Last Updated on 09.02.2025 by Redaktion Digisaurier
Was verbindet einen ehemaligen IBM-Chef, einen Wohnwagen und den legendären roten Trackpoint? Warum sorgt ein LinkedIn-Post über das mögliche Ende des ikonischen Steuerknopfs für so viel Aufsehen in der Tech-Community? Und was bedeutet die Entwicklung für die Zukunft der ThinkPad-Serie? Die spannende Geschichte eines kleinen roten Punktes, der die Computerwelt bewegte. Dazu sprach Christian mit dem Mann, der mit seinem Post für viel Trackpoint-Aufregung sorgte.
Es sind oft die kleinen Dinge, die große Emotionen auslösen. In diesem Fall ist es ein roter Punkt, kaum größer als ein Bleistiftradierer, der die Tech-Community bewegt: der Trackpoint. Als Lenovo auf der CES 2025 das erste ThinkPad ohne den charakteristischen roten Steuerknopf vorstellte, löste das eine Welle der Bestürzung aus. Den Anfang machte ein Post von Thomas Ströbele, Geschäftsführer der YourIT Consulting in Balingen, der damit einen Nerv traf.
Hier geht es zum Gespräch von Christian mit Thomas auf unserem Youtube Kanal:
Wie ein kleiner roter Punkt große Wellen schlug
„Ich liebe meinen Trackpoint auf meinem ThinkPad“ – mit diesen Worten brachte Thomas Ströbele eine Community in Bewegung, die sich seit Jahrzehnten dem kleinen roten Steuerknopf zwischen den Tasten G, H und B verschrieben hat. Was als spontaner Post begann, entwickelte sich zu einer regelrechten kleinen Bewegung auf LinkedIn. Die Nachricht vom möglichen Ende des Trackpoints erreichte Ströbele selbst am Stuttgarter Flughafen, auf dem Weg nach Hamburg. „Ich sah diese Nachricht und dachte erst, das kann doch nicht wahr sein“, erinnert er sich.
Er schrieb spontan ein LinkedIn Posting. „Die Resonanz war überwältigend – so viele Menschen teilten plötzlich ihre eigenen Trackpoint-Geschichten.“

Hintergund: Der Trackpoint – Technische Innovation der 80er
Der Trackpoint, von IBM 1996 patentiert, war eine Antwort auf ein simples Problem der frühen Laptop-Ära: Wie steuert man einen Cursor präzise, wenn kein Platz für eine Maus ist? Die Lösung war ein drucksensitiver Steuerknopf, der zwischen den Tasten G, H und B platziert wurde. Ein ausgeklügeltes System von Dehnungsmessstreifen wandelt den ausgeübten Druck in Cursorbewegungen um. Je stärker der Druck, desto schneller bewegt sich der Cursor. Diese scheinbar simple Technologie erforderte jahrelange Entwicklungsarbeit, um die richtige Balance zwischen Präzision und Geschwindigkeit zu finden.
Zwei Generationen, zwei Geschichten
Die Geschichte des Trackpoints spiegelt sich in den unterschiedlichen Erfahrungen seiner Nutzer wider. Thomas Ströbele muss schmunzeln, wenn er an seine ersten Begegnungen mit dem Trackpoint denkt. „Das war noch in einer Zeit, als man uns tatsächlich beibrachte, wie man IT nutzt – stellt euch das mal vor! Wir saßen da und bekamen eine richtige Einführung: ‚Seht her, das ist eure Maus, direkt in der Tastatur integriert.'“ Eine Vorstellung, die heute, wo jeder einfach loslegt und sich irgendwie durchklickt oder durchwischt, fast schon historisch anmutet. „Für uns war das damals eine Revolution – endlich konnte man auch unterwegs effizient arbeiten, ohne eine separate Maus mitschleppen zu müssen.“

