbeiten zu dem Theo Lieven Spezial liefen „Under Cover“. Ich war auf eigene Faust unterwegs und fest entschlossen diesen Mann mit einem Film in „Neues…Spezial“ zu porträtieren. Nur der Sender wusste es noch nicht. Lieven hatte einfach so viel bewegt in dieser Branche, steckte voller Energie, Begeisterung für Technik und voller Überraschungen. Er war einfach mehr als nur ein Computerhändler.

Es war Anfang der 90iger Jahre. Die VOBIS AG war gegründet, die Metro-Gruppe hatte bereits erhebliche Anteile und der Erfolg in diesen Jahren war enorm. Hunderttausende PCs wurden in Deutschland unter der Marke Highscreen verkauft. Die Geschichte der Firma – von der Studentenbude die Rechenschieber verkauft zum einflussreichsten Verkäufer und sogar Computerhersteller – war großartig.

Und so kam es zu dieser denkwürdigen Autofahrt in einem – wenn ich mich recht erinnere – Rolls Royce. Warum ich wegen des Autos nicht mehr sicher bin? Weil mich der Mann der es steuerte viel mehr interessierte. Und ich eh keinen Blick für Autos habe. Wir waren auf dem Weg nach Belgien. Ein Katzensprung von Vobis in Aachen entfernt. Nach einem langen Tag, in dem mir Lieven per Auto und Flugzeug zeigte wie er an unterschiedlichsten Standorten PCs baute und mit seiner Art der Produktion und seiner speziellen Einkaufspolitik, dafür sorgte, dass sie bezahlbar blieben, waren wir beide offenbar immer noch nicht müde. Es ging zum privaten Teil – einem gemeinsamen Abendessen bei ihm zuhause. Hintergrundgespräch. Nix offizielles. Wir hatten noch einige Minuten bis zur Ankunft, hörten klassische Musik im Auto, als er plötzlich sagte:

MSDOS-Logo

„Man muss doch etwas gegen dieses Monopol machen können…“ Es war klar, was er meinte. Microsoft. Ganz wichtig: Die Rede war damals noch nicht von Windows. Es ging ihm um die dominante Marktmacht von MS-DOS! Und das wir uns nicht falsch verstehen. Das ist zwar eine Insidergeschichte, aber ich plaudere hier kein Geheimnis im klassischen Sinne aus. Denn ich war garantiert nicht der Erste dem er das erzählte. Es war seine Art bestimmte Ideen vorab zu testen, indem er sie einigen Leuten zeigte oder erzählte und guckte, was die dazu sagen. Ob es nun um eine neue Design-Idee ging (Zum Beispiel „Wir machen jetzt die wichtigsten Anschlüsse am PC nach vorne, dann muss man nicht unter den Schreibtisch kriechen…“) oder eben die Sache mit dem Betriebssystem. „Man müsste was Eigenes auf den Markt bringen… Bei der Menge an PCs die wir verkaufen, müssten wir da was hinkriegen… “ Ein typischer Theo Lieven Satz…

Christian – der Vorkoster

Dreh-Neues...-aus-Computerredaktionen
Andere Zeiten, andere Marken: Neues gibt es nicht mehr. Vobis auch nicht mehr.

Ich war also gewissermaßen der Vorkoster. Obwohl – man weiß ja, wie deren Geschichte manchmal endet. Zumal wir ja auf dem Weg zum Abendessen waren… Bevor sich also wer Sorgen um mich macht. Sagen wir lieber mal: ich war einer der Beta-Tester dieser Idee. Das sind die Vorkoster der digitalen Zeit – meist mit weniger tödlichem Ende.

Nach seinen ersten beiden Halb-Sätzen, die eher nach „laut gedacht“ klangen schwieg Lieven und steuerte offenbar gedankenverloren über die kleinen Straßen. Was sollte man auf so eine Frage antworten? Noch war er ja nicht konkret geworden. „Dieses Monopol…“ war eine gern genommene Floskel in Sachen MS. Die Chance damit einen Verteidiger auf die Barrikaden zu rufen war denkbar gering. Wer mochte damals schon Microsoft? Die waren irgendwie nicht dazu da gemocht zu werden.

