Peek & Poke, Computersendungen und die Anfänge der Digisaurier: Unser digitaler März

Last Updated on 03.04.2025 by Redaktion Digisaurier

Wie entstanden eigentlich die ersten Computerbücher der 90er? Was hat ein nächtlicher Hoteldrucker mit dem Bestseller „Peek & Poke“ zu tun? Und wie führte der Weg von den Computerbüchern zu den beliebten TV-Sendungen wie „Neues… der Anwenderkurs“? Diese Fragen beantwortet die aktuelle Episode unseres Digitalen Monats – ausnahmsweise mit beiden Digisauriern gemeinsam im Studio.

Hannes Rügheimer und Christian Spanik zusammen in einem Studio vor der Kamera. Das ist lange her und war deshalb etwas Besonderes in dieser Spezial-Sendung der Serie „Unser digitaler Monat“ auf dem Digisaurier-Youtube-Kanal. Und wir konnten vor und nach der Sendung noch ein paar Nachfragen stellen und ein paar Zusatz-Geschichten in Erfahrung bringen.

Wer will, kann hier gucken – oder einfach weiterlesen. Denn das, was die beiden da an Hintergrundgeschichten und Anekdoten erzählt haben, haben wir im folgenden zu einem Artike zusammengefasst. Viel Spaß beim lesen oder gucken. Oder beidem ;-)

Die Entstehung von ‚Peek & Poke‘

Peek & Poke sollte eines der erfolgreichste CHIP-Specials aller Zeiten werden. Und das Buch – eigentlich ein besonders dickes Sonderheft – wurde zum Standardwerk für alle, die den C64 programmieren wollten. Aber das wussten weder Hannes noch Christian, als diese Geschichte ihren Lauf nahm. Und sie begann in Hannes Jugendzimmer…

Was als einfaches Spickzettel-Poster an der Wand eines Computerjunkie-Jugendzimmers begann, wurde also zum Bestseller der Computerszene.

So kann Computergeschichte beginnen – das Original „Peek/Poke Poster“ aus Hannes‘ Jugendzimmer war der Anfang von vielen erfolgreichen Projekten – aber auch Flops auf dem Berufsweg der beiden.

„Das war das Original-Poster, mit dem alles begann“, erklärt Hannes, während die Beiden das leicht vergilbte „Peek & Poke“-Plakat in die Kamera halten. Darauf verzeichnet: die wichtigsten Speicheradressen des Commodore 64. Christian erinnert sich an den entscheidenden Moment: „Das war die Zeit des Bravo-Starschnitts. Jugendliche sammelten über mehrere Ausgaben dieser Jugendzeitschrift Teile eines Posters, die man zu einem lebensgroßen Bild zusammenfügen konnte. Überall hingen Poster von Musikgruppen an den Wänden. Ich fragte mich: Was hängt sich ein Computerfreak an die Wand? Ein Poster vom C64? Irgendwie nicht…“ beschreibt Christian die Zeit.

Als er Hannes‘ Spickzettel sah, hatte Christian eine Erleuchtung: „Als ich dieses Ding in Hannes‘ Zimmer sah, fragte ich ihn: ‚Weißt du eigentlich, was das hier ist?‘ Hannes antwortete: ‚Natürlich, mein Peek & Poke-Spickzettel.‘ Und ich sagte: ‚Nein, das ist ein Poster!'“ So entstand die Idee, Hannes‘ Programmierwissen in Form eines ausklappbaren Posters in einer Computerzeitschrift zu veröffentlichen.

Das Poster erschien in der ersten Ausgabe der neuen C64-Zeitschrift RUN und trug maßgeblich zu deren überraschendem Erfolg bei. „Das Ding wurde ein echter Hit. Die Zeitschrift war gerade erst gestartet, und wir haben darin eine Serie namens ‚Durchs wilde Pokeistan‘ geschrieben“, erinnert sich Christian. Zum Erstaunen der etablierten Magazine wie der „64’er“ war RUN sofort erfolgreich, was nach Marktumfragen vor allem auf das Poster und die Serie zurückzuführen war. Später folgte das Buch, dessen Erfolg alles übertraf: Etwa 60.000 bis 70.000 Exemplare gingen über die Ladentheke. „Es kann sogar sein, dass es mehr als 100.000 wurden… Ich habe da in der Anfangszeit irgendwann den Überblick verloren…“ erinnert sich Christian.

Das spätere Chip Special – der erste große Erfolg für das Duo.