Christians erste Begegnung mit dem Trackpoint verlief dagegen ganz anders – und typisch für einen IT-Experten der 90er Jahre. Seine Geschichte führt uns auf das ZDF-Gelände in Mainz, wo er damals die Sendung „Computer für Kids“ produzierte. Der Produktionsalltag sah so aus, dass das Team unter der Woche in Wohnwagen auf dem Gelände „campierte“ und nur am Wochenende nach Hause fuhr. An einem dieser Wochenenden erwartete Christian eine besondere Überraschung: Der damalige IBM-Chef Erwin Staudt hatte ihm einen der ersten ThinkPads zum Testen geschickt. „Ich packte den Laptop erst im Wohnwagen aus, als ich am Sonntagabend zurück in Mainz war“, erzählt Christian. „Das Design war beeindruckend, die Verarbeitung hochwertig – aber dieser rote Knopf? Ich dachte ehrlich gesagt, das wäre einfach ein auffallendes Designelement von IBM, so eine Art Markenzeichen. Wie alle echten IT-Experten damals hielt ich das Handbuch zum genaueren nachgucken natürlich erstmal für völlig überflüssig!“

Zwischen den Dreharbeiten versuchte Christian, sich mit dem neuen Gerät vertraut zu machen, wobei er den roten Knopf erstmal elegant ignorierte. Doch die Zeit drängte ein bisschen – er wollte ja dem IBM-Chef seine Einschätzung geben. „Da konnte ich schlecht schreiben ‚Toller Laptop, aber wozu ist der rote Knopf da?'“, grinst Christian. Also tat er nach einiger Zeit doch das, was er eben noch als „völlig überflüssig“ abgetan hatte: Er schaute ins Handbuch. „Natürlich ganz unauffällig, man will ja nicht, dass jemand sieht, wie man als Experte im Handbuch blättert“, erinnert er sich lachend. „Und da stand es dann: Trackpoint – Ihre Maus direkt in der Tastatur. Das war einer dieser Momente, wo man sich gleichzeitig schlau und ein bisschen dumm fühlt.“
Der praktische Alltagsbegleiter – oder: Wie der rote Punkt das mobile Arbeiten revolutionierte
Was Christian zunächst wie eine IBM-Designmarotte erschien und für Thomas von Anfang an eine praktische Lösung war, entwickelte sich zu einem treuen Begleiter für viele Thinkpad Nutzer durch die Jahrzehnte der mobilen Computerarbeit. „Im Wohnwagen brauchte ich den Trackpoint zunächst gar nicht“, erinnert sich Christian. „Da hatte ich ja einen vernünftigen Tisch und konnte ganz normal meine Maus benutzen.“ Doch besonders in Situationen, die wir heute als selbstverständliche „Mobile Office“-Szenarien kennen, zeigte der Trackpoint seine wahren Stärken.

„In Flugzeugen oder Zügen, wo man nur diese kleinen Klapptische hatte – da war der Trackpoint gold wert“, erzählt Christian. „Die Alternative waren damals diese Trackballs, also quasi eine umgedrehte Maus mit einer Kugel obendrauf. Die waren entweder riesig oder furchtbar unpräzise – manchmal beides.“ Mit dem Trackpoint dagegen konnte man selbst in der beengten Mittelsitzreihe eines Economyfliegers noch vernünftig arbeiten. Und so begannen auch andere Hersteller diese Technik zu verbauen. Aber verbunden war der rote Knopf immer mit dem Thinkpad.
Thomas Ströbele nickt bei solchen Erinnerungen: „Für uns Berater war das damals eine wirklich praktische Sache. Du sitzt beim Kunden, tippst deine Notizen und kannst ohne Handverrenkungen schnell mal was markieren oder ein Fenster verschieben. Eine extra Maus mitzunehmen machte einfach keinen Sinn mehr.“
Von der Innovation zum Identitätsmerkmal
Die Entwicklung des Trackpoints in den 1980er Jahren basierte übrigens auf einer simplen Beobachtung: Nutzer verloren durchschnittlich 0,75 Sekunden jedes Mal, wenn sie von der Tastatur zur Maus wechseln mussten – etwa so lange wie ein Fingerschnipp dauert. Für normale Anwender mag das nach Erbsenzählerei klingen, aber für Power-User summierte sich das. „Programmierer zum Beispiel“, erklärt Thomas, „die tippen drauf, schieben den Cursor hin und arbeiten sofort weiter. Keine Unterbrechung im Workflow.“

