Paul Baran in seinen letzten Lebensjahren

Internethelden (14/15): Paul Baran und Donald Davies – die Erfinder des Packet-Switchings

Es ist eine Binsenweisheit: Alles Digitale wird entweder vom Militär oder der Pornoindustrie vorangetrieben. Jedenfalls galt dieser Merksatz bis weit in die Nullerjahre hinein, als das Erotik-Business für rasante Weiterentwicklungen in Sachen Grafik und Video sorgte. Die Kriegsindustrie war dagegen von Anfang an dabei und ist es immer noch. Wie jeder Digisaurier weiß, war das Arpanet der Vorläufer des Internets wie wir es kennen. Dieses Netz wurde ab 1968 im Auftrag der US Air Force vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in enger Kooperation mit dem US-Verteidigungsministerium (US DoD) entwickelt und Ende 1969 gestartet. Die Grundlagen für das Projekt wurden allerdings schon fast zehn Jahre früher und ganz woanders entwickelt, nämlich bei der RAND Corporation und am National Physical Laboratory (NPL) in Großbritannien.

Die Angst vor der Atombombe trieb die Entwicklung der Computernetze (Foto via Wikimedia)
Die Angst vor der Atombombe trieb die Entwicklung der Computernetze (Foto via Wikimedia)
Mit dem Ende des zweiten Weltkriegs begann die Ära des kalten Krieges, der Konfrontation des von den USA angeführten, kapitalistischen Westens und dem von der Sowjetunion dominierten, sozialistischen Ostblock. Beide Seiten begaben sich ab Mitte der Fünfzigerjahre in einen fürchterlichen Rüstungswettlauf, vor allem auf dem Gebiet der Atombomben. Besonders in den Vereinigten Staaten entstand bis in führende Regierungskreise eine starke Paranoia, die vor allem in die Frage mündet: Wie können wir einen sowjetischen Erstschlag überstehen und dann zurückschlagen? Ein Forschungsgebiet, das mehr und mehr ins Zentrum dieser Überlegungen rückte, war die noch junge Computerwissenschaft. In der sammelten sich sowohl in den USA, aber auch in Großbritannien und anderen Ländern zunehmend Köpfe, die sich für die technisch-physische Seite wenig, für die logischen Aspekte der Computeranwendung umso mehr interessierten.

Das Hauptquartier der RAND Corporation (Foto: rand.org)
Das Hauptquartier der RAND Corporation (Foto: rand.org)
Es war der gemeinnützige Thinktank namens RAND Corporation (Research ANd Development), der bereits im Mai 1947 als Nachfolger des RAND Projects gegründet im Zuge der Kuba-Krise der Frage nachging, was denn nach einem Atomwaffenangriff mit den Kommunikationsnetzen der USA geschehen würde, speziell mit dem AT&T-Telefonnetz, auf dem auch die gesamte Kommunikation der US-Regierung und -Ministerien beruhte, sowie auch dem militärischen Kommunikationsnetz, das nach demselben Prinzip aufgebaut war. Die Weiterleitung erfolgte nach dem altbekannten Muster der Leitungsvermittlung (Circuit Switching), bei dem vor einem Gespräch eine feste Verbindung zwischen Sender- und Empfängertelefon geschaltet wird – ursprünglich manuell („Hallo, Vermittlung, bitte geben sie mir Berlin 3788.“), später elektrisch beziehungsweise elektronisch. Wurde ein Gespräch angemeldet, kam eine Verbindung zwischen verschiedenen Vermittlungsstellen (Switches) zustande. Fiel aber nur eine solche Stelle aus, brach die Kommunikation ab.

Das Prinzip der Paketvermittlung (Packet Switching) (Abb. via Wikimedia)
Das Prinzip der Paketvermittlung (Packet Switching) (Abb. via Wikimedia)
Der damals eher unbekannte RAND-Mitarbeiter Paul Baran entwickelte im Rahmen der Studie die Idee der „Heiße-Kartoffel-Vermittlung“ (hot potato routing) in einem Netz ohne zentrale Switches mit autonomen Knoten, deren Ziel es sein sollte, empfangene Informationen so schnell wie möglich an einen anderen Knoten im Netz weiterzugeben – so wie man eine heiße Kartoffel so schnell wie möglich loswerden will um sich nicht die Finger zu verbrennen. Basis dafür war wiederum der Einfall, jede zu sendende Information in Blöcke zu zerlegen, sogenannte „message blocks“. Jedes Teilstück könnte sich dann in diesem Netz der autonomen Knoten seinen eigenen Weg vom Sender zum Empfänger suchen; die Kommunikation wäre auch möglich, wenn ein oder mehrere Switches – zum Beispiel durch eine Atombombe – zerstört wären. Baran hatte so die Grundlagen für eine Methode gelegt, die bis heute als Paketvermittlung (packet switching) bekannt ist und nach der bis heute das Internet funktioniert.

Donald Watts Davies, der britische Physiker, der das Packet Switching erfand (Foto via Wikimedia)
Donald Watts Davies, der britische Physiker, der das Packet Switching erfand (Foto via Wikimedia)
Und hier kommt nun der britische Physiker Donald Watts Davies ins Spiel, ein Mann, der mit dem Computer durch Alan Turing in Berührung kam und schon ab Mitte der Fünfzigerjahre eine Reihe bahnbrechender und grundlegender Aufsätze und Fachbücher zu verschiedenen Aspekten der Computerwissenschaft verfasste. Er war es, der ab 1965 am National Physical Laboratory (NPL) des Vereinigten Königreichs über die schnelle Datenkommunikation in Computernetzen nachdachte und sich wohl auch mit den Erkenntnissen von Paul Baran zur Paketvermittlung in Telefonnetzen befasste. Er verfasste zu dem, was der „packet switching“ nannte, nicht nur einige Aufsätze, sondern realisierte das erste auf Paketvermittlung basierende Computernetzwerk an seinem Institut.

Das Arpanet, Stand 1973 (Abb. via Wikimedia)
Das Arpanet, Stand 1973 (Abb. via Wikimedia)
Die oben erwähnte Forschergruppe, die das Arpanet (Advanced Research Projects Agency Network) plante und realisierte, kannte sowohl Barans Studie für die RAND Corporation als auch die Vorträge von Donald Davies und konzipierten ihr Computernetzwerk dementsprechend. Der Rest ist Geschichte…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert