Im Feindesland – warum der Amiga Freunde brauchte (2)

gail_wellington
Gail Wellington – die Amiga Frontfrau der ersten Stunde

Der Amiga-Flash erreichte mich sehr früh. Vor der Frankfurt Präsentation in der alten Oper gab es die Commodore Hausmesse. Und da zeigte eine Mittelalte Dame – die aussah, als wäre sie gerade aus der Küche vom Plätzchen backen gekommen – den Computer, dem von da an und  bis heute mein Herz gehörten sollte: in einem abgetrennten Mini-Raum und nur auf Einladung durften einige wenige den Amiga sehen. Präsentiert von Gail Wellington. Ein Hammer – Frau und Computer…Gail war ganz ohne Frage in diesen Tagen eine der wichtigsten Freundinnen des Amiga.  Sie kam eigentlich aus England, wurde oft die Mutter des Amiga genannt und war die Person, von der viele Leute sagen: der Erfolg des Amiga in USA ist vor allem Gails Verdienst. Ich kann nur sagen, dass mich ihr Auftritt schwer beeindruckt hatte. Sie zeigte mit einer Leichtigkeit und Beiläufigkeit was der Amiga alles kann, dass wir alle den winzigen Raum vergaßen, den Lärm der von der Messe von draußen reindrang und vor allem: wir vergaßen alles woran wir bisher dachten, wenn wir Computer sagten.  Pixelige Grafiken, krächzenden Sound, ruckelige Animationen – der Amiga machte offenbar alles, was man wollte einfach so…

Gail-Wellington

Der Entschluss: ich mach ´ne Amiga Show

Ich glaube in diesem Raum entstand damals der Keim für eine Idee, die dann zur Premiere des ersten „Amiga für Einsteiger“ umgesetzt wurde: eine Amiga-Show. Nichts sprach so gut für diesen Computer, wie er selbst in Aktion. Wenn man ihn gut präsentierte, ihm eine Bühne baute – dann war er einfach gnadenlos überzeugend. Also versuchte ich als Autor Dr. Becker zu überreden, einen Event aus der Buchpremierie zu machen, bei dem wir auch den Amiga präsentierten.

„Schon wieder so eine abstruse Idee von dem Amiga-Fuzzi Spanik…“

Spruch auf den Data Becker Fluren

Außer mir wollte das kein Mensch bei Data. Und: es war auch noch nie gemacht worden. Eine Buchpremiere? Lächerlich – ist doch ein Fachbuch! Wenn auch ein „verunglücktes“ – mit den Farbbildern, den Cartoons und diesem komischen Stil. Das zumindest war die Meinung bei den Buchprofis von Data. Der Doc hörte mir zwar zu als ich über einen möglichen Event zum Buhstart redete – aber ich denke er wusste sehr genau, wenn er das macht, produziert er ein Problem. Andere Autoren würden mit ähnlichen Erwartungen kommen, der Großteil der Mitarbeiter fand das eh keine so gute Idee. Also lieber die Finger davon lassen… Aber wie sollte er mir sagen, dass er es nicht machen will? Seine Idee war – typisch für ihn – einerseits einfach und ein Killer, andererseits schlug sie keine Türe zu, für den Fall das doch an der Sache was dran sein könnte.

Chris_Amiga-Kappe (1 von 1)
Der Typ mit der Amiga-Narrenkappe…

„Wir können das schon machen – aber das Buch als Grund reicht nicht. Wir müssten dann schon die ersten Amigas hier im Laden verkaufen…“ Das war seine Anforderung. Die Chance das hinzukriegen, zumal Eiszeit zwischen Data Becker und Commodore herrschte, weil Data Becker ja sehr den Atari ST pushte, war freundlich gesagt, so hoch wie eine zugefrorene Nordsee auf Borkum. Praktisch null – soll aber schon mal vorgekommen sein.

