Robert Norton Noyce - (1927~1990) Gründer von Fairchild und Intel (Foto: Intel)

Computerhelden (18): Bob Noyce – der Bürgermeister des Silicon Valley

Als ich kürzlich eine ausgezeichnete, wenn auch aus streng US-amerikanischer Sicht gezeichnete Dokumentation über die Geschichte des Silicon Valley sah, fiel mir auf, dass in unserer Serie über die Computerhelden viel zu wenig Hardware-Magier vorkommen. Dass die Wahl dann auf Robert Norton Noyce, den alle nur Bob nannten, fiel, war logisch. Denn der Mann, der 1990 mit 62 Jahren viel zu früh von uns ging, hatte auf die Geschichte der Computer-Hardware vielleicht mehr Einfluss als irgendein anderer. Das hat vor allem damit zu tun, dass der gute Bob nicht bloß ein zerstreuter Professor im weißen Kittel war, sondern auch der Erfinder der speziellen Wirtschaftsweise des Silicon Valley.

Seinen Doktortitel erlangte er übrigens 1953 am legendären Massachusetts Institute of Technology (MIT), das damals noch vorwiegend in Sachen Rüstung und Raumfahrt forschte und lehrte. Möglicherweise hat dieser Bob Noyce auch einen entscheidenden Anteil daran, dass das MIT ab Mitte der Siebzigerjahre zu einem wichtigen Thinktank der Digitalisierung wurde. Jedenfalls war er nun Ingenieur bei Philco, dem führenden Unternehmen der Fernsehtechnik, auf dessen Konto in jenen Jahren fast alle Fortschritte bei der Kathodenstrahlröhre gingen.

Bob Noyce - sein entscheidendes Patent (via patents.googlr.com)
Bob Noyce – sein entscheidendes Patent (via patents.googlr.com)
Entscheidend für seinen weiteren Weg war aber, dass Bob Noyce sich 1956 dem Team von William Shockley anschloss, dem wegen seiner Erfindung des Transistors frisch mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichneten Forscher, der leider neben dieser Lebensleistung eher abwegige Theorien bis hin zu einer kruden Rassenlehre vertrat. Kein Wunder also, dass Noyce nur wenig länger als ein Jahr dort blieb. Aber, er war nicht allein mit seiner Abneigung – mit ihm gingen weitere sieben Kollegen. Diese „Traitorous Eight„, eine Bande Kerle um die Dreißig mit ganz unterschiedlicher familiärer Herkunft, gründeten noch im selben Jahr in San Jose, Kalifornien, das Unternehmen Fairchild Semiconductor.

Die Fairchild Eight - Bob Noyce ganz rechts (Foto:  © Wayne Miller/Magnum Photos)
Die Fairchild Eight – Bob Noyce ganz rechts (Foto: © Wayne Miller/Magnum Photos)

Es war der erwähnte Mr. Shockley, der die brandneue Transistortechnik in Bay Area bei San Francisco brachte, aber die Gründung von Fairchild kann als Geburtsstunde dessen, was wir „Silicon Valley“ nennen betrachtet werden. Mehr noch: Fast alle namhaften Firmen auf dem Hardwaresektor stammen auf irgendeine Weise von Fairchild ab, denn sieben der acht „Verräter“ (die man freundlicher auch Fairchildren, Shockley Eight oder Fairchild Eight nannte) gründeten später eigene Unternehmen. So auch Bob Noyce gemeinsam mit Gordon Moore: ihr Laden hieß Intel und sollte in der Geschichte des Personalcomputer eine entscheidende Rolle spielen.

Der Fairchild-Stammbaum - mit den wichtigsten Spin-offs (Abb: pointthegap.com)
Der Fairchild-Stammbaum – mit den wichtigsten Spin-offs (Abb: pointthegap.com)

Aber auch Fairchild Semiconductor selbst gründete Dutzende von Tochterfirmen nach dem Motto: „Wenn es etwas auszuprobieren ist und es nach einem Geschäftserfolg aussieht, gründen wir zwei, drei neue Companies.“ Das führte einerseits dazu, dass die Eigeninitiative der durchweg jungen Mitarbeiter durch die Aussicht auf ein eigenes Unternehmen massiv stimuliert wurde, und andererseits zur Bildung eines Knowledge-Netzwerks wie es die Geschichte aller Technologien noch nie gesehen hatte.

Bob Noyce mit einem frühen Motherboard (Foto: Intel via Wikimedia)
Bob Noyce mit einem frühen Motherboard (Foto: Intel via Wikimedia)

An dieser Stelle komme ich in Gedanken beinahe immer auf die Automobilindustrie, die im Vergleich rettungslos altmodisch wirkt. Dies überhaupt im Vergleich zur Informationstechnologie, in deren Entwicklung nicht nur Physik und ein bisschen Chemie eingeflossen sind, sondern fast die ganze Bandbreite menschlichen Forschungsgeist – von der Mathematik (Leibniz et al.) über die Philosophie bis hin zur Physik und Chemie. Es ist dieser Dualismus aus Software und Hardware, der aus diesen Quellen entsprungen ist und das ausmacht, was heute die umfassende Digitalisierung ermöglicht.

Robert Noyce und Gordon Moore - die Intel-Gründer (Foto: Intel)
Robert Noyce und Gordon Moore – die Intel-Gründer (Foto: Intel)

Das hat Bob Noyce leider nicht mehr miterlebt. Seine Haltung gegenüber dem Personalcomputer war zwiespältig. Als Unternehmer sah er einen gewaltigen Markt mit gigantischem Wachstumspotenzial, als Forscher betrachtete er die Idee, dass jeder Angestellte oder gar jeder Bürger einen eigenen Computer zur Verfügung haben sollte, mit Skepsis. Aber schon ab ungefähr 1975 interessierte ihn die Technologie deutlich weniger als die Kunst der Unternehmensführung. Bis heute wird unterschätzt, wie sehr die Firmenkultur von Intel in jenen Jahren den Umgangston im Silicon Valley geprägt hat, denn die Mitarbeiter erlebten dort einen kreativen Freiraum, den es vorher in amerikanischen Unternehmen nicht gegeben hatte; auch das Konzept der Belohnung mit Firmenanteilen hat seine Wurzeln schon bei Fairchild. Ja, selbst das Prinzip des Risikokapitals stammt aus diesem Dunstkreis.

Dass man Boby Noyce den Spitznamen „Mayor of Silicon Valley“ angehängt hat, wird ihn nicht sonderlich interessiert haben, denn eitel war er überhaupt nicht. Auch wenn er zu Lebzeiten zu den fünf reichsten Männern der ganzen Bay Area zählte, Ferraris und andere Superautos sammelte und mehrere Flugzeuge besaß, tauchte er in der Öffentlichkeit ausschließlich im Zusammenhang mit Wirtschaftsnachrichten auf. Leider haben sich die heutigen Superstars à la Elon Musk und Peter Thiel an dieser Bescheidenheit nicht orientiert.

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