(C) J. Albert Bowden II, Flickr.com, CC BY 2.0, https://www.flickr.com/photos/jalbertbowdenii/5682524083

Besser sozial: Der Wegbereiter für Open Source war… eine Frau

Technik hat sich dem Benutzer anzupassen? Dass diese Frage (im letzten Jahrhundert lange diskutiert!) heute überflüssig erscheint, hat die IT-Welt einer wichtigen „Computerfrau“ zu verdanken. Ohne sie wären Hard- und Software wohl weniger menschlich: Christiane Floyd war die erste Informatik-Professorin im deutschsprachigen Raum und setzt sich seit Jahrzehnten für die soziale Komponente in der IT-Entwicklung ein. Dabei entstand auch die Vorläuferidee für Open Source.

Aufmacherbild: (C) J. Albert Bowden II, Flickr.com, CC BY 2.0, https://www.flickr.com/photos/jalbertbowdenii/5682524083

„Man ist heute in gemeinsamer Unkenntnis gegenüber der Maschine vereint. Die Verbesserung von Programmen ist sowohl im Interesse der Benutzer als auch in dem der Softwareanbieter und Arbeitgeber.“

Diese Erkenntnis von Christiane Floyd dürfte heute kaum überraschen. Und doch beschreibt sie beispielhaft den Status quo in der IT-Welt der Siebziger bis Neunziger. Die Zusammenarbeit von Usern und Programmierern bei der Entwicklung von Systemen war damals keine Normalität, „selbstverständlich“ hatte sich der Nutzer der Technik anzupassen.

„Wir können uns nicht von der Verantwortung für das, was unsere Programme auslösen, distanzieren.“

Computerfrau Christiane Floyd – Von WiseWoman - Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=39318648
Computerfrau Christiane Floyd – Von WiseWoman – Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=39318648

Dieser Satz der heute 73-Jährigen stammt von 1985 – zu der Zeit ist Christiane Floyd schon sieben Jahre lang Professorin für Informatik an der Technischen Universität Berlin. Zuvor hatte die gebürtige Wienerin in ihrer Heimatstadt Mathematik und schließlich in München Informatik studiert. Obwohl sie keinerlei Erfahrung im Umgang mit Computern hatte, bekam sie als Werksstudentin im Zentrallabor von Siemens einen Job als Programmiererin und schrieb schon ihr zweites Programm zum größten Teil selbst. 1991 folgte sie dem Ruf der Universität Hamburg und leitete dort die Fachgruppe Software-Technik.

Informatik musste mehr sein als eine rein technische Wissenschaft

Dass die Entwickler und die Anwender von Software einer gewissen „Entfremdung“ unterlagen, konnte Floyd schon damals beobachten – immer wieder schien die Arbeit rein „technikreduziert“, stand nur die Verwendung von formalen Methoden im Vordergrund. Schnell wuchs die Überzeugung, dass Informatik mehr sein musste als eine rein technische Wissenschaft. „Floyd forderte immer den Dialog zwischen der Entwickler- und der Anwenderseite sowie die Einbeziehung von Grundlagen aus den Sozial- und Geisteswissenschaften in die Informatik“, erklärte noch bis Sommer diesen Jahres eine Infotafel in einer Ausstellung im Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn, die sich speziell den Pionierinnen in der Entwicklung der Informationstechnik widmete.

Im Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn lässt sich die STEPS-Methode von Christiane Floyd spielerisch entdecken. (C) Jan Braun / Heinz Nixdorf MuseumsForum
Im Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn ließ sich die STEPS-Methode von Christiane Floyd spielerisch entdecken. (C) Jan Braun / Heinz Nixdorf MuseumsForum

So entstand zum Beispiel eine besondere Methode zur Entwicklung von Software namens „STEPS“. Was damals gleichbedeutend war mit „Softwaretechnik für evolutionäre und partizipative Systemgestaltung“, ist heute mit Open Source vergleichbar.

In der Gemeinschaft ist man bekanntlich stärker

Floyds Methode stellt den Entwicklungsprozess in den Mittelpunkt: Entwickler auf der einen Seite und Anwender auf der anderen Seite kommunizieren stetig miteinander und überprüfen regelmäßig die Entwicklungsstufen. Die Beteiligten müssen also Hand in Hand arbeiten und dabei auch die sozialen Folgen beim Umgang mit der Software bedenken, um ein optimales Resultat zu erzielen.

Kleiner Exkurs: Wer Open Source auf einfache und charmante Weise kennenlernen möchte, dem empfehlen wir dieses knapp fünfminütige LEGO-Video.