Verbündete und Freunde – alle für einen

Hannes Christian und das C64 Buch (1 von 1)
Mit dem C 64 fing es an… Hannes und ich auf der Buchmesse

Das gute war, dass wir schon in den C64 Zeiten gute Kontakte zu Commodore geknüpft hatten. Und das man uns dort auch ganz ernsthaft abnahm, dass wir ehrlich für den Amiga waren. Sonst hätte ich nie zu der Präsentation mit Gail Wellington Zutritt erhalten.

Gerold Hahn, damaliger Pressechef von Commodore, hatte schon früher ein mehr als offenes Ohr für unsere verrückten Ideen gehabt und uns geholfen so manches umzusetzen, was eigentlich unmöglich gewesen wäre. Aber an dieser Stelle – Erstverkauf von Amiga bei Data Becker – schluckte er auch erstmal. „Davon Winfried Hoffmann zu überzeugen – das wird sehr schwer…“, machte er mir klar. Und das war positiv ausgedrückt…

Ich weiß bis heute nicht genau, wie er es gemacht hat. Aber er schaffte es ein Treffen mit dem Commodore Chef Hoffmann, dem Pressemann Hahn und mir zu arrangieren. Und am Ende, nach langer Diskussion war klar: sie machen mit. Und nicht nur das: eine hochrangige Abordnung von Commodore würde sogar persönlich nach Düsseldorf kommen – inklusive Deutschland Chef. So entstand dieses damals einmalige Bild von Winfried Hoffmann und Dr. Achim Becker im Laden von Data Becker in Düsseldorf. Das Eis war gebrochen.

Amiga-Verkaufsstart bei Data Becker
Am Ende ein Erfolgsduo…

Der Event – ein Hammer

Der Laden, und das war erstmal das wichtigste, war voll. Und alle Beteiligten hatten viel dafür getan, dass das so war. Jeder hatte geworben, Freunde angesprochen und drum gebeten wieder Freunde mitzubringen. So eine Art Facebook-Konzept in der echten Welt. Und so wurden die ersten Amigas für mehrere tausend D-Mark in Düsseldorf verkauft. Die Bücher gingen weg wie die warmen Semmeln – weil alle die sich den Rechner nicht leisten konnten, zumindest das Buch mitnahmen. 39 DM pro Buch…

Und ich führte Amiga vor – ließ ein ums andere Mal Tut-Ench Amun statt ernst zu schauen grinsen (DeLuxePaint). Die Ritter von „Defenders of the crown“ über den Schirm galoppieren – und Amiga reden und musizieren. Die Traube der Menschen vor dem Rechner wurde den ganzen Tag nicht kleiner. Und damit war für mich klar: genauso muss man den Amiga präsentieren.

So entstand in den folgenden Monaten eine Reisetätigkeit in Buchhandlungen die Amiga für Einsteiger verkauften und wir zeigten vor Ort und Live was die Kiste alles konnte. Wenn man heute die Dinge sieht lächelt man – damals blieb uns einfach der Mund offen stehen.

Ein Job-Angebot als Ergebnis

ChriS mit Amiga (1 von 1)
Der Profi-Amiga Fan: Fotoshooting für Autogrammkarten

Ein paar Tage nach diesem Event – der auch der Startpunkt für zuerst meine und dann Hannes und meine Karriere als „Amiga-Evangelist“ oder wie immer man das heute nennen würde wurde und der Auftakt zu einem ungeheuren Erfolg mit Amiga-Büchern war – bat mich Doktor Becker ihn zu besuchen, wenn ich das nächste mal im Verlag bin. Er machte es kurz: er bot mir einen Job bei Data Becker an. Denn bis dahin hatte ich das ja alles nebenberuflich gemacht – gearbeitet hatte ich ja als Werbetexter. Ich stimmte zu und so begann meine kurze aber intensive Phase bei Data Becker. Und mein letzter Job bevor ich mich dann als Autor und Journalist selbstständig machte. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.

Festzuhalten bleibt: der Amiga brauchte Anfangs Freunde. Aber wer sein Freund war, dem gab er unheimlich viel zurück. Egal ob man Nutzer war oder wie wir Autor. Der Amiga war viele Jahre ein treuer Freund und Wegbegleiter. Und das war toll so.

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