Marco Börries, 2008 (Foto: Wikipedia)

Computerhelden (3): Marco Börries – vom Wunderkind zum Startup-König

Am Telefon klang der Kerl eigentlich nicht so jung. Oder anders ausgedrückt: Marco Börries war schon verdammt erwachsen, als wir zum ersten Mal miteinander telefonierten. Da war der Bursche aus Lüneburg noch keine achtzehn Jahre alt. Ob er uns sein Textprogramm StarWriter für MS-DOS einmal persönlich vorstellen dürfe, fragte er damals. Natürlich, antwortete ich, denn die Computerzeitschrift Data Welt, die zu leiten ich damals die Ehre und das Vergnügen hatte, war an guter Software für den IBM PC und seine Klone immer interessiert. Und natürlich kannten wir die Versionen der Textverarbeitung für den C64 und CPC-Rechner. Es muss also im Jahr 1986 gewesen sein, als ein ziemlich großes Auto vorfuhr, aus dessen Fond dieser Softwareentwickler stieg, der mit sechzehn seine erste Firma gegründet hatte. Und weil er natürlich noch keinen Führerschein hatte, wurde er meistens von seinem Vater chauffiert.

Wie damals meistens kam Marco Börries nicht allein. Damals bestand die Firma Star Division neben ihrem Gründer vorwiegend, wenn nicht gar ausschließlich aus Schul- und Jugendfreunden. Wichtigster Ansprechpartner für uns Journalisten war seinerzeit Lars Riemenschneider, der fast zwölf Jahre lang für die Medien zuständig war. Wir genossen eine ausführliche Demonstration des StarWriters, die in eine intensive Diskussion mündete.

Hier der Link zu unserer Sendung zu den Computerhelden:

Marco Börries verteidigte sein Produkt – aber schrieb bei Vorschlägen mit

Marco und Lars verteidigten ihr Produkt, wenn unsere Kritik hart wurde, und machten sich Notizen, wenn wir Funktionen vorschlugen oder uns wünschten. Das war auch der Beginn eines langen Kontakts zwischen mir und Marco Börries. Natürlich gingen so auch alle Einzelteile des StarOffice-Pakets durch meine Rechner, und nach meiner Zeit bei Data Becker gab ich regelmäßig und gern Feedback zu den Programmen.

Legendär: Die Credits beim StarWriter compact (Bild: Wikipedia)
Legendär: Die Credits beim StarWriter compact (Bild: Wikipedia)

Es war ein Zufall, der aus dem Lüneburger Jungspund einen der erfolgreichsten Software-Unternehmer der Welt werden ließ. Dieser Zufall brachte ihn 1983 als Austauschschüler ausgerechnet nach Palo Alto, mitten ins Silicon Valley. Und damit in einen brummenden, summenden Bienenkorb kreativster Hard- und Softwarefirmen, genialischer Entwickler und aufregender Erfindungen.

In USA legte Marco Börries den Grundstein für StarWriter und die Star Divison

Schon in den USA begann Marco damit, ein Textprogramm für CPC-Computer zu programmieren, das er später „StarWriter“ taufte. Schnell gab es auch eine C64-Version, die ziemlich populär wurde. Also gründete er mit 16 und 2000 DM, die der Legende nach aus dem Geld stammte, das er zu seiner Konfirmation geschenkt bekam, die Firma Star Division. Denn auch das hatte er im Silicon Valley gelernt: Man kann mit Software nur erfolgreich sein, wenn man neben der Leidenschaft für die Technologie auch lernt, unternehmerisch zu agieren.

Marco Börries und seine Number Four
Marco Börries und seine Number Four

Aus heutiger Sicht wird deutlich, dass Marco Börries sogar mehr Unternehmer als Softwarebastler war und ist. Number Four nennt er seine insgesamt vierte Unternehmensgründung, die er im Rahmen seines Umzugs in Berlin angesiedelt hat. Apropos: Noch in den Achtzigerjahren verlagerte die Star Division ihren Firmensitz nach Hamburg – und wuchs und wuchs.