MSDOSE

Werner Tiki Küstenmacher beispielsweise hatte Microsoft bei der Präsentation eines ganz speziellen Buches namens DOS 9.2 in Frankfurt als größenwahnsinnigen Laden der nach der Weltherrschaft strebt parodiert. Obwohl er einen erheblichen Teil seines frühen Erfolges der Firma und deren Produkt MS DOS verdankte, die es ihm ermöglichte mehrere Bestseller wie „MS DOS mühelos“ (verpackt in einer gelben Dose!) oder „Mr. Batchmann“ zu schreiben. Werner parodierte und wir haben alle sehr gelacht. Ich habe an dem Buch sogar – wie einige andere die hier aktiv sind – mitgeschrieben. Das war aber erst einige Jahre nach der Autofahrt.

Ich saß im Auto neben dem schweigenden Theo Lieven und dachte nach. Einerseits über das gesagte und andererseits darüber ob er nun eine Einschätzung von mir wollte… Also begann ich vorsichtig und recht zaghaft: „Naja – sie haben halt einen riesigen Markt, direkt vor der Haustür…“

„Wir auch! Das kann doch nicht so schwer sein, so ein Betriebssystem zu schreiben…“, unterbrach Lieven.

Uups!? Selber machen? VOBIS-DOS oder so? „Okay – aber das haben ja schon andere versucht…“, warf ich etwas destruktiv ein. Obwohl ich die Idee faszinierend fand. Schließlich musste man ja sagen, dass…

„…die hatten aber alle keinen Zugang zum Endkunden. Keine Filialen. Verkaufen nicht hundertausende PCs in ganz Europa… Haben keinen Denkzettel, wie wir…“ Genau das hatte ich auch gerade gedacht. Aber Theo Lieven sprach es aus. Und es war nicht von der Hand zu weisen: Das war der Unterschied.

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Der legendäre Vobis Prospekt in Millionenauflage – der Denkzettel

 

Eine Konkurrenz zu MS DOS – Größenwahn oder einmalige Chance?

Aus heutiger Sicht könnte man sagen: war der verrückt? Nein. Jahre später schrieb er ein Buch, dass er mir mit persönlicher Widmung schenkte und über das ich mich sehr freute. Sein Titel: „Unternehmer sein heißt frei sein“.

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Ein Buch, eine Widmung, eine Geschichte – ich habe mich sehr darüber gefreut.

Es war Theo Lievens unternehmerische Freiheit solche Gedanken zu fassen und im Zweifelsfall umzusetzen. Ich hatte das Glück so einen Moment mit einem sehr faszinierenden Zeitgenossen zu teilen. Was wäre gewesen wenn er damit Erfolg gehabt hätte? Wenn er mit einigen wirklich guten Programmierern ein „Highscreen Betriebssystem“ auf den Weg gebracht hätte. Zuerst in Deutschland, denn in Europa und dann… Wäre das der Zeitpunkt gewesen die Computergeschichte zu ändern? Statt Redmond die schöne Stadt Aachen zum Zentrum der IT Welt zu machen? Deutschland in eine Vormachtstellung zu bringen – eine Position die wir heute oft so sehr vermissen und bedauern, dass wir irgendwann den Abzweig verpasst haben. War das ein möglicher alternativer Weg? Auf der kleinen Straße in Belgien?

War damals die Chance den Lauf der Dinge – zumindest in Deutschland und Europa zu ändern. Den Bill-O-Dossus zu stoppen? Was meint Ihr?

Ich weiß es nicht. Bis heute bin ich unsicher. Was denkt Ihr? Schreibt es gerne in die Kommentare. Meine Einschätzung heute: Wohl nicht wirklich. Es war vermutlich wirklich nur einfach ein Moment auf einer Landstraße nach Belgien indem wir dann beide darüber nachdachten, was aus diesem Gedanken wohl werden könnte.

Und auch wenn wir beim Abendessen noch einige Zeit über Varianten, Chancen und Risiken diskutierten – ich hab mittlerweile all die anderen Argumente vergessen die uns einfielen. So wie auch das Auto in dem wir dahin gefahren sind.

Ich erinnere mich vor allem noch an sein wunderbares Klavierspiel an dem Abend. Denn im Grunde war uns in Wahrheit schon in dem Moment auf der Landstraße beiden doch eher klar: „Vermutlich klappt das eher nicht…“ Programmieren, Vertrieb über VOBIS Kanäle hinaus, das Projekt im Markt durchsetzen und bei den Aktionären der AG, international erfolgreich sein, Hardwarehersteller überzeugen. Ein bisschen viele Baustellen. Aber Gedanken sind frei. Erst recht die von Unternehmern…

Und – es wird Euch nicht überraschen – aufgegeben hat er den Plan nicht. Er hat sich einiges einfallen lassen mit seinen Marktmöglichkeiten.

