Operation am offenen PC-Herzen

Am offenen PC-Herzen
Noch geht’s dem Patienten gut – mal sehen, ob er die OP überlebt…
Diese ganzen jungen Hüpfer und Hipster denken ja, wir Digisaurier wären alle schwerhörig. Das mag stimmen, aber mit dem Alter wird der Mensch auch geräuschempfindlicher. So kann einem älteren PC-Benutzer schon das Säuseln der Festplatte auf den Geist gehen. Bei meinem ollen Acer war’s noch schlimmer: Über die Jahre waren die Lager des Prozessor-Lüfters verschlissen, und dieser lebenswichtige Ventilator veranstaltete zunehmend einen Heidenkrach. Nun stammt das schicke schwarze Schätzchen aus dem Jahr 2008, da könnte man über eine vorzeitige Pensionierung samt Entsorgung und Ersatzkauf nachdenken. Habe ich auch getan. Vor allem im Hinblick auf die Frage: Desktop-PCs – ja gibt’s denn die überhaupt noch?

Einfach in irgendeinen Laden zu gehen, um sich ne neue Windows-Kiste zu kaufen, hat sich bekanntlich erledigt. Bei den Saturns und Mediamärkten, den Electronic Partnern und sonstige Ketten finden sich regalweise Laptops (die heute aus unerfindlichen Gründen ALLE „Notebooks“ heißen, auch wenn sie eine Display-Diagonale von 17 Zoll aufweisen) und Tablets, aber keine Maxi-, Midi-, Mini- oder Mikro-Tower. Bestenfalls diese All-in-One-Dingern, bei denen die Intelligenz irgendwo hinten im Monitor lebt. Einem echten Digisaurier dreht sich da der Magen um, denn an all diesen Maschinen kann er nichts mehr selbst aufrüsten, geschweige denn reparieren. Okay, die armen Mac-User, die kennen das schon länger und zahlen gern das Doppelte dafür, dass sie der Ersatz eines Akkus 100 Ocken kostet, wovon 60 Euro Arbeitslohn sind…

Auf der Suche nach dem lautlosen PC
Wie gesagt: Ich hätte dem ollen Acer auch Tschüss sagen können. Tatsächlich hatte ich einen 17,3-Zoll-Laptop in Erwägung gezogen; auch weil mich das öfter vom Schreibtisch gelockt hätte, an dem bisher eben der Desktop-PC mit seinem 23-Zoll-Monitor-Kollegen von LG Dienst geschoben haben. Aber das hätte meinem kleinen EeePC weh getan, der ja auch schon seit 2010 seine Rolle als Mobil-Computer mit Bravour spielt – natürlich mit Ubuntu-Linux als Betriebssystem. Also machte ich mich auf die Suche nach einem leisen, ja, besser noch: lautlosen PC. Die gibt es. Von allerlei Spezialherstellern, von Herstellern, die nur Firmen beliefern, und aus China. Nun ist mein Mandarin so eingerostet, dass ich selbst mit Googles freundlicher Übersetzerhilfe wenig von dem verstand, was diese Anbieter mir zu sagen hatten. Und die anderen waren vor allem eins: sauteuer.

Ich begann mich schlau zu machen, was denn einen PC lautlos bzw. leise macht. Andersrum ausgedrückt: Was in und an einer solchen Kiste Geräusche macht. Hauptkrachmacher sind die Lüfter. Meistens gibt es dann von zwei, manchmal drei. Einer sitzt am Netzteil und rödelt im immergleichen Tempo relativ geräuscharm vor sich hin. Immer zu hören sind die Ventilatoren, die dem Prozessor bzw. seinem Kühlteil kalte Luft zufächeln. Und wenn der Grafikchip zur Super-Duper-Gamer-Kategorie zählt, trägt der bisweilen auch ein Schaufelrädchen. Und dann ist da noch die Festplatte, die regelmäßig wispert, wenn von irgendwem irgendwie und oft aus unerfindlichen Gründen Daten geschaufelt werden.

