Die Glotze ist tot. Es lebe das Streaming!

kinokinoMit viel Prominenz aus Film, Funk und Fernsehen beging der US-amerikanische Streaming-Dienst Netflix Mitte September 2014 seinen Deutschlandstart. Auch die Medien griffen dieses Ereignis auf und taten teilweise so, als sei es völlig neu, dass man sich Filme und Serien auf den Computer, das Tablet oder das Smart-TV streamen lassen könnte. Denn schon seit mehr als drei Jahren gibt es Anbieter, die dem linearen Fernsehen von gestern mit einer echten Alternative beikommen. Das Prinzip ist simpel: Im Web (oder einer entsprechenden) App sucht man sich aus, was man sehen möchte und bestellt den entsprechenden Film oder die gewünschte Serienfolge. Dann bezahlt man und kann sich das Wunschvideo anschauen. Das bieten in Deutschland u.a. Videoload (Angebot der Telekom), Maxdome, Watchever, Sky Snap, Amazon Instant Video (ehemals Lovefilms) und ungefähr acht speziellere Dienste (z.B. Alleskino). Während man aber z.B. bei Videoload immer nur einzelne Filme buchen kann, lassen sich Netflix, Maxdome, Watchever, Sky Snap und Prime Instant Video (Amazon) per Monats-Flatrate und im Abo nutzen.
Flatrate bedeutet hier: Wer eine solche Monatspauschale gebucht hat, kann in diesem Zeitraum so viele Filme anschauen wie er/sie will. Dies immer in Form eines Abos – Laufzeiten und Kündigungsfristen unterscheiden sich dabei genauso wie die Preise.

Die Preise
Netflix, der Neuling, hat auch seine US-Konditionen über den großen Teich mitgebracht. Je nachdem auf wie vielen Geräten und ob man die Videos in HD-Qualität sehen möchte, kostet die Monats-Flatrate zwischen 8 und 12 Euro. Das entsprechende Abo läuft so lange bis man es per Mausklick auf der Netflix-Website kündigt. Ähnlich geht das bei Watchever, Sky Snap und Amazon Instant Video – bei Maxdome gilt eine Kündigungsfrist von 14 Tagen, und man muss zum Kündigen eine Festnetznummer anrufen. Mit 3,99 Euro pro Monat ist die Sky-Snap-Flatrate mit Abstand am günstigsten. Bei Maxdome und Amazon Instant Video sind es 7,99 Euro, Watchever ruft 8,99 Euro auf. Besonders günstig wird das Amazon-Angebot, wenn man eine Jahres-Flatrate namens Prime für 49 Euro kauft.

Unabhängig vom Anbieter werden die Spielfilme und Folgen von TV-Serien auf jedes Gerät gestreamt, das mit dem Internet verbunden ist. Bei Smartphones, Tablets und auch Smart-TVs läuft das über Apps, die alle Services für iOS und Android zur Verfügung stellen. Nur Netflix und Maxdome versorgen auch Windows-Phone-User mit eigenen Apps. Bei den internetfähigen Fernsehern liegt Samsung klar vorne: Alle vorgestellten Dienste sind per App auf Geräte dieses Herstellers zu holen. Bei allen anderen Smart-TVs gibt es jeweils eine Auswahl, aber nie die ganze Breite. Wohl dem, dessen Fernseher mit Apple TV oder Google Chromecast ausgestattet ist oder der Inhalte, die per Beam vom Smartphone oder Tablet übertragen werden, empfangen kann.

Blockbuster oder Arthouse, ist das die Frage?
Wer sich oder den mitreisenden Kindern während einer langen Zugfahrt, einer Autotour oder eines Flugs die Zeit medial vertreiben möchte, der wird sich über den Offline-Modus freuen. Damit können Filme auf das portable Gerät heruntergeladen werden und lassen sich auch ohne Internet-Verbindung anschauen. Dabei gelten aber bei allen Diensten erhebliche Beschränkungen; teils verbieten die Rechteinhaber den Download generell, teils gehört nur eine gewisse Anzahl Downloads zur Flatrate, und bei anderen Anbietern darf nur auf ein bestimmtes Gerät heruntergeladen werden.