Tho-Lieven-Unternehmerbuch
Das Buch bleibt – auch wenn es den Sprung ins digitale nicht geschafft hat – lesenswert.

Varianten eines Angriffes – Nadelstiche statt Kampf

Um es klar zu sagen: Dieser große „David Plan“ ist nie umgesetzt worden. Aber „David“ Theo Lieven hat offensichtlich aus all den Gesprächen mit seinen Beta-Testern und digitalen Vor-Kostern dieser Zeit den Eindruck gewonnen, die Stimmung für einen Wechsel wäre schon da… Und so kam es zu Varianten dieses Angriffes. In den folgenden Jahren – das ist an den unterschiedlichsten Stellen nachzulesen – war es immer wieder Vobis, der den Goliath Microsoft ärgerte. Die Auslieferung von DR DOS als alternatives Betriebssystem war ein solcher Nadelstich.

Die Entscheidung für OS2, weil Microsoft eine Schwäche zeigte und Windows 95 nicht rechtzeitig aus Sicht von Vobis ausliefern konnte. Die „Kündigung“ der Verträge, weil Lieven die Konditionen und Zwänge von Microsoft als unfair empfand. Diese Gefühle und Gedanken hatten viele andere auch – aber er sprach es mehr als deutlich aus. Im Interview mit der Computerwoche fand er im Dezember 1994 deftige Worte:

Nochmal zur Klarstellung: 1994 sagte er das! Apple hatte gerade den Werbespot zum Mac präsentiert, der über Macht und Gegenwehr sprach. Und – heute betrachtet – muss man sagen, es war auch komisch das von einem zu hören, der selber eine marktdominante Stellung in dieser Zeit hatte. Selbst angegriffen wurde. Komisch ist es auch das zu hören, wenn man heute den Begriff „Betriebssystem“ zum Beispiel problemlos mit „Suchmaschine“ ersetzen könnte. Oder KI. Oder „Social Network“. Wenn ich Veranstaltungen moderiere die den Titel tragen „Macht.KI.Daten.“ denke ich unter anderem an diesen Autofahrt und den Abend mit Theo Liven.

Der Blick von heute auf damals. KI.MACHT.DATEN. – ein kleiner Einschub

KI.MACHT.DATEN. Eine Veranstaltung die ich moderieren durfte, bei der es vor allem um Unabhängigkeit und Resilienz geht. Mit dabei: Mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik. Von Micorosoft bis Open-Source war das Panel gut besetzt – und blieb hochkritisch, aber im Ton sachlich.

Hier mein Posting-Text von dieser Veranstaltung auf LinkedIn:

Interessant auch zu sehen, dass die Vormachtstellung die Lieven Anfang der 90iger bei Microsoft gesehen hatte nicht von einem aus derselben Generation ins Wanken gebracht wurde oder gar gebrochen werden konnte. Sondern erst wieder von einer Generation, die damals gerade mal um die 20 Jahre alt waren – oder jünger… Von der Theo Lieven und ich natürlich nichts ahnten, damals auf unserer Landstraße. Zu dem Zeitpunkt waren wir ja die jungen Wilden… Dachten wir.

Der Angriff kam dann von denen die mit ganz anderen Ansätzen die vor allem Internet- und Online-Orientiert waren an die Sache rangingen. Vielleicht waren die Straßen in Belgien doch zu klein, für einen noch größeren und wirklich gänzlich anderen Gedanken, ein Monopol zu zumindest abzuschwächen. Und so entstand auch dieser Ansatz und Angriff auf Redmond nicht in Europa, nicht in Deutschland, nicht in Aachen.

Und Microsoft? Von der Ungnade der Gewinner zu sein

Hat Microsoft gewonnen? Für eine Zeit und einen bestimmten Markt – ganz sicher. In diesen Tagen wurde der 50iger in Redmond gefeiert. Zurecht wie ich finde. Die Firma hat bahnbrechendes geleistet. Standards gesetzt, die wir vielleicht nicht mochten, aber ohne die es das was wir heute haben wohl kaum gegeben hätte.