Alles dreht sich, alles bewegt sich
Daraus wird klar: Geräusche macht, was sich dreht. Das liegt ganz einfach daran, dass die Bewegung einer Achse in ihrer Lagerung immer ein gewisses Spiel hat, so dass die Belastung ungleichmäßig ist, was zu Tönen führt. Die fast unvermeidbare Unwucht des sich drehenden Teils tut ein Übriges. Wer also Ruhe im PC-Karton anstrebt, eliminiert alles, was sich dreht.

Das ist – SSD sei dank! – bei der Festplatte das kleinste Problem. Die Abkürzung steht für „Solid State Disk“ und ist eine Lüge, weil in einem solchen Speicher keine Scheibe mehr zu Werke geht, sondern nur noch elektrisierte Moleküle flitzen. Im Prinzip sind die aktuellen SSDs festplattenförmige USB-Sticks mit richtig viel Kapazität. Zu allem Überfluss arbeiten diese Dinger sauschnell und wirken selbst bei der ältesten PC-Kiste wie Doping. Auch das wollte ich haben, denn die Festplatte im Acer stammte aus der ersten SATA-Generation und brauchte zum Starten von Windows mittlerweile etliche Minuten (…nicht Sekunden…).

Nun wollte ich den ollen Acer nicht komplett neu aufsetzen, denn sowohl sein Windows (inzwischen Version 7), als auch der Rest der Software-Mannschaft wurden immer bestens gepflegt; und es heißt ja: never change a gut laufende Konfiguation. Zum Glück sind die Anbieter von SSDs schlau genug, passende Kits anzubieten, mit denen der Umstieg auf die bewegungslose Festplatte einfach wird. Ich wollte und brauchte 256 GB – so wenig? mag mancher meinen, aber Daten muss das arme Ding nicht speichern; die sind alle auf dem heimischen NAS abgelegt und in den Wolken. In der Projektkommunikation mit Kunden setze ich auf Dropbox, der private Kram liegt in einer auf Island gehosteten Owncloud-Installation (dazu ein ander Mal mehr). Nach einigem Vergleichen entschied ich mich für ein Kit von Kingston, das überall für um die 150 Euro angeboten wird.

Platte raus, SSD rein
Diese Kombi besteht – ähnlich wie bei anderen Anbietern – aus der SSD in einem Gehäuse für den Gebrauch als externe Festplatte, einem Rahmen zum Einbau in einen PC sowie der wunderbaren Acronis-Software namens TrueImage, mit der man eine Festplatte 1:1 klonen kann. Das Procedere ist nicht überraschend: Zuerst wurde die SSD als externe Platte per USB mit dem ollen Acer verbunden, auf dem TrueImage bereits installiert war. Dann klonte die Software den Inhalt der alten internen Disk auf die neue SSD. Die SSD habe ich dann aus ihrem Gehäuse befreit. Dann wurde die altgediente Harddisk aus dem PC ausgebaut und durch die das neue Teil ersetzt. Natürlich habe ich den ausgedienten Kollegen in das Kingston-Gehäuse verpflanzt, wo er zunächst als Backup für das Gesamtsystem wirkt. Später soll die olle Drehscheibe dann für Datensicherungen eingesetzt werden. Das alles funktionierte auf Anhieb und einwandfrei. Das Hochfahren des Systems von der SSD dauert übrigens nur noch eine knappe halbe Minuten, und Geräusche gibt das reinelektronische Teil überhaupt nicht von sich.

Da der Quirl im Netzteil so gut wie geräuschlos arbeitete und es keinen gekühlten Grafikchip im ollen Acer gab, ging es nun an den Ersatz des Original-Lüfters – dem Bösewicht, der für permanenten Radau im Büro sorgte. Die Achse des Propellers ist wie üblich kugelgelagert, aber natürlich verwendet der Hersteller aus Kostengründen keine Metallkugeln und auch keine Metallführung. Dass dieses Billigstlüfterchen über sechs Jahre leise lief, rechne ich ihm hoch an. Aber jetzt musste es weg.

