Last Updated on 04.04.2025 by Redaktion Digisaurier
Wir waren dabei, als Adobe es getan hat. Bei der virtuellen Pressekonferenz durften wir live erleben, wie das Unternehmen, das seit Jahrzehnten die digitale Kreativbranche dominiert, seinen Flaggschiff-Tanker in die Hosentasche packt. Photoshop auf dem Smartphone – kostenlos! Klingt revolutionär, oder? Aber Moment mal…
Kostenlos und Adobe in einem Satz? Da klingeln doch gleich ein paar Alarmglocken. Ihr kennt das: Wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, dann ist es das meistens auch. Also haben wir mal versucht die Pressekonferenz und die Infos von Adobe zu übersetzen…
Was Adobe wirklich angekündigt hat
Die Fakten zuerst: Ja, Adobe bringt tatsächlich Photoshop aufs iPhone – Android-Nutzer müssen noch auf „später in diesem Jahr“ warten, was in Adobe-Zeit irgendwas zwischen morgen und „mal gucken wie es die Entwickler hinkriegen“ bedeuten kann. Fairerweise muss man sagen: Die Herausforderungen bei Android-Entwicklungen sind durch die Vielzahl an Geräten und Betriebssystemversionen deutlich größer als im Apple-Ökosystem. Und es stimmt: Die Basisversion von Photoshop für mobile ist tatsächlich kostenlos verfügbar.
Aber natürlich kennen wir alle das Spiel: „Kostenlos“ ist im Adobe-Universum ein dehnbarer Begriff – wobei man zugeben muss, dass mittlerweile fast alle Software-Anbieter auf ähnliche Freemium-Modelle setzen. Die wirklich interessanten Features verstecken sich – Überraschung! – hinter einer Aboschranke von 7,99 Dollar pro Monat oder 69,99 Dollar im Jahr.

Die Magie des Marketing
Adobe präsentiert das Ganze natürlich als Meilenstein der digitalen Demokratisierung: „Wir bringen die grenzenlose kreative Möglichkeiten von Photoshop auf Mobilgeräte“, schwärmt Ashley Still, seines Zeichens Senior Vice President für digitale Medien bei Adobe. Was soll er sonst sagen? Übersetzt heißt das aus unserer Sicht: „Wir möchten auch die mobile Generation für unser Ökosystem begeistern – und natürlich ein neues Geschäftsfeld erschließen.“ Es geht also natürlich schlicht darum, auch im Bereich der mobilen Geräte Geld zu verdienen. Und um einen nicht zu unterschätzenden strategischen Ansatz.
Denn ehrlich gesagt, aus Adobes Perspektive ist der Schritt brillant – und wenn man sich die Entwicklungen der letzten Zeit bei Adobe ansieht auch nur folgerichtig. Während die Desktop-Version von Photoshop für Gelegenheitsnutzer häufig so zugänglich ist wie Kernphysik, könnte die Smartphone-Version tatsächlich eine neue, zahlungskräftige Generation von Kreativen anlocken. Immer verfügbar, offensichtlich – wenn man sich wie wir die Live-Demo angucken konnte – mehr intuitiv bedienbar. Also die perfekte Einstiegsdroge für das Adobe-Ökosystem.
Was kann die App wirklich?
Laut Adobe bietet selbst die kostenlose Version beeindruckende Features:

- Ebenen und Masken (ja, tatsächlich Ebenen auf dem Handy! Damit können Bilder in Schichten übereinandergelegt und durch Masken bestimmte Bereiche ein- oder ausgeblendet werden bzw. gezielt bearbeitet)
- KI-gestützte Auswahlwerkzeuge („Tap Select“ klingt verdächtig nach „ich tippe irgendwo hin und hoffe das Beste“ – soll aber ermöglichen, Objekte mit einem Fingertipp präzise auszuwählen)
- Generative Fill und Expand (die KI-Zauberei, die wir alle lieben und fürchten – damit lassen sich Bildbereiche erweitern oder fehlende Teile ergänzen, indem KI passende Inhalte generiert)
- Integration mit anderen Adobe-Apps (weil ein Adobe-Produkt allein ja nie genug ist ;-) Das ermöglicht aber nahtloses Weiterarbeiten in Lightroom, Express oder Fresco sagt Adobe)
Das alles klingt auf den ersten Blick erstaunlich umfangreich für eine kostenlose App. Aber seien wir ehrlich: Die wirklich präzisen Werkzeuge, die fortgeschrittenen Selektionsmöglichkeiten und all die Features, die Photoshop zu Photoshop machen, verstecken sich soweit wir das aktuell sehen hinter der Bezahlschranke. Aber: Man kann schon allerhand machen, damit…
Fairerweise muss man sagen: In der Live-Demo auf der Pressekonferenz sah das wirklich alles beeindruckend flüssig aus. Das Team zauberte in wenigen Minuten ein Spotify-Playlistcover, komplett mit intelligenten Auswahlwerkzeugen und KI-Generierung. All die Features, die wir skeptisch beäugen, funktionierten dort zumindest unter Präsentationsbedingungen erstaunlich gut. Bei der Pressekonferenz machten die Ladzeiten von manchen Folien mehr Probleme als die App. Das nehmen wir mal als gutes Zeichen…
Die Realität der mobilen Bildbearbeitung
Aber ohne eigenes Hands-On bleibt natürlich die Digisaurier Skepsis. Hand aufs Herz: Wer hat schon mal versucht, auf einem 6-Zoll-Display pixelgenaue Auswahlkanten zu ziehen? Das ist in etwa so präzise wie der Versuch, mit Boxhandschuhen eine Uhr zu reparieren.
Aber vielleicht geht es gar nicht darum, ein Profi-Tool anzubieten. Vielleicht ist Photoshop Mobile eben weniger ein professionelles Werkzeug und mehr ein Einstiegspunkt für die Generation, die mit TikTok und Instagram aufgewachsen ist. Schnell ein Cover für die Spotify-Playlist gestalten, ein Meme verbessern oder ein Partyfoto aufhübschen – dafür könnte die App tatsächlich gut funktionieren. Zukünftige Influencer und Co als Zielgruppe: Schön, schick und schnell – mit überschaubarer Menge an Arbeit. Oder mal schnell Freunde beeindrucken, die das nicht haben. Vielleicht war genau das auch der Grund, warum Adobe bei der Live-Demo ein Spotify-Cover als Beispiel gewählt hat: Es zeigt perfekt, wofür die App im Alltag tatsächlich genutzt werden könnte. Und dann ist das ja auch okay… Schließlich gibt es ja das große Photoshop für Heavy User…