Star Division hatte StartUp Mentalität – es war immer ein Hauch von Chaos

Wer damals im jeweiligen Bürogebäude vorbeischaute, war eigentlich immer mit einem Hauch von Chaos konfrontiert, weil ständig neue Büros bezogen wurden und Mitarbeiter von einem in den anderem Raum wechselten. Den ganz großen und persönlichen Umzug von Marco Börries erlebte ich quasi mit. Im nasskalten Winter 98/99 rief er mich an. Er brauche Unterstützung bei der Pressearbeit, ob ich helfen könne. Wir verabredeten, dass ich ihn in Hamburg besuchen solle. Und da saß er buchstäblich auf gepackten Kisten, denn die Star Division war da praktisch schon Geschichte.

Marco Börries Weg nach Amerika – zurück

Marco Börries hatte die Firma an Sun Microsystems verkauft. Ausgangspunkt war das große Interesse des Sun-Mitgründers Andreas von Bechtoldsheim an StarOffice, aber auch an Marco Börries selbst. Zumal das Unternehmens nach seiner Entwicklung von Java (1995) auf einer Erfolgswelle schwamm und man riesengroße Pläne zur Eroberung der Softwarewelt hatte. Und dabei sollte das ehemalige Wunderkind helfen.

Die Idee war, das hauseigene Betriebssystem Solaris zum beherrschenden OS zu machen und dafür dann quelloffene Software für jeden Zweck zur Verfügung zu stellen; StarOffice, das dann OpenOffice hieß (später LibreOffice) spielte dabei eine zentrale Rolle, denn das Paket war von Hause aus perfekt dafür geeignet, für die unterschiedlichsten Betriebssysteme portiert zu werden. Und nun machte sich Marco Börries auf den Weg nach Kalifornien, wo er bis 2008 seinen Lebensmittelpunkt haben würde.

Allerdings kam er mit Sun und den Verantwortlichen dort nicht besonders gut klar, sodass dieses Kapitel schon 2001 wieder endete. Worauf er umgehend VerdiSoft gründete und dort für Yahoo das Go!-System entwickelte.

Alles auf Handy – das war der Plan von Marco Börries ab 2001

Dabei handelte es sich um eines der ersten Systeme, mit denen alle möglichen Inhalte so aufbereitet und ausgeliefert werden konnten, dass sie auf Handydisplays genießbar wurden – dies lange vor der Ankunft der Smartphones. 2005 übernahm Yahoo VerdiSoft und Marco Börries wurde CEO der Yahoo-Firma für das, was sie „Connected Life Division“ nannten.

Jetzt hatte er das Thema gefunden, mit dem er sich bis auf den heutigen Tag befasst: das mobile Leben. Denn auch sein aktuelles Unternehmen, die Number Four AG, wirkt auf diesem Feld. Seit nun schon fast acht Jahren arbeitet ein großes Team in Berlin an einer Plattform für das mobile Business von KMUs; bisher ohne sichtbares Ergebnis. Immerhin konnte er 38 Millionen Kapital einsammeln und hat mit Index Ventures einen wirklich namhaften Unterstützer.

Inzwischen ist Marco Börries dreifacher Vater. Seine Jungenhaftigkeit hat er trotzdem nicht verloren – sie erinnert jeden, der ihn persönlich kennt, immer noch an die Zeiten des Wunderkinds aus Lüneburg.

Lust auf mehr Computerhelden? Wie wäre es mit dem hier… Das Gesicht kennt ihr alle. Aber auch die Geschichte dahinter?

Computerhelden (6) – Peter Norton, das Gesicht der Utilities

Und hier nochmal der Link zu unsere Sendung mit Rainer Bartel über Marco & Shiraz auf dem Digisaurier Youtube Kanal.

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