An der Supermarktkasse das Smartphone an den Kartenleser zu halten, ist schon nicht mehr cool. Selbst die Smartwatch als Zahlungsmittel benutzen, reißt niemanden mehr vom Hocker. Wer aber ganz lässig einen Fingerring ans Terminal hält, um den Einkauf zu begleichen, der erregt doch oft noch Aufsehen. In Deutschland hat die Investorenshow „Höhle der Löwen“ das Thema in die breite Öffentlichkeit gebracht, denn dort hat das Kölner Start-up Pagopace einen fast narrensicheren Bezahlring präsentiert. Wer aber denkt, einen solchen Fingerschmuck einfach so zu aktivieren und zu nutzen, der sieht sich im Juni 2024 noch vor erhebliche Probleme gestellt.
Das Prinzip
Der Schlüssel zum brauchbaren Bezahlring heißt Near Field Communication (NFC); das ist der erwachsene Enkel des RFID-Prinzips (Radio Frequency Identification), die sich wiederum von einer Anwendung des Passivradars im Zweiten Weltkrieg ableitet und dort zur Freund-Feind-Unterscheidung von Flugzeugen diente. Passiv war ein Transponder, aktiv ein Sender. Nach diesem Prinzip wirkte eine Technologie, die 1983 ein US-Patent erhielt und sich ab Anfang der Neunzigerjahre großflächig verbreitet. So wurden RFID-Chips in Kredit- und Bankkarten eingebaut und lösten die bis dahin verwendeten Magnetstreifen nach und nach ab; immer mit der Absicht, eine solche Karte sicher zu identifizieren.
NFC ist die Fortentwicklung und Standardisierung dieser Identifikationstechnik für das Zeitalter der digitalen und mobilen Kommunikation. Eine NFC-Einheit (oft kurz, aber falsch „NFC-Chip“ genannt) fungiert im Sinne der RFID-Technologie als Transponder, also als Sender und Empfänger zu gleich. Durch die technische Spezifikation ist die Kommunikation nur über sehr kurze Distanzen möglich – in der Regel müssen sich zwei NFC-Transponder nahezu berühren; zwischen ihnen darf selten mehr als das jeweilige Gehäuse des Geräts liegen.
In einer NFC-Baugruppe können relativ kleine Datenmengen gespeichert werden; in der Regel nicht mehr als zu Identifikationszwecken benötigt werden. In seiner Funktion als Empfänger kann ein NFC-„Chip“ diesen Inhalt eines Senders, der nahe genug vorliegt, auslesen. Einzug gehalten hat die NFC zunächst in den Handys der Firma Nokia – zunächst ohne wirklich konkreten Nutzen. Heute aber ist eine Vielzahl digitaler Devices mit einem NFC-Element ausgestattet – nicht nur Smartphones und -watches, sondern Dinge wie WLan-Router, intelligente Fernbedienungen, Zwei-Faktor-Authentifizierung-Geräte, Banking-Terminals, Zugangskontrollen etc.
Das Bedienprinzip ist einfach: Damit ein NFC-Empfänger einen NFC-Sender auslesen kann, muss dieser so nah wie möglich an das gegnerische NFC-Modul gebracht werden. Ist das der Fall, wird automatisch ausgelesen. Klassischer Fall: Am Bezahlterminal an der Supermarktkasse findet sich das NFC-Symbol. Wird „Karte präsentieren“ oder ein ähnlicher Text angezeigt, hält man das NFC-fähige Mobilgerät an diese Stelle. Die geglückte Verbindung wird quittiert, die Zahlung eingeleitet.
Die Schwierigkeiten
Der Begriff „Mobilgerät“ ist bewusst gewählt, denn mit dem Smartphone geht das bereits lange (seit ca. 2013), mit der Smartwatch auch schone eine Weile. Und nun kommt der Bezahlring hinzu. Auch den gibt es prinzipiell schon seit mehr als 10 Jahren. Während der Fußball-WM 2014 in Brasilien wurden einige Stars schon mit einem solchen Ring zum Bezahlen ausgestattet. Und trotzdem hakt es auch vier, fünf Jahre nachdem eine ganze Reihe von NFC-Ringen auf den Markt gekommen sind, an allen Ecken und Kanten.