Und wer da ruft: „Alles nur geklaut…“ – weil von MS-DOS bis Windows freundlich ausgedrückt viele Anleihen bei anderen deutlich erkennbar sind – dem sei gesagt: auch das ist normal. Schon lange. Und wer da ruft: „Es war aber nicht das beste Betriebssystem…“ – dem sei gesagt: es ist mehr als oft so gewesen bei Technologie das nicht der Bessere gewonnen hat.

Hat Microsoft gewonnen? Die Herzen der Nutzer – nein. Es ist erstaunlich, wieviel die Leute aus Redmond geleistet haben ohne jemals von Herzen Anerkennung bei uns dafür zu kriegen. Als Apple 1987 den „Knowledge Navigator“ als Film zeigte jubelten die Menschen und beklatschten ihn. Als Microsoft im Aladdin Theatre in Las Vegas anlässlich der Comdex einige Jahre später einen visionären Film zu dem Motto „Information at your fingertipps“ zeigte, herrschte vor allem Skepsis bei den Anwesenden. Der Film ging nur auf 10 Jahre nach vorne, der Apple Film gleich fast 20 Jahre.

In der Realität setzte aber Microsoft unter Bill Gates kurzfristig mehr an Visionen in nutzbare Realitäten um als John Sculley bei Apple.  (Und ich meine nicht nur Karl Klammer in Office ;-) der in einem dieser Microsoft Filme zum ersten Mal als Vision auftauchte)

Bei Apple dauerte es noch eine ganze Zeit, in der allerhand visionäre Versprechungen gemacht wurden (Newton) die aber der Realität nicht standhalten konnten. Übrigens kurioses Detail am Rande: im Knowledge Navigator Film ist der Tag an dem die Geschichte spielt offensichtlich im September – und zwar wie sich einige genaue Beobachter sicher sind: der 16. September. An diesem Tag in der Realität 24 Jahre später kündigte Steve Jobs in seiner Keynote an, dass Apple Siri in das iPhone integrieren würde. Ein Sprachbasiertes Assistenz-System.

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Dreharbeiten mit einem Newton Mockup (also einem Dummy der nichts konnte) weil das Gerät noch nicht soweit war. Das aber einige Wochen später präsentiert werden sollte…

Nimmt man nochmal die Filme als Beispiel, kann man vielleicht festhalten: Der Microsoft Film wurde kritisiert, weil es das ja „alles schon gibt…“. Zugegeben: vieles ja. Aber das visionäre daran war, dass es im Film problemlos funktionierte… Und das ist kein Witz.

Der Apple-Film war von der vagen Vision einer verbundenen Welt getrieben. Wie das funktionieren sollte war völlig unklar. Aber die Botschaft beider Filme war: wir arbeiten an dieser Zukunft.

Microsoft hatte das Pech über lange Jahre der mausgraue, langweilige aber erfolgreiche Markt-Gewinner zu sein. Vielleicht auch deshalb, weil man Bill Gates nie so richtig abnahm, dass er das alles lebte und liebte, wovon er sprach. Er konnte es nur und verkündete es.  Apple – vor allem unter Steve Jobs und Steven Wozniak: das waren die bunten, medialen Gewinner der Herzen vieler Computernutzer. Vielleicht auch nur weil man Steve Jobs abnahm, dass er das alles auch liebte. Aber auch darüber kann man streiten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Und Theo Lieven? Der war damals ein Wanderer zwischen den Welten. Der sich begeistern ließ von verrückten Ideen und neuen Konzepten (Witchpen, Alpha 5000, Colani-PCs), ein brillianter Marketier, ein cleverer Geschäftsmann – und der einzige von den dreien, bei denen ich sicher sagen kann, dass er all das lebte und liebte, was er verkaufte. Denn das habe ich immer bei ihm immer sehen können, wenn ich ihn traf.

Wäre er der bessere Gates gewesen? Nein – jeder der Genannten hat seinen Platz in der IT-Geschichte eingenommen und ihn so ausgefüllt wie es offenbar sein sollte. Und das ist gut so.

Und genau darum kann man ruhig mal begeistert klatschen, wenn Microsoft 50 und Windows 40 wird. Auch wenn man sich nicht immer mochte. Respekt vor der Leistung, der Kraft und den Visionen der Menschen aus Redmond sollte man haben. Und man sollte trotz allem gut überlegen, ob wir gerade nochmal die Chance haben, einen Abzweig zu ändern. Damit wir nicht über Angebote nachdenken müssen, die wir in Wahrheit nicht ablehnen können. Weil wir keine Alternative haben. War damals nicht gut. Ist heute nicht gut.