„Mit diesem Buch verdienten wir richtig Geld“, erzählt Hannes im Gespräch nach der Sendung. “ Und gaben es auch direkt für neue Hardware aus. Denn vor diesem Buch mussten wir uns bei einem befreundeten Computerhändler die Sachen immer ausleihen. Also Computer und Drucker, mit denen man zum Beispiel wirklich schreiben konnte. Denn das ging mit dem C64 nicht so gut. So liehen wir uns einen Apple II und einen Nadeldrucker bei dem Computerhändler aus…“ Was uns zum nächtlichen Abenteuer in einem Hotel bringt, das die Beiden erlebten.

Kein Computer, kein Drucker und zu wenig Papier – das Chip-Special Peek & Poke entsteht – irgendwie doch…

Die Entstehung des „Peek & Poke“-Buchs war alles andere als konventionell. Nach dem Erfolg des Posters und der Serie wurde Christian von Michael Ardelt, damals Vertriebschef und später dann Verlagsleiter beim Vogel Verlag, angesprochen. „Er fragte mich: ‚Was ist das mit diesen Peeks und Pokes?'“, berichtet Christian. „Ich erklärte es ihm und sagte: ‚Stellen Sie sich das vor wie einen Guide Michelin für Computernutzer – die besten Adressen stehen da drin.‘ Das hat er verstanden und sofort gesagt: ‚Das will ich haben. Als Buch. Könnt ihr ein Buch machen?'“

Christian erinnert sich lebhaft an diese Szene: „Klar sagte ich…“ und fragte mich, wie genau wir das umsetzen sollten…“ Denn wie gesagt: Die beiden hatten keinen Computer, mit dem man gute Texte erfassen konnte. Und keinen geeigneten Drucker zum Ausdrucken. Aber einen befreundeten Computerhändler in Würzburg, der uns aushalf. Mehr dazu später…

Der Computerladen von Hugo E. Martin in Würzburg in dem Hannes und Christian immer Samstags jobbten und der ihnen unter anderem die Technik lieh um überhaupt Bücher vernünftig produzieren zu können

Ardelt entschied sich für einen ungewöhnlichen Produktionsweg: „Er sagte: ‚Wir geben das direkt von euch in die Druckerei. Kein Lektorat, kein Satz wie damals bei Büchern und Zeitschriften üblich, sondern direkt aus Eurem Drucker in die Druckerei'“, berichtet Christian. Der Vertriebschef übernahm persönlich die Verantwortung für dieses unkonventionelle Vorgehen mit den Worten: „Das geht auf meine Kappe, wenn es schiefgeht.“

Dieser Direktweg zur Druckerei brachte besondere Herausforderungen mit sich. „Wir mussten alles auf spezielles Barryt-Papier drucken, das zur Belichtung in die Druckerei ging“, erklärt Hannes. „Das war ziemlich teuer, und ich bekam nur 200 Blatt für ein Buch, das am Ende 164 Seiten hatte. Bei Druckfehlern konnte man nicht einfach beliebig oft neu ausdrucken.“ Und es war ja klar: So wie die beiden die Seiten ausdruckten, würden sie später auch erscheinen. Inklusive aller Tippfehler, die sie nicht vorher fanden und tilgten. „Das Problem war ja auch: Wenn wir uns bei den Adressen oder Befehlen vertippten, würde das, was im Buch beschrieben war nicht funktionieren. Also lasen wir x-mal Korrektur…“ erklärt uns Hannes am Abend nach der Sendung. „Und wann immer wir einen fanden, mussten wir neu ausdrucken… Wieder eine Seite weg…“ ergänzt Christian und hebt sein Weinglas in Richtung Hannes. „Haben wir gemacht… Tagelang…“ Und während Hannes zum Weinglas greift, grinst er: „Und leider auch mal nachts…“

So sahen die „gedruckten“ Seite aus – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn sie kamen direkt aus dem geliehenen Drucker von Hannes und Christian in die Druckerei. Buchsatz? Nein – das musste schnell gehen!

Das Barryt-Papier-Abenteuer und eine Nacht im Hotel

Besonders dramatisch wurde das alles nämlich bei den letzten Seiten: „Michael Ardelt sagte: ‚Die letzten Seiten müssen morgen um zehn Uhr bei uns sein.‘ Dabei hatten wir am Abend vorher noch etwa zehn Seiten zu schreiben“, berichtet Hannes. Da der laute Nadeldrucker nachts in Hannes‘ Elternhaus nicht in Frage kam, quartierten sich die beiden in ein Hotel ein. „Bei mir zuhause war es zu hellhörig und Ärger mit Eltern und Nachbarn wäre vorprogrammiert gewesen.“ ergänzt Hannes. Das Hotel schien eine gute Lösung. Es war ein kleines solide gebautes Landhotel in Obereisenheim. Aber leider nicht solide genug. Auch diese Gebäude war hellhörig. „Und wer jemals einen Nadeldrucker im Betrieb gehört hat, der kann sich vorstellen, was das heisst…“ In der Sendung ahmt Christian das Geräusch nach. „Man muss sagen: Nachts hat sich niemand direkt bei uns beschwert. Aber beim Frühstück am nächsten Morgen haben uns die anderen Gäste nicht gerade freundlich angeschaut“, ergänzt er lachend. Aber der unkonventionelle Ansatz und dass das CHIP Special dadurch so schnell auf den Markt kam, zahlten sich aus. Der Vertriebschef hatte mit seiner Lösung den Markt genau richtig eingeschätzt. Das Buch wurde verkauft und verkauft und verkauft… Eine Neuauflage nach der anderen machten es zum meistverkauften CHIP-Special des Verlags in dieser Zeit.