Woran liegt das? Ganz einfach: Während Smartphone und -watch (letztere zumindest indirekt über das verbundene Mobiltelefon) mit dem Internet kommunizieren und im konkreten Anwendungsfall Bezahldaten austauschen können, ist ein NFC-Ring nicht online. Und das ist technisch auch (noch) nicht möglich, weil das Ding einfach zu klein ist, um die nötige Mimik samt Stromversorgung darin unterzubringen.
Übrigens: Ein NFC-Modul kommt auch ganz ohne Stromversorgung aus, wenn es mit einem Gegenstück in einem mit Strom versorgten Gerät kommuniziert, weil es die benötigte Energie im Moment des Austausches induktiv vom Partner bezieht.
Das bedeutet konkret, dass die Daten, die für das Auslösen eines Zahlungsvorgangs, also im Wesentlichen die Authentifizierung, fest im Ring gespeichert sein müssen. Natürlich lässt sich das mit geeigneter Technik auch vom User selbst bewerkstelligen; wir kennen das vom EPROM… Tatsächlich bestehen die Geldinstitute bei dieser Anwendung darauf, dass ein Bezahlring nach mit ihnen abgestimmten Verfahren seine Bezahldaten bekommt.
Wenige Möglichkeiten, viel Bewegung
Und das heißt im Klartext: Nicht jeder Bezahlring kann mit jedem (realen und virtuellen) (Bank)Konto benutzt werden. Einige Anbieter von Bezahlringen umgehen dieses Problem, indem sie virtuelle Kreditkarten mitverkaufen, die dann mit dem vom Anwender angegebenen Bankkonto verrechnet werden. Andere – Pagopace macht das so – schließen Verträge mit Kreditinstituten, die dann Zahlvorgänge mit dem Ring akzeptieren.
Und dann sind das noch die digitalen Bezahldienste wie Apple Pay Google Pay und Samsung Pay, die mit ihren jeweiligen Wallets ganz eigene Wege gehen. Als Mittler fungiert das Unternehmen Curve, das eine neutrale Wallet anbietet, die wiederum mit verschiedenen Kredit- und Debitkarten sowie einer Reihe Internetbanken und anderen Wallets verbunden werden kann. Dieser Service ist allerdings teilweise kostenpflichtig. Mindestens eine Kredit- oder Debitkarte muss mit der Curve-Wallet verbunden werden. Dann kann der Pagopace-Bezahlring mit dieser Wallet benutzt werden.
Aktuell kann ein Pagopace-Ring mit Kredit- oder Debitkarten wie comdirect Visa, Commerzbank Mastercard, Consorsbank Visa, Klarna oder einer Visa-Karte der folgenden Volksbanken pur EG, Köln Bonn, Kraichgau, Neu-Ulm, Aachener Bank, Lahr, Freiburg, im Bergischen Land, Lahn-Dill, RheinAhrEifel benutzt werden.
Fazit
Momentan führt in Deutschland kein Weg am Pagopace-Bezahlring vorbei. Um ihn nutzen zu können, muss man entweder eine Kredit- oder Debitkarte der angegebenen Banken besitzen oder eine andere Visa- oder Mastercard über einen Curve-Account verbinden. Das aber dürfte sich noch im laufenden Jahr ändern – sowohl für Apple Pay, Google Pay und Samsung Pay stehen Bezahlringe vor der Tür.
VORSICHT: Im Internet findet man massenhaft Angebote von NFC-Ringen, vorwiegend made in China, aber keiner von denen eignet sich als Bezahlring!
[Bildnachweise – Titel: by photosforyou via pixabay; Bezahlring am Finger: Johann56 via Wikimedia unter der Lizenz CC0 1.0 UNIVERSELL]