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Die weltweit wichtigsten Websites (1): Internet Archive – die größte Fundgrube der digitalen Welt

Das schon 1996 von Brewster Kahle gegründete Internet Archive ist so groß, dass es einem Angst machen kann. Dabei ist es hierzulande als Fundgrube digitaler Zeugnisse nur wenig bekannt; nur die legendäre Wayback Machine ist eine Institution, die von Digitalmenschen deutscher Sprache auch gern und häufig genutzt wird. Und damit begann es auch. Kahles Idee war es, die Websites im WWW zu archivieren, was anno 1996 schon nach einer Monsteraufgabe klang. Das es einmal rund 350 Milliarden solcher Websites sein würden, die dort mit ihren verschiedenen Versionen auffindbar sind, konnte niemand ahnen. Aber dieses gigantische Archiv bietet noch viel, viel mehr.

Mehr Bücher als ein Mensch je lesen könnte

Der Zugang zur Open Library
Der Zugang zur Open Library
Unfassbare 15 Millionen Texte – bei den meisten handelt es sich um englischsprachige Belletristik und Fachliteratur – sind über das Internet Archive frei zugänglich. Immer hin 550.000 davon liegen schon in Form von e-Books vor, die man mit einem der bekannten e-Reader lesen kann. Zugegeben: Es ist nicht leicht, einen gewünschten Titel in diesem Riesenhaufen zu finden, und zum Stöbern ist diese digitale Bibliothek einfach zu groß. Auch nicht besonders hilfreich ist die Aufteilung nach den Quellen-Bibliotheken, denn woher soll man wissen, ob dieses oder jenes Buch von (beispielsweise) Timothy Leary aus einer kanadischen oder US-amerikanischen Library stammt. Und im freien Textarchiv wird es dann auch schnell unappetitlich. Natürlich haben irgendwelche amerikanischen Neonazis Hitlers „Mein Kampf“ eingestellt, und „Fans“ der deutschen Wehrmacht kippen unablässig irgendwelche SS-Tagebücher hinein. Auch massenhaft in vielen Ländern aus anderen Gründen indizierte Texte liegen vor. Der Bestand von knapp 500.000 Titeln in deutscher Sprache umfasst immerhin beinahe den gesamten Kanon der deutschen Literatur von Gutenberg bis heute.

Das gesamte Textarchiv unterteilt sich in das, was digital vorliegt, und die sogenannten „Open Library„, die in Wahrheit eine dezentrale Bücherei ist; dort kann man nach Titeln suchen und bekommt angezeigt, wer das Buch wo anbietet. Hat man einen Open-Library-Account, kann man sich den gewünschten Titel dann ausleihen. In der Sammlung der „freien Texte“ gibt es dann noch die Ausleihe von e-Books („Books to Borrow„); auch dafür muss man einen Account eröffnen. Obwohl diese elektronischen Titel digital vorliegen, kann ein Buch nur ausgeliehen werden, wenn es gerade niemand anderes ausgeliehen hat. Ist das der Fall, kann man sich auf die Warteliste setzen. Oft lohnt sich das Warten, denn in diesem Teil der Bücherei finden sich viele wunderbare, längst vergriffene Titel – insbesondere Bild- und Kunstbände -, die es woanders nicht mehr gibt.

Ein Paradies für Cineasten

Ein Themenpark in der Videothek
Ein Themenpark in der Videothek
Im „Moving Images Archive“ stecken rund fünf Millionen… ja, was? Dokumente aus bewegten Bildern, darunter etwas mehr als 22.000 Spielfilme, die man sich direkt im Browser ansehen (oder mit den üblichen Methoden auf den Fernseher streamen) kann. Damit wird das Internet Archive zu einem Paradies für Cineasten, vergleichbar nur noch mit den großen und berühmten Cinematheken in Paris und Los Angeles. Gerade bei den Spielfilmen aus den Jahren vor 1950 findet man Juwelen, die sonst nirgendwo digital zu haben sind. Herunterladen lassen sich die Streifen (mit legalen Mitteln) nicht, dafür kann man sie sich so oft anschauen wie man will. Verlorengehen kann man zudem im TV-Archiv, in dem das US-amerikanische Fernsehen bis weit zurück in die 50er in Form von rund 1,7 Millionen Clips archiviert ist. Deutsche Sendungen fehlen (noch) ganz, und der Bestand in anderen Sprachen ist gering.

Ergänzt wird das durch Hunderttausende mehr oder weniger wichtige Dokumentarfilme, Musikvideos und allerlei unbedeutendes Zeug, das man so auch auf YouTube findet. Und weil auch dieses Archiv nicht einfach zu durchsuchen ist, wird einem manche Perle durch die Lappen gehen. Und leider haben auch hier miese Neonazis ihr menschenverachtendes Werk getan und praktisch alle in Deutschland verbotenen Propagandafilme der NS-Zeit untergebracht.