Von Würzburger Computerkursen zum Unterhaltungsbuch

Schon vor dem CHIP-Special arbeiteten wir an unserem ersten Buch, das drolligerweise im Titel hieß: „Mein zweites Commodore 64 Buch“ Erst der Untertitel erklärte diesen etwas kryptischen Haupt-Titel: „Das Buch, das nach dem Handbuch kommt.“ Dieses Buch war anders – in vielen Aspekten. Zum Beispiel mit einem völlig anderen Konzept. Und es entstand im Grunde erstmal nicht am Schreibtisch, sondern hatte seinen Ursprung in eben jenem Computerladen in Würzburg von dem schon die Rede war. „Mein zweites C64-Buch ist eigentlich entstanden, weil wir Kurse gegeben haben“, erklärt Christian. „Hugo E. Martin betrieb einen Computerladen in Würzburg namens ‚Computer Martin‘, und da haben wir gearbeitet.“

Cover "Mein zweites Commodore-64-Buch"
So lief das früher – die Autoren liefern ihr Manuskript ab, und dann übernehmen erst mal die (Satz-) Profis.

Wie es dazu kam, dass Christan der Werbetexter und Hannes der Schüler samstags plötzlich Mitarbeiter im Computerladen wurden, ist im Grunde ein Zufall. „Wir haben nachdem Christian von der Schule abgegangen und nach Frankfurt gezogen war, weiter, wann immer es ging unsere Samstage in Würzburg verbracht.“ erklärt Hannes. Nach der Sendung beim Abendessen erläutert er uns das auf Nachfrage: „Christian kam am Wochenende immer aus Frankfurt. Er arbeitete da ja schon als Werbexter in einer Agentur. Zum Beispiel für Apple. Und wir trafen uns Samstags Vormittag verbrachten Zeit miteinander und hingen oft in Computerabteilungen von Kaufhäusern rum.“ Und dann sahen die beiden eines Tages, dass da ein neuer Computerladen aufmachte. Sie versuchten durch die Scheiben zu spähen, was da wohl drinnen ist.

Einer der Mitarbeiter sah die beiden – der Laden hatte ja noch nicht offiziell eröffnet – schloss die Türe auf und fragte: „Wollt ihr mal reinkommen?“ So lernten wir die Leute und auch Hugo kennen und dann gab es das Angebot ob wir Samstags immer im Laden insbesondere für Apple und Commodore beraten wollten.“ „Das war ein gutes Angebot“, erinnert sich Hannes. „Wir haben zwar erstmal gar kein Honorar dafür bekommen. Aber Hugo hat quasi ertragen, dass wir irgendwie dort zwischen Apple II und IBM PC und Commodore 64 herumwuselten und wenn keiner was von uns brauchte, an den Geräten nach Herzenslust programmieren und experimentieren konnten.“ „Für mich war es toll…“, erinnert sich Christian am Abend nach der Sendung: „Weil ich als Texter in der Werbeagentur ja unter anderem für den Kunden Apple arbeitet. So konnte ich sozusagen Marktforschung betreiben, welche Leute sich für solche Geräte interessierten. Wer sich dafür oder schließlich dagegen entschied…“ Das half ihm im Job.

Wer sich mehr für diese Apple-Zeit von Christian interessiert: Hier haben wir eine sehr amüsante Geschichte dazu:

Aber zurück zur Entstehung des Buches: Vormittags haben wir dort Beratung durchgeführt und Computer verkauft, und nachmittags kamen dann die Kursteilnehmer zu einem C64-Grundlagen-Kurs, die Geld für den Kurs bezahlt hatten.“ Das war eine Idee von Hugo. „Sein Argument: Der C64 wirft nicht genug Marge ab beim Verkauf im Vergleich zu einem Apple oder einem PC. Also müssen die, die eine ausführliche Beratung dazu haben wollen, die eben extra bezahlen. Ich will den Kunden Kurse anbieten. Und Ihr könnt die halten. Habt Ihr Lust…?“ Klar hatten die beiden Lust. Also überlegten sie sich einen mehrstündigen Kurs zum Thema „Was der C64 alles kann…“ Mit Praxisteilen, Software-Vorführung, Programmier-Grundkenntnissen usw.