Das große Bild
Was wir hier sehen, denken wir, ist Adobes Versuch, relevant zu bleiben in einer Welt, in der kostenlose Apps wie Canva immer mehr Marktanteile gewinnen. Der Kreativ-Gigant hat erkannt, dass sein traditionelles Desktop-Bollwerk nicht mehr ausreicht, um die nächste Generation zu erreichen.
Die Strategie folgt einem bewährten Modell: Eine kostenlose Basisversion bieten, die Nutzer begeistern und dann optional erweiterte Funktionen anbieten. Ein kluger Schachzug, der zeigt, dass Adobe bereit ist, seine Produktstrategie an die Bedürfnisse des Marktes anzupassen.
Interessant wird auch die Frage, wie sich Photoshop Mobile zu Adobe Express positioniert – dem ebenfalls teilweise kostenlosen Online-Service für Mediengestaltung. Möglicherweise ergänzen sich die beiden Angebote strategisch: Express für schnelle, templatebasierte Designs, Photoshop Mobile für tiefergehende Bildbearbeitung. Oder wir sehen hier eine Produktüberschneidung, die Adobe noch auflösen muss. Vielleicht wandern bestimmte Funktionen, die man in Express vermisst, bewusst in Photoshop Mobile, um die beiden Produkte klarer zu differenzieren.
Lessons Learned: Mobile Adobe-Produkte im Praxistest
Wir haben unsere Lektion mit mobilen Adobe-Anwendungen bereits gelernt. Die mobile Version von Adobe Premiere hat uns in der Praxis bisher nicht wirklich überzeugt. Andere Tools wie Luma Fusion funktionieren auf iPhone und besonders auf dem iPad deutlich besser für den mobilen Videoschnitt.
Die Frage ist: Wird Photoshop Mobile diesem Muster folgen oder hat Adobe diesmal seine Hausaufgaben gründlich gemacht? Nach der Demo zu urteilen, könnte es tatsächlich besser aussehen – aber wir werden das selbst ausprobieren müssen, bevor wir ein endgültiges Urteil fällen.
Fazit: Revolution oder clever getarntes Abo-Modell?
Adobe bringt also wirklich Photoshop aufs Handy – zumindest eine Version davon. Ob es tatsächlich „die Macht von Photoshop“ ist oder eher „Photoshop Light“ wird sich erst im praktischen Einsatz zeigen.
Es bleibt die Frage, ob die kostenlose Version genug bietet, um nützlich zu sein, oder ob sie nur als Werbeplattform für das Premium-Abo dient. Eines ist sicher: Adobe hat nicht plötzlich seinen Geschäftssinn verloren. Die Gratis-Version ist ein „Einstieg“, das Abo bleibt das Ziel.
Und nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Wir sind eigentlich durchaus Adobe Fans, was die Profi-Produkte aber auch Tools wie Adobe-Express betrifft. Aber als Digisaurier guckt man natürlich jedes Mal aufs neue mit gesunder Skepsis auf die Dinge. Wenn alles klappt, kann das ein tolles Produkt sein. Und wer mehr davon nutzen will, der soll dafür auch völlig zu recht bezahlen. Und jetzt?
Was denkt ihr? Werdet ihr Photoshop Mobile ausprobieren? Oder bleibt ihr bei euren bewährten Bildbearbeitungs-Apps?
Wir sind gespannt auf eure Erfahrungen – meldet euch gerne in den Kommentaren! Und natürlich werden wir euch berichten, sobald wir die App selbst ausgiebig getestet haben. Wir werden das sicher ausprobieren und dann ganz Digisaurier-like darüber berichten: Begeistert von Technik, aber mit dem Blick auf die realen Einsatzerfahrungen für normale Nutzer…