Der legendäre Norton Commander

Die wichtigsten Tools des PC-Zeitalters (1)

Die Geschichte der Tools für den PC ist die Geschichte der Unzulänglichkeiten von MS-DOS und der ständig wachsenden Ansprüche der Nutzer. Wie wir Digisaurier wissen, standen am Anfang der PC-Ära Befehle zum Eintippen – und die hatten die DOS-Entwickler – nun, ja – bei CP/M geklaut. Bei der Entwicklung dieses in den Siebzigerjahren auf kleinen Computern extrem beliebten Betriebssystems standen wiederum die Verwaltungsprogramme für Stand-Alone-Computer wie die legendäre PDP-11 Pate. Solche Kisten wurden aber eben von Experten bedient, denen es nichts ausmachte, Dutzende Befehle mit Hunderten Parametern auswendig zu lernen. Otto Computeranfänger saß aber mit riesigen Fragezeichen auf der Stirn vor seinem frisch erworbenen IBM-Kompatiblen. Da kamen die vielen schönen Hilfsprogramme gerade recht, und manche von ihnen wie die PC-Tools oder der Norton Commander wurden zu wahren Stars am Softwarehimmel. Wir haben uns aber erst einmal Gedanken darüber gemacht, was die Entwickler solcher Tools angetrieben hat – denn es war nicht nur der Wunsch, den Usern das Leben zu erleichtern.

1. Gelöschte Dateien retten

Die Undelete-Funktion der Norton Utilities
Die Undelete-Funktion der Norton Utilities
Zack, mal eben „del*.*“ eingetippt, und schon waren alle Dateien in einem Verzeichnis im Orkus. Leider oft auch solche, die man gern noch behalten hätte. Und eigentlich war es auch kein Problem, solche gelöschten Daten wieder zu holen, denn ein radikales, spurloses Löschen kennt das Dateiverwaltungssystem von DOS nicht. Tatsächlich werden die betroffenen Dateien in der intern geführten Tabelle aller Files auf einem Datenträger nur als gelöscht markiert. Manipuliert man diese Tabelle, kann man den Löschvermerk rückgängig machen. Jedoch nur, wenn der Speicherplatz der gelöschten Dateien nicht schon durch neue Daten belegt sind. Einen Befehl namens „undel“ gab es im DOS nicht, also setzten sich mehrere schlaue Entwickler hin und erfanden Tools, mit denen die File-Tabelle bearbeitet werden konnte

Piriform Recuva - ein hochmodernes Datenrettungsprogramm
Piriform Recuva – ein hochmodernes Datenrettungsprogramm
Richtig berühmt wurde das „Entlöschen“ mit den Norton Utilities, einem Werkzeugkasten für MS-DOS, den Peter Norton ab 1978 teils noch selbst programmiert hat – speziell die Funktion zum Retten versehentlich gelöschter Daten. Tatsächlich war dies das erste Tool, das er entwickelt und seinen PC-Kumpels zur Verfügung gestellt hat. Weil es nicht besonders schwierig war, ein solches Progrämmchen zu basteln, „erfanden“ Dutzende anderer Freaks in der Folge dasselbe. Im nächsten Schritt kümmerten sich diese Programmierer darum, auch Dateien zu retten, deren Speicherplatz bereits teilweise überschrieben war – solche Tools sind auch heute noch im Zeitalter von Windows 10 als Datenrettungs-Tools im Einsatz. Das einfache „undelete“ ist dagegen seit der Einführung des Papierkorbs in Windows obsolet geworden.

2. Dateien umbenennen, kopieren und verschieben

Mal eben paar Dateien kopieren per DOS-Kommando
Mal eben paar Dateien kopieren per DOS-Kommando
Echte PC-Freaks konnten das mit verbundenen Augen: Irgendwelche Dateien von einem Verzeichnis ins andere schieben oder kopieren und Dateinamen zu verändern. Denn dafür gab es MS-DOS-Befehle. Aber je mehr sich in den Hirnen der Anwender die Metapher „Ordner“ anstelle von „Verzeichnis“ durchsetzte, desto stärker wurde der Wunsch der User nach einem Programm, mit dem sich diese Operationen anschaulicher und einfacher durchführen ließen. John Socha hieß der Bursche, der als erster eine solche Verwaltungsanwendung mit konziser Struktur und übersichtlicher Oberfläche entwickelte. Peter Norton kaufte es ihm ab, und so wurde 1986 der Norton Commander geboren.