Da wird gelacht? In einem Computerkurs?

Was die Kurse besonders machte, war nicht nur der Inhalt, sondern ihr Stil. „Beim ersten Kurs kam Hugo nach einer Stunde herein und setzte sich dazu“, erzählt Christian mit einem Schmunzeln. „Er hatte gehört, dass Leute bei unserem Computerkurs lachen. Das kann eigentlich nicht sein, da stimmt was nicht.“ Das war Hugos erster Gedanke. Und die Sorge, dass die Leute sich womöglich beschwerten, weil die beiden jungen Burschen irgendwie Blödsinn machten, statt den Leuten Computer zu erklären.

Also Hugo beobachtete das ungewöhnliche Duo und seine Methode: Während Hannes technische Inhalte verständlich erklärte, sorgte Christian dafür, dass die Aufmerksamkeit der Teilnehmer nicht nachließ. „Wenn ich merkte, jetzt verlieren wir die Leute, habe ich entweder einen Witz gemacht oder noch mal das zusätzlich erklärt, was ich oft genug selbst gerade erst verstanden habe“, beschreibt Christian seine Rolle und grinst dabei.

Das war Hugo E. Amrtin. Das Bild ist von seiner privaten Seite und einige Jahre später entstanden. Leider ist er im Jahr 2023 verstorben. Er war vor allem in den Anfangsjahren ein zentraler Wegbegleiter von Christian und Hannes und half bei den Kontakten zu Verlagen und Redaktionen, nachdem er die beiden im Laden erlebt hatte.

Der Laden-Besitzer erkannte das Potenzial dieses unterhaltsamen Lehrstils. „Nach dem dritten Kurs sagte Hugo zu uns: ‚Könnt ihr das nicht aufschreiben? Das wäre doch eigentlich ein Buch'“, erinnert sich Christian. „Hugo sah, dass wir beiden Jungspunde da gestandenen Rechtsanwälten und Geschäftsleuten aus Würzburg erklärten, was ein Commodore kann oder wofür ein IBM PC besser geeignet ist als ein C64. Das hat ihm gefallen, weil wir das relativ launig und damit sehr verständlich gemacht haben.“ Damals entstand eben dieser besondere Mix aus Unterhaltung, verständlicher Erklärung und Wissensvermittlung die Spaß macht.

Und nun sollte das auch im Buch so werden: Es entstand ein Computerbuch, das sich fundamental vom sachlichen „Peek & Poke“ unterschied. „Peek & Poke war nur sachlich. Es war großartig als Produkt, aber der Schreibstil war dabei eher nebensächlich“, erläutert Christian. „Bei ‚Mein zweites C64 Buch‘ haben wir uns vorgestellt, für wen wir schreiben. Wir haben angefangen, dieses Buch zu schreiben und es wurde durch die Kurse und wegen der klaren Vorstellung von der Zielgruppe, die wir hatten, ganz anders.“ Die beiden bauten bewusst humorvolle Elemente ein – bis hin zu einer umgeschriebenen Version des Schneewittchen-Märchens oder von „Rapunzel“, die dann als Programmierbeispiel dienten. „Da haben wir also wirklich Witze drin gemacht und sind auf solche schräge Ideen gekommen“, zeigt Christian eine Seite mit dem Märchen.

Ein Textauszug aus dem Buch

Damit man sich eine Vorstellung davon machen kann, wie das klang hier ein kurzes Textbeispiel – dazu muss man wissen. Es war die Zeit nach dem Skandal um die vermeintlich entdeckten geheimen Hitler-Tagebücher, die der Stern dann abdruckte und die sich als gefälscht entpuppen sollten. Der Stern-Reporter, der diese Bücher „fand“ und öffentlich machte hieß Gerd Heidemann. Das erklärt auch die gesamten Anspielungen in diesem Textabschnitt. Hier unser Textauszug aus dem Buch:

Kapitel 5: Ein Spiel mit Sonderzeichengrafik Rapunzel

Die Geschichte des Märchenreiches muß völlig neu geschrieben werden. Unser Reporter Gerd Heinzelmann hat die geheimen Tagebücher des Froschkönigs entdeckt. Nachdem sie gesäubert waren, stellte er fest, daß er einen Fund von unschätzbarem Wert gemacht hatte: Was niemand für möglich gehalten hätte, aufgrund der Freundschaft mit einem Tintenfisch hat der Froschkönig doch angefangen, Tagebuch zu führen. Lange Zeit waren die geheimen Tagebücher in einem Brunnen in der Nähe eines Königsschlosses vor den Augen der engagierten Märchenerzähler verborgen. Heinzelmann, der schon lange Zeit enge Kontakte zur Märchenwelt hatte («Schon als ich drei war, hat mir Großmutter vor dem Einschlafen immer vorgelesen …»), fand die Tagebücher zufällig hinter einem Berg von goldenen Bällen und drei Lippenstiften. Und damit mußten viele Teile der Märchengeschichte, die als historisch gesichert galten, neu überdacht werden.