Über die Jahre entwickelte sich der Trackpoint vom reinen Funktionselement zum Identitätsmerkmal der ThinkPad-Reihe. Selbst als Lenovo die Laptop-Sparte von IBM übernahm, blieb der rote Punkt ein unverzichtbares Merkmal – bis jetzt. „Es ist ja noch nicht das komplette Ende“, beruhigt Thomas die Community, „aber dieser erste ThinkPad ohne Trackpoint, das ist schon ein Signal.“
Die Community wird aktiv – vom Post zur Bewegung
Was als spontaner LinkedIn-Post begann, entwickelte sich schnell zu einer umfangreichen Diskussion unter dem Post. „Lenovo-Mitarbeiter haben schon in den Kommentaren mitdiskutiert“, erzählt Thomas Ströbele. „Die Resonanz war überraschend emotional.“ Kein Wunder, denn für viele Nutzer ist der Trackpoint mehr als nur ein Eingabegerät – er ist Teil ihrer täglichen Arbeitsroutine, ihrer professionellen Identität.
Die Reaktionen reichen von nostalgischen Erinnerungen bis zu überraschend deutlichen Konsequenzen. „Viele User schreiben, dass sie dann eben zu anderen Herstellern wechseln würden“, berichtet Thomas. Als Christian nachfragt, ob der Trackpoint wirklich so ein zentraler Grund für die Markentreue sei, nickt Thomas: „Nach allen Kommentaren zu urteilen, ist er das für viele tatsächlich.“ Das könne ja nicht im Sinne von Lenovo sein, langjährige Nutzer zu verlieren, die dem ThinkPad wegen des Trackpoints treu geblieben sind.

Ein Blick in die Zukunft
Noch ist das Ende des Trackpoints nicht besiegelt. Das neue ThinkPad X9 könnte ein Testballon sein, eine Marktsondierung. „Vielleicht“, spekuliert Christian, „ist es auch eine Chance, zu zeigen, wie wichtig der Trackpoint vielen Nutzern ist.“ Als wir für diesen Artikel zusammensaßen, erinnerte er sich an seine eigene Geschichte mit dem roten Punkt: „Von der anfänglichen Skepsis zur echten Wertschätzung – so ging es ja nicht nur mir.“
Thomas Ströbele bleibt pragmatisch optimistisch – auch wenn Christian schon scherzhaft fragt, ob er nicht langsam ThinkPads mit Trackpoint auf Vorrat kaufen wolle. „Nein, nein, so weit sind wir noch nicht“, lacht Thomas. „Aktuell gibt es ja noch viele Modelle mit Trackpoint. Mein jetziger ThinkPad X13 Yoga zum Beispiel – ein tolles Gerät, das beides kann: klassische ThinkPad-Tugenden und moderne Features.“ Dennoch sieht er die Entwicklung mit einer gewissen Sorge: „Es wäre schade, wenn mit dem Trackpoint ein Stück Computer-Geschichte verschwindet.“
Was bleibt? Ein Fazit mit Ausblick
Wer hätte gedacht, dass 0,75 eingesparte Sekunden – weniger als ein Wimpernschlag – zu so einer langlebigen Erfolgsgeschichte führen würden. Der Trackpoint steht beispielhaft für eine Zeit, in der technische Innovationen frühe Probleme der „Digital-Arbeiter“ lösten.
Vielleicht ist es kein Zufall, dass ausgerechnet jetzt, im Zeitalter von KI und Touch-Interfaces, der Trackpoint in Frage gestellt wird. „Die Art, wie wir mit Computern arbeiten, verändert sich ständig“, überlegt Christian, als wir bei der Recherche für diesen Artikel über die Zukunft des Trackpoints sprechen. „Aber manchmal überdauern bestimmte Lösungen eben, weil sie einfach praktisch sind – wie ein gut gemachter Hammer oder ein Schweizer Taschenmesser.“
Thomas Ströbele sieht die Zukunft des roten Punkts pragmatisch: „Die Resonanz auf meinen Post zeigt ja – da ist großes Interesse in der Community.“
Die Zukunft des Trackpoints? Die wird zeigen, ob der kleine rote Punkt zwischen G, H und B wirklich verschwindet oder ob er, wie so viele totgesagte Technologien, einfach weiterlebt. Immerhin hat er zwei wichtige Dinge auf seiner Seite: treue Fans und – man glaubt es kaum – 0,75 eingesparte Sekunden pro Mausklick. Manchmal sind es eben die kleinen Dinge, die den Unterschied machen.