Es gibt ihn immer noch, den guten, alten Total Commander
Es gibt ihn immer noch, den guten, alten Total Commander
Das Ding war so gut, dass Gerüchte behaupten, Microsoft habe sich bei der Dateiverwaltung für Windows am Norton Commander orientiert. Bewiesen ist das nicht, aber wenn man die allererste (kaum brauchbare) Version von Windows mit der ersten „richtigen“ (3.0) Version von 1990 vergleicht, dann könnte man auf diese Idee kommen. Tatsache aber ist, dass Dutzende Tool-Bastler mehr oder weniger verbesserte Klone des Commanders schrieben, von denen einige in der Public Domain landeten und dem „echten“ Norton Commander ein bisschen das Geschäft verdarben.

Die Festplatte beschleunigen

Norton SpeedDisk, die Mutter aller Defragmentierer
Norton SpeedDisk, die Mutter aller Defragmentierer
Als die PC-Kompatiblen noch ohne Festplatten auskommen mussten, war Geschwindigkeit beim Laden von Dateien noch kein Thema, weil man einfach nichts am lahmen Bit-Schubsen von der Floppy ins RAM ändern konnte. Das änderte sich mit der Verbreitung der Harddisk – und dem „need for speed“, den wir alle damals in uns verspürten. Es stellte sich schnell heraus, dass die besondere Eigenart von DOS, Dateien bröckchenweise auf der Festplatte zu verstreuen, für ständiges Suchaktionen und eine wachsende Anzahl an Bewegung der Schreib-Leseköpfe sorgte. Man sagte: Die Dateien sind fragmentiert. Tatsächlich sucht das Betriebssystem beim Speichern nach freien bzw. freigegebenen Sektoren, um dort die Bytes der zu speichernden Datei abzulegen; je mehr auf der Platte drauf ist, desto unwahrscheinlicher wird es, dass DOS große zusammenhängende Bereiche findet, in die es die Datei schreiben kann.

Defrag gibt's auch in der Windows-Systemverwaltung
Defrag gibt’s auch in der Windows-Systemverwaltung
Wieder war es Peter Norton, der eine brauchbare Lösung für das Problem fand und das Tool SpeedDisk entwickelte bzw. entwickeln ließ. Das Prinzip ist simpel, die Ausführung langwierig und kompliziert: das Programm schaut sich die Dateitabelle an, sammelt die Sektoren einer Datei ein, verschiebt andere Sektoren, sodass Platz für ein zusammenhängendes Speichern frei wird und schreibt dann die Bytes einer Datei dort hinein. Dieses fröhliche Hin- und Herkopieren und -Verschieben konnte bei einer gut gefüllten 10-Megabyte-Harddisk schon einmal mehrere Stunden dauern. Aber in den Zeiten der kleinen, langsamen Festplatten war der Geschwindigkeitszuwachs oft wirklich verblüffend. Microsoft rüstete MS-DIS 6.0 mit der Funktion „defrag“ aus, das dasselbe konnte wie Nortons SpeedDisk. Die modernste Version von Defrag findet sich heute noch in der Windows-10-Systemverwaltung.

In der zweiten Folge dieser kleinen Serie dreht sich alles um Backups, die Datenübertragung und -synchronisierung, Dateienkomprimierung und das leidige Thema Anti-Virus.

Ein Gedanke zu „Die wichtigsten Tools des PC-Zeitalters (1)“

  1. Zum Norton Commander gab es aber auch Alternativen. Mein wichtigstes Tool ganz am Anfang war 1DIR. Das kam schon auf meinem allerersten privaten PC (einem Olivetti M24) zum Einsatz und ich schummelte mir das Programm sogar auf meinen ersten IBM XT bei Microsoft. Nach vier Wochen wurde das entdeckt und ich holt mir einen gewaltigen Anpfiff. Von da an musste ich mit Windows 1 arbeiten. Eine harte Strafe.

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