Und auf Basis der „neu“ erzählten Geschichte von Rapunzel oder Schneewittchen entwickelten wir ein kleines Spiel auf dem C64, mit dessen Programmierung wir den Lesern eben Basic beibrachten.

So sah die C64 Schneewittchen Version aus – inklusive einer eigenen Variante des Märchens, die Hannes und Christian sich beim Schreiben des Buches ausdachten.

Obwohl das zweite Buch kommerziell deutlich weniger erfolgreich war, hatte es eine viel größere Bedeutung für die weitere Karriere der beiden. Es legte den Grundstein für ihren späteren Schreibstil und brachte sie sogar auf die Idee für ein weiteres Projekt: „Das brachte uns auf die Idee zu einem Buch namens ‚Märchen aus dritter Hand‘. Die Wahrheit dieser Märchen ist eine ganz andere, haben wir behauptet“, schmunzelt Christian. Aus dem Projekt, das Christian versuche beim Eichborn-Verlag zu verkaufen, wurde aber nie was. „Das ist aber eine ganz andere Geschichte…“ Die uns andererseits aber auf die Frankfurter Buchmesse bringt. Das war für Christian und auch für Hannes ein ganz wichtiger Platz. Denn plötzlich waren sie ja Autoren ;-)

Noch eine Anmerkung: Das C64-Buch – obwohl sie es früher beim Verlag abgegeben hatten – kam durch den langen Produktionsprozess mit dem Lektorat, dem „Setzen“ des Buches in einer Setzerei und dann dem Drucken tatsächlich erst nach „Peek & Poke“ auf den Markt. Insofern stimmte der Buchtitel doppelt: Es war – was sein Erscheinen betrifft – dann wirklich das „zweites“ Buch des Autoren.´-Duos.

Buchmesse-Abenteuer und Branchenkolumne

Wir sind jetzt im Jahr 1985. Die beiden jungen Autoren hatten also Ihren ersten Hit mit Peek & Poke und hofften, das nächste Buch würde genau so einschlagen. Darum versuchten sie mit diesem Buch nicht nur inhaltlich innovative Wege zu gehen. Auch die Vermarktung sollte anders sein. „Wir haben damals zu diesem Buch einen kleinen Film gemacht“, erinnert sich Christian. Also programmiert. Als Demo auf dem C64 um genau zu sein. „Christian hatte ja immer schon große Pläne, die die technischen Möglichkeiten der Zeit in der Regel etwas überfordert haben“, ergänzt Hannes schmunzelnd. „Wir hatten einen Trailer mit dem erfundenen Namen ‚First Century Fog‘ programmiert, um dahinter eventuell mal einen Film zu hängen, den Christian komplett am C64 umsetzen wollte.“ Auch beim Abendessen nach der Sendung schüttelt Hannes noch den Kopf. „Also – er wollte, das ich den technisch umsetzen sollte! Er hatte schon mit einem Drehbuch angefangen, in dem es irgendwie um ein Raumschiff ging. Es sollte eine Parodie auf Raumschiff Enterprise werden.. Das gab er mir zu lesen, damit ich mir schon mal überlegen könnte, wie ich das programmieren würde…“ „Es hat etwas gedauert, bis Hannes mir gestand, dass er keine Ahnung hatte, wie das gehen sollte, und dass das mit dem C64-Film, den ich im Kopf hatte, wohl nix werden würde…“ seufzt Christian.

„Aber so hatten wir dann immerhin an einem Demo-C64 auf der Frankfurter Buchmesse etwas, was wir laufen lassen konnten. Und Christian erzählte allen Interessenten, dass unser Plan war, dass die Buchhändler, dieses Demo-Programm bekommen konnten und damit im Schaufenster Werbung für das Buch machen konnten…“ erzählt Hannes weiter. Und im Nachgespräch erfahren wir, dass diese Idee in Wahrheit durch einen Buchhändler entstand, der fragte, ob er diese Demo für seinen Laden haben könnte. Christian fand das großartig und sagte frecherdings, dass die Demo genau dafür gedacht war.

