Last Updated on 08.03.2025 by Redaktion Digisaurier
Wie viele Falten verträgt ein Smartphone? Derzeit noch weniger als ein Digisaurier-Gesicht – aber es werden immer mehr, wie Huawei zeigt. Und ist den großen Autoherstellern auf dem Weg nach Barcelona die Energie ausgegangen – oder warum war keiner da? Unser Vor-Ort-Digisaurier Hannes Rügheimer berichtet aus Barcelona über zwei Welten, die immer mehr verschmelzen: Mobile Geräte und Mobilität.
Erstmal für alle, die lieber gucken statt zu lesen: Hier ist der Link zu unserem Youtube-Video mit der Schalte aus Barcelona.
Dreifach gefaltet: Huaweis neue Display-Dimension
„Das ist das Mate XT“, berichtet Hannes vom Huawei-Stand auf dem MWC. Was dieses Gerät besonders macht: Es besitzt nicht nur ein, sondern gleich zwei Scharniere und damit drei Teil-Displayflächen, die sich zu einem beeindruckenden Ganzen entfalten lassen.
„Das Interessante daran ist, dass man beim Aufklappen eine wirklich große Displayfläche von etwa zehn Zoll erhält“, erklärt Hannes. „Damit bewegt man sich bereits in der Tablet-Klasse, und das ursprüngliche Versprechen der Foldables wird deutlich besser eingelöst als bei herkömmlichen Modellen, die einfach nur die doppelte Displaygröße normaler Smartphones bieten.“

Das während des MWC 2025 am 3. März vorgestellte Huawei Mate XT hat für einiges Aufsehen gesorgt – sogar König Felipe VI. von Spanien besuchte den Huawei-Stand, um das innovative Gerät in Augenschein zu nehmen. Die technischen Daten können sich sehen lassen: Drei Bildschirme mit 3K-Auflösung und 90Hz Bildwiederholrate, die zusammengeklappt ein 10,2-Zoll-Display ergeben. Bei einer Dicke von nur 12,8mm ist das Gerät erstaunlich schlank für ein faltbares Smartphone mit drei Teil-Segmenten.
Die Kameraausstattung umfasst eine 50-MP-Hauptkamera, eine 12-MP-Ultraweitwinkel-Kamera und eine 12-MP-Periskop-Kamera. Letzterer funktioniert tatsächlich ähnlich wie das Sehrohr eines U-Boots – nur dass man damit keine Schiffe über dem Wasser entdeckt werden sollen, sondern das perfekte Urlaubsfoto erspäht – auch wenn das Objekt etwas weiter weg ist. Denn das clevere System nutzt ein Prisma, um das Licht um 90 Grad umzulenken und ermöglicht so einen optischen Zoom, ohne dass die Kamera aus dem Gehäuse herausragen muss. Auf der Vorderseite findet sich eine 8-MP-Selfie-Kamera. Das Gerät läuft mit der Bedienoberfläche EMUI 14.2 und wird vom Huawei-Prozessor Kirin 9010 angetrieben.
Mit einem Preis von etwa 3.300 Euro ist das Gerät alles andere als eine Einstiegslösung, sondern für technikaffine Early Adopters gedacht. Außerdem fehlt, wie bei allen Huawei-Geräten, der Google Play Store – ein nicht zu unterschätzender Nachteil für westliche Nutzer.
Auto trifft Smartphone: Die Transformation der Mobilität
Im Gegensatz zu den letzten Jahren fehlten die großen Namen im Automobilbereich diesmal komplett auf der Show. Wo sonst Mercedes, BMW und andere Hersteller mit imposanten Ständen vertreten waren, gab es dieses Jahr Automobil-Glamour nur als Hingucker auf anderen Ständen – und Automotive-Themen als eines von mehreren etwa bei Chipherstellern.

„Wahrscheinlich überdenken die Unternehmen aktuell genauer, wofür sie ihr Budget einsetzen, verglichen mit den Vorjahren“, analysiert Hannes.
„Das heißt mit anderen Worten, die Autoindustrie hat kein Geld mehr, keine Lust mehr oder interessiert sich einfach nicht mehr für Europa?“, hakt Christian nach.
Hannes lächelt: „Naja, dass sie weniger Geld haben, spielt sicher eine Rolle. Aber das Thema Automotive ist trotzdem auf der Messe präsent – nur eben bei den Zulieferern und Technologieunternehmen.“

Am Stand von Harman Automotive konnte Hannes trotzdem einen Einblick in automobile Zukunft gewinnen. „In der Branche spricht man von Software-defined Vehicles – Fahrzeuge, bei denen Software eine deutlich größere Rolle spielt als bisher“, erklärt er das Konzept.
Das BMW-Dilemma: Bezahlen für bereits verbaute Hardware
„Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dieses Konzept: Das Auto wird zu einer standardisierten Hardware-Plattform, die sich erst durch Software und Apps differenziert“, führt Hannes aus.
Christian kann sich einen Kommentar nicht verkneifen: „Also Lenovo erfindet den Second Screen beim Laptop sozusagen neu, und die Autohersteller erfinden das Bezahl-Abo für Hardware neu, die schon da ist?“
„Ja, so kann man es sehen“, bestätigt Hannes. „Erste Versuche in diese Richtung hat BMW bereits vor einigen Jahren mit der Sitzheizung als Abo-Modell unternommen – was allerdings bei den Kunden auf wenig Begeisterung stieß. Die Kunden haben sich massiv beschwert, weil es schwer nachvollziehbar ist, warum man für bereits physisch verbaute Hardware nachträglich bezahlen soll.“
Als BMW das Rad zu weit drehte – und die Sitzheizung gleich mit…
BMW machte 2020 Schlagzeilen mit der Ankündigung, die Sitzheizung als Abo-Modell anzubieten. Kunden sollten für die bereits im Auto verbaute Hardware monatlich bezahlen. „Die ultimative Erfahrung eines kalten Hinterns? Unbezahlbar. Für alles andere gibt es BMW-Abos“ – so hätte die Werbung lauten können, tat sie aber glücklicherweise nicht.
Nach heftiger Kritik machte der Hersteller im September 2023 einen Rückzieher. Pieter Nota, BMW-Vorstandsmitglied für Vertrieb und Marketing, erklärte gegenüber Autocar: „Die Leute fühlten, dass sie doppelt bezahlen – was eigentlich nicht stimmte, aber Wahrnehmung ist Realität, wie ich immer sage. Das war der Grund, warum wir damit aufgehört haben.“
Stattdessen konzentriert sich BMW nun auf Software- und servicebezogene Produkte wie Fahrassistenz und Einparkhilfen, die Kunden nach dem Autokauf hinzufügen können. Nota betonte: „Was wir nicht mehr anbieten, ist die Sitzheizung auf diesem Weg. Sie ist entweder drin oder nicht.“
„Ich kann mir das ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, dass ich für meine Sitzheizung jeden Monat zahlen muss“, schüttelt Christian den Kopf. „Das ist doch, als würde mein Kühlschrank zwar grundsätzlich kühlen dürfen, aber das spezielle Fisch-Kühlfach, das technisch schon eingebaut ist, müsste ich per Abo freischalten lassen. Absurd.“
Bei Mercedes gibt es mittlerweile ein abgewandeltes Modell: Die Hinterradlenkung ist mit einem kleineren Lenkwinkel von 4,5 Grad bei einigen Modellen kostenlos verfügbar, der volle Einschlagwinkel von 10 Grad kostet hingegen einen Aufpreis von rund 1.500 Euro.
Software First: Schnellere Innovationszyklen
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Die Entwicklungszyklen werden dramatisch verkürzt. „Die Autoindustrie arbeitet traditionell mit Entwicklungszyklen von etwa sieben Jahren“, erklärt Hannes. „Durch den Softwareansatz verkürzt sich das drastisch. Die genaue Zeitspanne kann ich nicht benennen, aber ich rechne eher mit zwei bis drei Jahren, bis wir solche Technologien in Serienfahrzeugen sehen werden.“
„Aber das macht mir schon ein bisschen Sorge“, gesteht Christian. „Wenn ich da an meinen PC und seine Zwangsupdates denke, bin ich nicht sicher, ob ich das in meinem Auto haben will. Da geht es schließlich auch um Sicherheitsrelevanz!“

Hannes nickt verständnisvoll: „Das ist in der Tat ein wichtiger Punkt. Die große Herausforderung wird sein, sichere und stabile Software-Updates mit der Flexibilität zu verbinden, die man von modernen Geräten erwartet.“
Bei Harman Automotive konnte Hannes eine Plattform begutachten, die mit einem Avatar arbeitet, Spracherkennung nutzt und über innovative Funktionen für das Display unter der Windschutzscheibe verfügt. „Das System kann beispielsweise den vorderen Teil des Autos, die Motorhaube, virtuell transparent machen. Man sieht ein Kamerabild und erkennt so, was sich unmittelbar vor dem Fahrzeug befindet – zum Beispiel ein Haustier oder andere Hindernisse.“
„Also können wir bald durch die Motorhaube gucken?“ Christian ist hörbar beeindruckt. „Klingt fast wie ein Superhelden-Feature.“
„Ja, so in der Art“, lacht Hannes. „Man hat tatsächlich das Gefühl, durch die Motorhaube zu sehen – aber es ist natürlich eine clevere Kameralösung.“
Diese Technologie, bekannt als „Ready Vision QVUE“, ist Teil der neuesten Produktpalette von Harman. Mit einer beeindruckenden Helligkeit von 5.000 Nits liefert dieses windschutzscheibenbasierte reflektive Display, das von Samsung-Neo-QLED-Displays angetrieben wird, eine Art digitale Leinwand für intelligente und innovative Mobilitätserlebnisse im Fahrzeug.

Besonders spannend ist auch „Luna“, Harmans neuer KI-gesteuerter Avatar, der zusammen mit dem „Ready Engage System für emotionale Intelligenz“ personalisierte, intuitive und empathische Interaktionen ermöglicht.
Chinesische Marken und Tesla als Vorreiter
Während europäische Hersteller sich noch schwer tun mit dem „Software First“-Ansatz, sind andere bereits viel weiter. „Besonders chinesische Marken wie BYD und natürlich Tesla – unabhängig davon, wie man zu diesen Unternehmen steht – sind Vorreiter mit der klaren Strategie: Software ist das Entscheidende“, betont Hannes.
„Ja, man mag von Tesla halten, was man will“, ergänzt Christian, „aber dass sie die Branche ordentlich aufgemischt haben, kann man kaum bestreiten.“
Hannes nickt zustimmend: „Absolut. Betrachtet man die Entwicklung der Benutzeroberflächen in Tesla-Fahrzeugen über die letzten drei bis vier Jahre, erkennt man einen enormen Fortschritt.“
Dieser Ansatz eröffnet völlig neue Möglichkeiten für Automobilhersteller. Funktionen, die früher in Hardware gegossen waren, können nun als Software-Updates ausgeliefert werden – sei es zur Reichweitenverlängerung bei Elektrofahrzeugen, für neue Assistenzsysteme oder sogar für komplett neue Benutzererfahrungen im Fahrzeuginnenraum.
Harman: Aus Alt mach Neu mit Über-Luft-Updates
Pascal Peguret, SVP für Connectivity bei Harman International, formuliert es in Marketingsprech so: „Harmans Ready-Portfolio verwandelt Fahrzeuge mit vernetzten, intelligenten und kontextuellen Systemen, die nicht nur Sicherheit und Komfort verbessern, sondern die Bedürfnisse von Fahrern und Passagieren tiefgreifend verstehen.“
Was aber sicher stimmt: Fahrzeugtransformation wird durch Zusammenarbeit vorangetrieben. Durch die Kooperation mit führenden Innovatoren wie Skylo und HERE sowie durch Nutzung der Consumer-Technologie-Expertise von Samsung ist Harman in einer guten Position, um „allgegenwärtige Konnektivität und empathische KI-gestützte Lösungen“ zu liefern, die Fahrzeuge heute und in Zukunft hoffentlich verbessern.
Fazit: Die Automobilwelt im Umbruch
Der Mobile World Congress 2025 zeigt deutlich, wie die Grenzen zwischen Mobilgeräten und Mobilität verschwimmen. Autos werden zunehmend zu „Smartphones auf Rädern“ mit Software-Updates, individualisierbaren Funktionen und deutlich kürzeren Entwicklungszyklen.
„Das Auto wird immer mehr zum Commodity“, denkt Christian in der Liveschalte laut nach. „Es transportiert dich zwar immer von A nach B, aber es ist auch ein rollender Stromspeicher für deine Energieversorgung im Haus und jetzt auch noch eine Softwareplattform. Hätten wir vor zehn Jahren gedacht, dass wir beim Autokauf irgendwann mehr über die Benutzeroberfläche als über die Motorleistung sprechen würden?“
„Damals noch nicht“, stimmt Hannes zu. „Aber es ist eine faszinierende Entwicklung. Ich bin gespannt, wie europäische Hersteller diesen Wandel meistern werden.“

Diese Revolution wird schneller kommen, als viele denken – ein Aspekt, der sowohl fasziniert als auch beunruhigt. Die Abwesenheit vieler großer Namen auf dem MWC könnte ein Indiz dafür sein, dass die Branche noch nach ihrer Position in dieser neuen, softwaredefinierten Welt sucht.
Und für uns Nutzer? Wir dürfen gespannt sein auf Autos, die mit jedem Update besser werden – aber vielleicht auch auf neue Abogebühren für Funktionen, die früher selbstverständlich waren. Die Reise zum „Smartphone auf Rädern“ hat gerade erst begonnen, und wir Digisaurier halten die Augen offen. Denn wer weiß: Vielleicht ist „Ein Neustart Ihres Autos ist jetzt erforderlich“ bald schon der Satz, vor dem wir alle Angst haben – besonders mitten während einer Reise.
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