Niklaus Wirth - Datum der Aufnahme unbekannt (Foto: Heidelberg Laureate Forum)

Computerhelden (24): Niklaus Wirth – nicht bloß der Vater von Turbo Pascal

Für nicht wenige Digisaurier, also Menschen, die sich schon in den Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts mit dem Digitalen befassten, ist Niklaus Wirth (* 15.2.1934 †1.1.2024) eine beinahe mystische Figur. Genau wie das Kürzel „ETH“ für etwas irgendwie Fortschrittliches steht. Zumal beides zur Schweiz gehört, und die hat man in Sachen Informatik zunächst im Blickfeld. Das schweizerische Ingenieurswesen dagegen schon. Und so rundet sich alles: Die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) zu Zürich, das dortige Departement Informatik (D-INFK) und dessen Mitgründer Prof. em. Niklaus Wirth, der allerdings in den erwähnten Kreisen vor allem (wenn nicht ausschließlich) durch die von ihm entwickelte, strukturierte und hochelegante Programmiersprache Pascal bekannt ist.

Und das ist ein bisschen ungerecht. Denn der Träger des Turing-Awards von 1984 hat in seinen 31(!) Jahren als Professor an der ETH viel mehr Dinge der Computerei in Gang gesetzt. Das wird schon in der Laudatio zum Turing-Award deutlich, wo nicht darauf abgehoben wird, dass er die Programmiersprachen Euler, Algol W, Pascal und Modula entwickelt hat, sondern seine Rolle als Pionier der Ausbildung von Informatiker:innen herausgestrichen wird. Kein Wunder, dass in den 31 Jahren seiner Lehrtätigkeit ganze Horden bekannter Vertreter:innen dieses Berufs von der ETH kamen und in alle Welt ausschwärmten.

Niklaus Wirth und seine Begeisterung für Flugzeuge (Foto: ETH Zürich)
Niklaus Wirth und seine Begeisterung für Flugzeuge (Foto: ETH Zürich)

Niklaus Wirth als Tüftler zu bezeichnen, dürfte ihm auch zu Lebzeiten nicht wehgetan haben, denn sich brauchbare Sachen auszudenken und in Realität zu verwandeln, war schon in seinen Kindertagen die Lieblingsbeschäftigung. Seine erste Begeisterung – und damit war er unter Altersgenossen sicher nicht allein – galt der Fliegerei, der Technik von Flugzeugen insbesondere. An diesem Thema hat er bis ins hohe Alter festgehalten und sich als Flugmodellpilot einen Namen in den einschlägigen Kreisen gemacht.

Was ihn aus der Versammlung anderer Computerhelden ein bisschen heraushebt, ist, dass er Soft- und Hardware gleichzeitig gedacht und in Bezug zueinander entwickelt hat. Bestes Beispiel dafür ist das von ihm und seinen Student:innen gebaute Computersystem Lilith von 1980(!). Die Maschine arbeitete mit einem eigenen Betriebssystem auf Modula-Basis, hatten ein Hochformat-Bitmap-Bildschirm, eine fensterorientierte Benutzeroberfläche und eine Maus. Das alles riecht nach XEROX PARC, und, richtig, dort hat sich Niklaus Wirth inspirieren lassen – so wie außer ihm auch Steve Jobs und Bill Gates.

Niklaus Wirth und seine Lilith (Foto: ETH Zürich)
Niklaus Wirth und seine Lilith (Foto: ETH Zürich)

Dabei war er eigentlich nach Kalifornien gegangen, um die anderen Vorreiter der strukturierten Programmierung – Edsger Dijkstra und Tony Hoare – kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen. Aus dieser Begegnung entstand eine lebenslange Freundschaft. Weil aber – siehe oben – Wirth immer gleichzeitig an Software und Hardware interessiert war, brachte ihn die Begegnung mit dem XEROX-Alto-System auf die richtigen Gedanken. Weil er aber immer zuerst Techniker, Forscher und Lehrer war, aber kein bisschen Marketingmann, blieben Lilith und deren Nachfolgesystem namens Ceres reine Forschungsmaschinen. Dabei hätten sie Anfang der Achtzigerjahre vielleicht das Zeug gehabt, den aufkommenden Markt der kleinen Computer aufzumischen und noch vor dem Macintosh als benutzerfreundliche Rechner erfolgreich zu sein. Wer weiß…

Ob es Niklaus Wirth war, der den Logitech-Gründer Daniel Borel und seine Freunde mit dem Maus-Fieber infiziert hat, ist nicht klar, denn Borel & Co. haben in Stanford studiert, und da war XEROX Parc auch nicht weit… Jedenfalls war er zumindest mental am Entstehen des einzigen Computerunternehmens mit Schweizer Geburtsurkunde beteiligt.

Im folgenden Video gibt Niklaus Wirth tiefgehende Einsichten in sein Leben und Wirken – es besteht aus drei Folgen und wurde zum 40-jährigen Jubiläum des D-INFK der ETH produziert:

[Bildnachweise – Titelbild: Niklaus Wirth privat via Heidelberg Laureate Forum (HLF); Niklaus Wirth und Flugzeuge: ETH Zürich; Niklaus Wirth und Lilith: ETH Zürich]

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