Hannes, Christian und das C64 Buch - am Stand vom Vogel-Verlag
Hannes, Christian und das C64 Buch – am Stand vom Vogel-Verlag – das Foto machte damals Christian von Zittwitz – Chefredakteur und Gründer des Buchmarkt. Dem Ideenmagazin für den Buchhandel.

Diese ungewöhnliche Präsentation erregte Aufmerksamkeit – auch beim Publikum, aber vor allem in der Branche. Der Buchhändler, der diese Idee aufgebracht hatte, war ein sehr engagierter Buchhändler damals in Sachen Computerbücher: Klaus Michael Borisch. Christian elektrisierte die Idee so, dass er versuchen wollte, mehr Buchhandlungen zu überzeugen, auf dieselbe Weise Werbung zu machen. Also zog er dann auf der Messe los und erzählte von der Idee allen möglichen Branchen-Presseleuten, die er einfach an den Ständen besuchte. „Das sorgte dafür, dass ein späterer lieber Freund, Christian von Zittwitz, Chefredakteur der Zeitschrift Buchmarkt, einem wichtigen Branchenmagazin für die Buchbranche, kam und ein Foto von uns am Stand machte“, erzählt Christian. „Er hatte noch nie gehört, dass jemand so etwas macht für Computerbücher und fand die Idee toll und wollte sie den Buchhändler in seinem Magazin vorstellen. Wir dachten: Jetzt haben wir es geschafft. Naja…, sinniert Christian über diese Zeit. Man muss wissen: Computer-Bücher waren damals auf der Buchmesse noch in der ‚Straße der Elektronik‘. Es gab keinen Computer-Buchbereich auf der Frankfurter Buchmesse. Auch in der Regel auch nicht in den Buchhandlungen. Die meisten Buchhändler – um es freundlich auszudrücken – waren nicht wild auf diese komischen Bücher.

Christian wird zum Kolumnisten wider Willen…

Die Begegnung führte also einerseits zu einem Artikel im Buchmarkt – und zu einer späteren Verbindung, die sich als wertvoll erweisen sollte. Denn als das zweite Buch nicht den erhofften Erfolg hatte, suchte Christian die Schuld nicht bei sich selbst: „Ich dachte, die Buchhändler sind schuld – was auch nicht ganz falsch war. Aber natürlich auch nicht ganz richtig…“ Er nahm Kontakt zu Christian von Zittwitz auf: „Ich rief ihn an und sagte: ‚Ich finde die Buchhändler machen das völlig falsch, wie sie Computer-Bücher verkaufen.‘ Er antwortete: ‚Wieso?‘ Als ich anfing zu erklären was ich meine, unterbrach er mich: ‚Hör auf zu erzählen. Schreib es mir einfach auf und schick es mir. Dann guck ich mir das an…'“

Was folgte, war überraschend. „Ein paar Wochen später bekam ich ein Exemplar vom Buchmarkt zurück. Darin stand alles was ich ihm geschrieben hatte praktisch wörtlich als Artikel unter dem Motto: ‚Wie Buchhändler alles falsch machen, und wie man es richtig macht.‘ Das hat mir nicht nur Freunde gemacht im Buchhandel“, lacht Christian. „Aber danach war ich Kolumnist im Buchmarkt zum Thema Computer-Bücher.“ Und es gab doch einige Buchhändler, die die Ideen aufgriffen und anfingen, Bücher besser zu platzieren und nicht nur irgendwo bei Sachbüchern einzusortieren. Dieser Kontakt und die daraus entstehende Präsenz in der Branche halfen den beiden Autoren, sich im Buchmarkt zu etablieren – trotz oder gerade wegen ihrer unkonventionellen Herangehensweise. Das half zwar dem C64-Buch nicht mehr. „Aber später sollte dieser Kontakt und auch das Vertrauen vieler Buchhändler, das wir gewinnen konnten, sehr hilfreich sein…“, sagt Christian nachdenklich.

Von Büchern zur Fernsehsendung

Der Weg von den Computerbüchern zu den Fernsehsendungen war nicht direkt, aber konsequent. Obwohl das „Zweite C64-Buch“ kein kommerzieller Erfolg wurde, hatten die beiden Autoren ihren Stil gefunden. „Es war vergleichsweis ein Flop – ja. Auch weil wir halt mit Peek & Poke so einen riesigen Erfolg direkt davor hatten. Aber irgendwie macht uns das Schreiben in diesem frecheren Stil viel mehr Spaß“, berichtet Christian über ihre damaligen Überlegungen. Diesen unterhaltsamen, zugänglichen Schreibstil behielten sie für ihre späteren Bücher bei – mit großem Erfolg. „Wir dachten: Der Stil ist richtig. Jetzt müssen die Leute das nur noch merken… Zugegeben – das war ein wenig sehr von uns selbst überzeugt. Aber wir waren halt jung und irgendwie sicher, dass wir den Computerbuch-Markt schon noch auf den Kopf stellen würden, wenn wir nur zu den Lesern durchkamen…“