PS: Danke an alle, die bis hierher durchgehalten haben – versprochen: Ich mach noch einen Podcast daraus ;-)

PPS: Vielleicht mach ich mich ja doch nochmal auf den Weg nach Belgien, über die kleine Landstraße. Und wir machen das Portrait doch noch… Ob er den Rolls noch hat? Wenn es denn einer war…

PPPS: Hier der link zum Podcast. Gerne abonnieren!

Info: Der Artikel wurde ursprünglich 2015 geschrieben und hier veröffentlicht. Ich habe ihn in diesen Tagen neu überarbeitet und ergänzt. Die wesentlichen Gedanken zur Zukunft sind aber gleich geblieben. Haben aber auch nix geändert…

9 Gedanken zu „Als Theo Lieven Bill Gates angriff…“

    1. Meinst jetzt wegen der Tippfehler? Immer gerne. Ich habe meine Stärken und Schwächen ;-) Bin auch schon am überlegen wegen ´nem Korrektor. Alles andere ist ehrlich erlebt und erhebt trotzdem nicht den Anspruch die ganze Wahrheit zu sein… Nur meine Wahrheit…. Achso: bei Deinem Kommentar fehlt glaube ich ein „nächstes“ ;-)

  1. Hm, wenn ich so an die Highscreen-Kisten denke, mit denen wir uns bei Franzis herumplagten, dann wäre VOBIS-DOS ein Alptraum gewesen. :-/

    Da war dann DR-DOS schon sinnvoller.

    1. Ja – kann ich verstehen. Andererseits: er war ein genialer Verkäufer und hatte ein tolles Gespür dafür, was die Leute damals bewegte und natürlich auch zum Kauf motivierte. Und er war und ist ein sehr kluger Kopf…

  2. Lieber Christian, wenn ich mal Zeit und Lust habe schreibe ich (ganz) vielleicht eine mehrjährige Telefongeschichte über Theo Lieven, seine Firma und seine Kämpfe mit den Etablierten (das war beileibe nicht nur Microsoft, auch vor Microsoft etwas TI, Commodore).

    Übrigens, wir haben damals bei Intersoft MS-DOS als SB 86 verkauft (und CP/M 86) – er hätte sein eigenes DOS haben können, aber das war die Zeit, wo alle auf PC-/MS-DOS kompatibel gepolt waren.

  3. Ja, da werden Erinnerungen wach. Ich habe 1996 als Jungredakteur bei der Highscreen Highlights angefangen, das „unabhängige“ Vobis-Magazin beim DMV-Verlag (heute WEKA). Da durften wir dann immer artig über alles Neue berichten, das sich Theo und seine Mannschaft ausgedacht haben.

  4. Kein Wort über die Vobis-Alternative (einst Orgel Schmitt, später Escom)? Das wird Manfred Schmitt aber gar nicht gerne lesen … ;-)

    Gruß in die Runde an die alten Vogel- und M&T-Kollegen!

  5. Neben Vobis war in der Tat ESCOM und schon vorher Computer Schmitt ein großer Player. Der spätere Hagenuk-Chef Manmfred Schmitt, kaufte PC-Einzelteile im großen Stil in Taiwan und liess sie in seiner Zentrale in Frankfurt „konfektionieren“. Es war ein laufendes Wettrennen zwischen Schmitt und Vobis, wer denn jede Woche die besseren Angebote machte.

    Ich war damals als hoffnungsvoller Fachberater in der Filiale in München in der Arnulfstr. tätig. Später dann stellvertretender Filialleiter. In der Filiale gingen wir flexibel auf die Bedürfnisse der Kunden ein und konfigurierten auch spezielle Rechner, wenn der Kunde das wünschte.

    Im August ´89 war es dann soweit. Ich wechselte zu Markt und Technik in Haar und wurde dort zuerst im Vertrieb, später im Lektorat tätig. Unsere Filialleiterin, Ulla Puttikka, hatte kurz vorher ebenfalls in den Vertrieb bei Markt und Technik gewechselt und mich dann „nachgeholt“.

    Von dieser Position konnten wir dann den Untergang der beiden großen Schmitt und Vobis beobachten, die es aber noch eine ganze Weile schafften, die PC-Welt in Deutschland mitzubestimmen.

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