Das jeweilige Angebot ist bei allen Streaming-Diensten enorm groß, wobei aber die großen Zahlen oft durch minderwertiges und abseitiges Material entstehen. Was ein Service anbietet, hängt davon ab, mit welchen Anbietern er Verträge geschlossen hat und wie diese gestaltet sind. Sowohl bei Watchever, als auch bei Maxdome ändert sich der Bestand kontinuierlich, was bedeuten kann, dass ausgerechnet der Streifen für den Abend plötzlich nicht mehr da ist. Immerhin werden Filme, die nicht mehr lange verfügbar sind, in besonderen Listen angezeigt. Leider spiegeln die Spielfilmbestände der Dienste die seit Jahren herrschende Situation rund um das Kino überdeutlich wieder: Hollywood-Material jeder Qualität ist großflächig vorhanden, wobei vor allem zweitrangige Actionstreifen und fragwürdige Komödien die Masse machen. Immerhin kategorisieren Watchever und Maxdome den Bestand so, dass „gute“ Filme unter dem Etikett „Arthouse“ erscheinen.

Wer nach Blockbustern sucht, wird sich mit den Kinohits begnügen müssen, die mindestens ein Jahr alt sind – die Vermarktung per Streaming kommt nämlich erst dann in Frage, wenn ein Streifen nicht mehr in den Lichtspielhäusern Geld verdient und auch der Abverkauf von DVD und Blu-Rays nachgelassen hat. Auch eine eventuelle Auswertung per Fernsehrechte verhindert, dass ein Erfolgsfilm schnell bei den Streaming-Diensten auftaucht. Im direkten Vergleich zeigen sich dramatische Unterschiede auf diesem Sektor. Netflix ist naturgemäß fast vollständig auf US-Filme beschränkt; nur ausländische Streifen, die auch in den USA so etwas wie Blockbuster waren, stehen zur Verfügung. Maxdome und Sky Snap legen den Schwerpunkt ebenfalls auf Hollywood, Watchever als Anbieter mit französischen Wurzeln hat die breiteste Auswahl an europäischen Filmen und liegt auch im Arthouse-Sektor vorne.

Für Serien-Junkies
Bei den TV-Serien ist die Situation völlig anders. Hier hat Netflix eindeutig die Nase vorn. Nicht nur das beinahe alle US-Erfolgsserien der vergangenen zehn Jahre verfügbar sind, Netflix produziert sogar eigene Serien und zeigt sie exklusiv. Leider sieht es bei den anderen Streaming-Diensten nicht so rosig aus: Entweder es stehen nicht alle Staffeln zur Verfügung oder die Auswahl hängt vollkommen von der Vertragslage ab. So scheint Watchever einen Deal mit Disney zu haben, während Sky Snap große Teile des HBO-Katalogs im Angebot hat.

Fazit: Keiner der Streaming-Dienste deckt alle Wünsche aller Film- und Serienfans ab. Und was Netflix zu bieten hat, ist den Angeboten der anderen nicht so überlegen, dass die Konkurrenten einpacken könnten. Deshalb dürfte es darauf hinauslaufen, zwei oder mehr Flatrates zu buchen. So sollten Menschen, die TV-Serien mögen und es lieben, sich mehrere Folgen am Stück anzuschauen, Netflix und Sky Snap als Dream-Team ins Auge fassen. Wer auf Hollywood-Spielfilme steht, ist mit der Kombination aus Maxdome und Netflix bestens bedient. Für Cineasten, die nicht nur Action und Comedy wollen, sind Prime Instant Video und Watchever dringend zu empfehlen. Überhaupt: In Sachen Spielfilm, aber auch Dokus in Spielfilmlänge, führt sowohl an Amazons Dienst, als auch an Watchever kein Weg vorbei.

Die Erfahrung von Leuten, die schon länger Abos von Streaming-Diensten haben, zeigt wie schnell und massiv sich dadurch der Medienkonsum ändert: Der DVD-/Blu-Ray-Player setzt Staub an, und das normale Fernsehprogramm besteht nur noch aus Nachrichten, Fußball und ein bisschen Quizshow. Nur wenn ein Sender einmal einen Lieblingsfilm zeigt, den kein Anbieter im Programm hat, wird die Glotze zum Kinoersatz – oder der Streifen wird aufgezeichnet und dann im Rahmen des traditionellen Videoabends genossen.

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