Nicht nur STEPS versinnbildlicht die Zielsetzung der Sozioinformatik, die neben der Informatik auch die Soziologie, Wirtschaftswissenschaften und die Psychologie berücksichtigt.

Tastatur für die Entwicklungs-Umgebung Maestro von Computerfrau Christiane Floyd. (C) Maestro Tastatur - Von http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Tamas_Szabo - Eigenes Werk, GFDL, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5877763
Tastatur für die Entwicklungs-Umgebung Maestro von Computerfrau Christiane Floyd. (C) Maestro Tastatur – Von http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Tamas_Szabo – Eigenes Werk, GFDL, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5877763

Schon „Maestro“ vereinfachte die Software-Entwicklung: Diese weltweit erste Entwicklungs-Umgebung stellte Christiane Floyd zusammen mit einem Kollegen auf der Systems 1975 in München vor. Maestro begann seinen Siegeszug rund um den Globus, 22.000 Mal wurde die Plattform installiert.

Computerfrau Christiane Floyd engagiert sich besonders für andere Computerfrauen

Neben diesen Innovationen, die die Nutzer allgemein in den Mittelpunkt stellten, startete die Professorin auch immer wieder Projekte oder engagierte sich in Initiativen, mit denen speziell Frauen gefördert werden sollen. Gerade kürzlich wurde etwa das 30-jährige Gründungsjubiläum einer Fachgruppe innerhalb der Gesellschaft für Informatik e.V. gefeiert: Die Gruppe „Frauen und Informatik“ setzt sich für die Gestaltung und Anwendung von Informationstechnik ein, die sich an Interessen von Frauen und Mädchen orientiert. Interessant ist auch Floyds Beitrag im Buch „Ada Lovelace. Die Pionierin der Computertechnik und ihre Nachfolgerinnen“, wo sie über Dissertationen von Frauen in der Informatik schreibt.

2012 wurde Christiane Floyd (2.v.l.) zur Honorarprofessorin der TU Wien bestellt. (C) TU Wien
2012 wurde Christiane Floyd (2.v.l.) zur Honorarprofessorin der TU Wien bestellt. (C) TU Wien

Seit der Expo 2000 hat Christiane Floyd ihre Liebe zu Äthiopien entdeckt. Hier unterstützt sie den Aufbau eines IT-Netzwerks europäischer Professorinnen und Professoren sowie eines IT-Promotionsstudiengangs an der Internationalen Frauenuniversität. „Ich bin zur Zeit sehr engagiert in Addis Abeba und habe auch sonst Lust zu reisen“, schwärmte sie in einem Interview. „In dieser Situation ist es für mich in Ordnung, dass der Großteil meiner Besitztümer eingelagert ist. So fühle ich mich leicht und schwebend. ‚You should follow your heart‘, wurde mir kürzlich in Äthiopien geraten, und so will ich es auch halten.“

Europas Computerfrauen treffen sich im Oktober in Berlin

Am 13. und 14. Oktober findet in Berlin zum zweiten Mal das „Ada Lovelace Festival“ statt, die europaweit einzige Crossover-Plattform für Frauen im IT-Business. Bild: Screenshot der Webseite, (C) wiwo.konferenz.de/ada
Am 13. und 14. Oktober findet in Berlin zum zweiten Mal das „Ada Lovelace Festival“ statt, die europaweit einzige Crossover-Plattform für Frauen im IT-Business. Bild: Screenshot der Webseite, (C) wiwo.konferenz.de/ada

Übrigens: Unsere Reihe „Computerfrauen“ begleitete ein Stück weit die gleichnamige Ausstellung in Paderborn, in der man zum Beispiel die STEPS-Methode an einer Installation spielerisch entdecken konnte. Im Anschluss wird Christiane Floyd sicher auch dem nächsten Highlight des Jahres beiwohnen: Am 13. und 14. Oktober findet in Berlin zum zweiten Mal das „Ada Lovelace Festival“ statt, die europaweit einzige Crossover-Plattform für Frauen im IT-Business. Die Fachkonferenz bietet u.a. spannende Keynotes, interaktive Diskussionen und Workshops und präsentiert neueste Branchentrends, Forschungsergebnisse, Geschäftsideen und Erfolgsgeschichten.

„Nicht zu vergessen“, schließt die Ankündigung der Konferenz auf der Webseite, „die Energie, die entsteht, wenn Hunderte Frauen zusammenkommen, für die IT nicht nur ein Beruf, sondern eine Leidenschaft ist!“

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