Auf der Suche nach dem passenden Lüfter
Wer jetzt aber denkt, man könne einfach einen Prozessorlüfter im gutsortierten PC-Ersatzteilhandel ordern, irrt. Es muss erstens exakt derselbe sein, der eingebaut war, und der wird zweitens nach soooo vielen Jahren nicht mehr hergestellt. Es begann eine mehrtägige Odysee durch die unendlichen Weiten des Internets. Auf dem amerikanischen eBay fand ich Angebote gebrauchter Everflow-Ventilatoren; der Preis lag meist jenseits von 25 USD – bei einem Teil, das im Einkauf selten teurer als zwei, maximal drei Euro ist! Angesichts des zu zahlenden Zolls und vor allem der nervenaufreibenden Prozeduren beim Verzollen verzichtete ich dankend.

Und stieß auf einen zunächst dubios erscheinenden und spezialisierten Lüfter-Shop mit Sitz im Vereinigten Königreich, aber vielen chinesischen Schriftzeichen im Impressum. Weitergehende Recherchen ergaben aber, dass es sich quasi um den Direktvertrieb der Firma handelt, die solche Lüfter für den „Hersteller“ Everflow baut. Da war ich beruhigt und bestellte gleich zwei solcher Ersatzteile für zusammen 30 Pfund plus 10 Pfund Versandkosten.

Und so kam es dann zur Operation am offenen PC-Herzen. Solch ein Midi-Gehäuse vom Baujahr 2008 ist ganz schön vollgestopft. Um zum Beispiel die Festplatte auszubauen, muss der Kühlkörper samt Lüfter vom Prozessor abgebaut werden. Wenn man aber dieses Rippenungeheuer vom Herzstück des PC abbastelt, beschädigt man unweigerlich die Schicht aus Wärmeleitpaste, die dafür sorgt, dass die Hitze vom Hirn auf den Kühlkörper übergeht. Setzt man das Ding wieder auf den Prozessor, wird nicht mehr richtig gekühlt. Also muss die Paste ersetzt werden. Das geht nur, wenn sowohl auf der CPU, als auch am Kühldings die Reste der alten Paste entfernt werden. Und dazu braucht man … Spezialmittelchen! Die zu bestellen hatte ich vergessen. Weil die Chemie aus irgendeinem Grund aus der Schweiz geliefert werden sollte, verzögerte dieses Versäumnis die OP um zwei Wochen.

Rundum-Erneuerung für unter 200 Euro
Aber dann ging alles ratzfatz. Kühltum ab. Alte Harddisk raus. Neue SSD rein. Wäremleitpaste auf Prozessoroberseite und am Kühlkörper auftragen. Rippenungeheuer auf die CPU aufsetzen und mit dem Motherboard verschrauben. Neuen Lüfter oben auf dem Kühlkörper aufsetzen und verschrauben. Lüfterkabel zur Stromversorgung und Steuerung einsteckern. Fertig. Der Moment der Wahrheit war zunächst frustrierend, den die Thermosteuerung des Quirls arbeitete nicht. Normalerweilse gibt ein Fühler das Startsignal, wenn eine gewisse Temperatur am Kühlkörper erreicht ist, was aber zunächst nicht funktionierte. Ursache war ein Pin am Kabel, der leicht verbogen war. Nachdem ich den gerichtet hatte, lief alles wie es sollte.

Zugegeben: Lautlos ist der olle Acer nicht geworden, aber sehr, sehr leise. So leise, dass ich mit meinem alten, elektronischen Freund noch ein paar Jahre werde leben können. Denn für Windows 10 ist er in seinem jetzigen Zustand bestens vorbereitet. Und – wer weiß – vielleicht spendiere ich ihm ja noch eine RAM-Aufrüstung auf 8 GB. Ob und wie das geht, muss ich angesichts der vorhandenen und komplett besetzten Speicherbänke erst noch herausfinden.

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