Unerhörte Musik ganz für lau

Das Live Music Archive mit der größten Sammlung Grateful-Dead-Aufnahmen
Das Live Music Archive mit der größten Sammlung Grateful-Dead-Aufnahmen
In der Audio-Abteilung warten mehr als fünf Millionen Audiodokumente auf geneigte Hörer. Innerhalb dieser Abteilung gibt es die Librivox mit haufenweise kostenlosen Hörbüchern (überwiegendst) in englischer Sprache, jede Menge Podcasts, aufgezeichnete Radiosendungen und historische Tondokumente jeder Art. Im Mittelpunkt aber steht die Musik. Da gibt es zum Beispiel das Live Music Archive mit über 200.000 Aufzeichnungen von Live-Konzerten jeder Musikrichtung; darunter findet sich eine Sammlung von mehr als 13.000 Live-Auftritten der legendären Band Greatful Dead – vermutlich umfasst sie jeden Gig der Truppe, der überhaupt auf Tonband oder Film gebannt wurde. Man hat Zugriff auf die sagenumwobene Abteilung für amerikanische Volksmusik der Library of Congress mit all den historischen Aufnahmen der Bluesmusiker der ganz, ganz frühen Jahren. Einer hat persönlich über 100.000 Schallplatten aus der Zeit vor 1960 digitalisiert und eingestellt.

Und damit ist die Wundertüte voller Musik, die in diesem Bereich des Internet Archive steckt, noch nicht einmal annähernd beschrieben.

Die klassischen Computerspiele der letzten 50 Jahre

Eine Wundertüte voll mit den berühmtesten Games
Eine Wundertüte voll mit den berühmtesten Games
In der Software-Abteilung ist die Mischung der archivierten Elemente vermutlich am verrücktesten. Freaks geben an, genau hier den Code-Schnipsel in C++ gefunden haben, nach dem sie Jahre lang gesucht haben. Andere meinen, in diesem Archiv fänden sie Programme und Anwendungen, die niemand mehr auf einer ollen Diskette hat. Die Attraktion sind aber die über 10.000 meist klassischen Computerspiele, wobei die ältesten fast schon 50 Jahre alt sind. Die Games liegen für die verschiedensten, auch für längst ausgestorbene Systeme vor; die Palette beginnt bei Pong-Variationen, reicht über die indizierten Ballerspiele und endet mit allerlei Sportsimulationen und Geschicklichkeitsspielen für Atari ST und Amiga noch lange nicht. Man kann sich die Sachen herunterladen, sollte aber beachten, dass nicht immer klar ist, ob und wer noch Rechte am jeweiligen Spiel hat – denn das ist im Software-Archiv (im Gegensatz zu den Abteilungen für Text, Bewegtbild und Audio) nirgends wirklich klar ersichtlich.

Besonders reizvoll, das erklärte einer, der schon seit den mittleren 70ern zu den Computerzockern zählt, ist der historische Vergleich. Also eine der ersten Doom-Versionen mit denen der Nullerjahre zu vergleichen oder sich davon zu überzeugen, wie viel komplexer die Handlungsstränge von Adventure-Games in all den Jahren geworden sind.

Gemischte Tüte Bilder

In der Grafikabteilung stecken über 3,3 Millionen Bilddateien jeglicher Art. Spannend sind vor allem die Sammlungen der Kunstmuseen – so bietet das Museum of Modern Art, NYC (MoMA) sage-und-schreibe über 140.000 Reproduktionen der dort vorhandenen Kunstwerke an. Drumherum aber findet man wirklich einen Kessel Buntes: von gescannten Filmplakaten über historische Fotos bis hin zu allerlei Hobbymalerei ist alles drin.

Sagen wir so: Ein erster Rundgang durchs Internet Archive lohnt sich für jeden, der in der digitalen Welt zuhause ist. Dabei sollte man aufpassen, sich nicht im Dschungel der Angebote zu verlieren, sondern zu sondieren, was wirklich entsprechend der eigenen Interessen von Bedeutung sein könnte. Erst danach lohnt sich die gezielte Suche. Und weil die Nutzung der Fundstücke oft davon abhängt, ob man einen Account hat, empfiehlt sich schließlich unbedingt die Registrierung auf Internet Archive. Das auch, weil man sich dann aktiv am Digitalarchiv beteiligen und möglicherweise vorliegende Digitaljuwelen der digitalen Welt zugänglich machen kann. Denn das Projekt Internet Archive hat sein Ende noch lange nicht erreicht.

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