„Wir haben uns dann mit neuen Rechnern beschäftigt und daraufhin Bücher zum Amiga und später zum PC geschrieben“, erzählt Christian. „Und bei all diesen Büchern haben wir das fortgeführt, was beim zweiten C64-Buch nicht kommerziell, aber stilistisch funktioniert hatte. Wir haben uns gesagt: ‚Solche Bücher müssen anders sein, die müssen Spaß machen, sie müssen Freude machen.'“ Diese späteren Bücher wurden dann tatsächlich sehr, sehr erfolgreich. „Es gab Jahre, da konnten wir ausrechnen, das praktisch alle paar Minuten ein Produkt mit unserem Namen verkauft wurde…“, sagt Hannes im Nachgespräch.

Die sehr kuriose Geschichte zum ersten Amiga-Buch der beiden findet ihr übrigens hier:

Der Erfolg all dieser Bücher, das Lob der Kritiker und ein paar Zufälle legten dann schließlich den Grundstein für die Fernsehkarriere von Christian und Hannes.

Wie es zu Neues… der Anwenderkurs kam

„Der Erfolg dieser Bücher, die eben so ganz anders waren und mit allen Konventionen brachen, hat dafür gesorgt, dass wir uns überhaupt trauten, eine Sendung wie ‚Neues… der Anwenderkurs‘ zu machen“, erklärt Christian. „Das Konzept kam ja von uns. Dieses Konzept haben wir damals beim Sender einfach vorgeschlagen. Und behauptet: Das wird laufen…“ Gewusst haben die beiden das natürlich nicht. Christian war zwischenzeitlich Drehbuchautor, Filmemacher und Moderator von „Neues… die Computershow“. Einer Sendung, die auf einer Idee des damaligen ZDF-Redakteurs Klaus Möller beruhte. und für die Christian dann das Konzept schrieb und letztlich dann in diesen vielen Funktionen die Sendung auch sehr prägte. „Dabei hat mir der Sender und vor allem die Redaktion unter Leonhard Boehner bei 3sat viel Spielraum gelassen. Und die machten auch gerade in den ersten Jahren auch wirklich alles mit, was wir probieren wollten…“

In dieser Geschichte beim Digisaurier erzählt Christian ein wenig von dieser Zeit bei der Computershow.

In der Zeit, in der die Idee zum Anwenderkurs aufkam, änderte sich der Markt der Computer-Nutzer gerade immer mehr. Die Idee, verschiedene „Neues…“-Formate für die immer unterschiedlicheren Zielgruppen in Sachen Computer zu machen, basierte auf der Beobachtung der sich wandelnden Computernutzung. „Wir haben gemerkt, dass der Markt sich verändert, dass neue Leute dazukommen, die sich zum Beispiel eigentlich nicht für die Technik dahinter interessieren“, erläutert Christian. „Es gab also Leute, die hatten schon einen Computer und waren eher Freaks oder sehr interessierte Anwender, die auch programmierten, an Hardware bastelten usw.. Dann gab es aber auch Leute, die interessieren sich zwar für die Inhalte – also was man mit so einem Gerät machen kann. Von Textverarbeitung bis zu Multimedia-CD- ROMs mit Kochrezepten. Und es gab eindeutig allerhand Leute, die hatten Probleme, das ganz Zeug überhaupt vernünftig zu bedienen.“ Klar war: Mit einer einzigen Sendung konnte man nicht alle drei Gruppen gleichzeitig zufriedenstellen. „Ich dachte mir: Ein oder gar zwei Drittel der Zuschauer lassen wir mit etwas Pech immer irgendwie zurück bei einem Einspielfilm oder gar mit der ganzen Sendung. Je nach Schwerpunkt. Das wollte ich ändern…“ erinnert sich Christian.

Die Entscheidung für unterschiedliche TV-Formate zum Thema Computer

Aus dieser Erkenntnis entstanden schließlich drei unterschiedliche TV-Formate bei 3sat: „Neues… die Computershow“ als Standardsendung für die technisch versierten Computerfans gab es ja schon. Dazu kam „Neues… das Magazin“, das sich auf Inhalte und Anwendungen konzentrierte, und „Neues… der Anwenderkurs“ – eine Sendung, die das „didaktische Duo-Format“ aus den Würzburger Computerkursen und die sprachliche Art der Vermittlung der humorvollen Computerbücher gemeinsam auf den Bildschirm bringen sollte.

„Der „Anwenderkurs“ basierte also auf dem Miteinander, was wir eigentlich beim Computer Martin in Würzburg in jungen Jahren angefangen haben. Auf der Art zu erzählen, die wir dann im ersten Buch noch erfolglos versucht haben und was wir dann trotz des ersten Flops in den kommenden Amiga-Büchern noch dann sehr erfolgreich weitergemacht haben – bis hin zu 3sat mit ‚Neues… der Anwenderkurs‘.“ Denn klar ist: Auch dieses Format war sehr „unkonventionell“.

Szene aus „Neues… der Anwenderkurs Hardwaretuning“ mit Hannes und Christian

Das Ziel war klar: Leuten mit Spaß und verständlich erklären, wie man zum Beispiel DFÜ und BTX nutzt, wie man PCs aufrüstet oder Windows bedient. Die inhaltliche Basis waren die damals extrem erfolgreichen PC-Computerbücher von Hannes und Christian mit dem Serientitel „Einsteigen ohne auszusteigen“ bei Markt & Technik. Hannes sagt uns nach der Sendung: „Im Grunde hatten wir die Inhalte alle schon erarbeitet mit den Büchern.“ Jetzt musste die „nur“ noch als TV-Sendung umgesetzt werden. Dieses „Nur noch“ war allerdings doch nicht so ganz trivial. Aber das ist eine andere Geschichte, die wir Euch ein anderes Mal erzählen wollen.

Und der Vollständigkeit halber: „Bei ‚Neues… das Magazin‘ hatten wir berühmte Gäste wie Hera Lind“, erinnert sich Christian. „Die hat für uns Aufklärungs-CD-ROMs rezensiert. Oder wir hatten einen berühmten Koch, der anhand von Rezept-CD-ROMs wirklich genau gekocht hat, was und wie das da stand, um rauszufinden ob das Ergebnis was taugt.“ Der Erfolg beim ersten „Rehschnitzel“ war überschaubar. Also: Der Erfolg mit dem Essen. Die Rezepte für die Sendungen gingen hingegen alle auf. Und so war Christian mal mit, mal ohne Hannes praktisch jede Woche mindestens einmal auf Sendung.

Retro-Workshop und Zukunftspläne

„Und genau diese Kernkonzepte, diese DNA, diese erfolgreichen Zutaten wollen wir in Zukunft auch weiter hier unter der Marke Digisaurier wieder auf die Monitore und Bildschirme bringen. Darum haben wir uns hier getroffen und ein paar Tage Konzepte, Ideen und Formate diskutiert…“, berichtet Christian.

Hannes und Christian zu zweit in einem Studie – das ist selten, aber es war ein Zufall. Sie brüten über neue Konzepte…

Die seltene Gelegenheit, beide Digisaurier gemeinsam im Studio zu erleben und die Option zu diesem zusätzlichen Hintergrund-Interview, verdanken die Zuschauer also einem aktuellen Workshop und der Vorbereitung neuer Ideen und Konzepte für den Digisaurier. Die Webseite und den Youtube-Kanal. Unter anderem ging es um die Idee zu „Anwenderkurs reloaded“.

Christian und Hannes beim Workshop zur Zukunft von Digisaurier.de und dem Youtube Kanal. Danke Barbara für die Fotos und Deine Zeit!

„Es ist eine Ausnahme, dass wir nebeneinander im Studio sitzen“, erklärt Christian zum Abschluss der Sendung und macht neugierig: „Aber wir haben einige vielversprechende Ideen entwickelt, auf die ihr gespannt sein könnt. Und darum wollten wir die Gelegenheit nutzen und haben dieses spontane Live gemacht…“

Wer jetzt doch noch Lust zum Gucken bekommen hat, findet die komplette Live-Sendung hier:


Infobox: Was steckt hinter Peek & Poke?

PEEK und POKE sind zwei grundlegende BASIC-Befehle des Commodore 64. „Peek“ liest den Wert einer Speicheradresse aus, während „Poke“ einen neuen Wert in eine Speicheradresse schreibt. Diese Befehle waren essenziell für die Programmierung des C64, da viele Funktionen wie Grafik, Sound oder Bildschirmfarben nur durch direktes Ansprechen bestimmter Speicheradressen gesteuert werden konnten. Das ursprüngliche BASIC des C64 bot keine eigenen Befehle für diese Funktionen, weshalb Programmierer die entsprechenden Speicheradressen und ihre Werte kennen mussten – genau diese Information lieferte das „Peek & Poke“-Buch.

Und eine Leseempfehlung für alle die dazu mehr wissen wollen, haben wir auch noch hier beim Digisaurier:

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