Internethelden (4): Linus Torvalds, der Mann, der uns Linux schenkte

Außer der Tatsache, dass die Geburtstage von HTML und Linux im selben Jahr stattfanden, haben das Internet und das Betriebssystem des Linus Torvalds anscheinend nur wenig miteinander zu tun. Tatsächlich aber fungierte das Open-Source-Betriebssystem als wichtiger Faktor bei der raschen Verbreitung des World Wide Web. Denn nur mit nicht-proprietären Betriebssystemen entzog sich der populäre Teil des Internets der Kontrolle durch die mächtigen Softwarekonzerne wie Microsoft. Nicht zuletzt deshalb betrieb der Windows-Hersteller über mehrere Jahre Kampagnen gegen Linux. Heute läuft weltweit die Mehrzahl der Web-Server unter dem unix-artigen Operating System, das Linus Torvalds mit knapp 22 Jahren nur so zum Spaß entwickelte.

Kein einfacher Charakter

Linus zeigt den Stinkefinger (Foto: : Silicon News, YouTube)
Linus zeigt den Stinkefinger (Foto: : Silicon News, YouTube)
Persönlich kennengelernt habe ich Torvalds nicht, habe ihn aber dreimal auf Kongressen und Konferenzen erlebt, u.a. am Linux-Tag 2004 in Karlsruhe. Immer hoch engagiert für sein Baby, manchmal harsch, auf dem Podium gelegentlich auch wenig aufmerksam, machte er auf mich den Eindruck eines nicht ganz einfachen Menschen. Da ich seine Beiträge auf den Kanälen der Linux-Community kannte, überraschte mich seine öffentlichkeitswirksame Entschuldigung gegenüber der Gemeinde nicht sehr. In einer Mail aus dem September 2018 gab er zu, oft überzureagieren und dabei Menschen emotional zu verletzen und bezeichnete sich selbst dabei als jemanden, der die Gefühle anderer nur schwer deuten kann. Gleichzeitig kündigte er eine Auszeit an, in der professionelle Unterstützung für eine Verhaltensänderung in Anspruch nehmen wolle. Seine virtuellen Wutausbrüche in de Mailings-Listen sind legendär, aber auch in der Realität sorgte er durch Beschimpfungen und öffentliche Stinkefinger gelegentlich für Aufsehen.

Linus Torvalds entschuldigt sich (Foto: TheRegister)
Linus Torvalds entschuldigt sich (Foto: TheRegister)
Küchenpsychologisch könnte man dieses schlechte Benehmen natürlich auf seine Biografie zurückführen, aber ohne Linus persönlich zu kennen, wäre das unangemessen. Als Teil der schwedischen Minderheit in Finnland und weil er als Kind nur ungern die Dinge betrieb, die andere Kinder so taten, neigte er dazu, Außenseiter zu sein. Und als er Zugriff auf den VC20 seines Opas bekam, wurde er – nach eigenen Aussagen – ein Nerd, ein Freak und ein Geek, der nichts anderes mehr im Kopf hatte als den Computer. Kurzen Ruhm in der Szene erlangte er damit, dass er QDOS, das Betriebssystem des Sinclair QL disassemblierte und darin etliche Fehler fand. An der Uni Helsinki hatte man um die Zeit seines Studienbeginns auf die PDP 11 umgestellt, einem Minicomputer mit Unix-System zu ersetzen. Um dies zu erlernen und nutzen zu können, las Linus 1990 u.a. das legendäre Buch „Operating Systems Design and Implementation“ von Andrew Tanenbaum. Anschauungsobjekt zum Buch war das freie unix-artige OS namens Minix, das in der Szene rasch Verbreitung fand.

Der Kampf für freie Software

Die Geschichte der Unix-Systeme - Linus in Grün (Quelle: Wikimedia)
Die Geschichte der Unix-Systeme – Linus in Grün (Quelle: Wikimedia)
Jenseits der Homecomputer-Welt jener Tage tobte in der Welt der Informatik der große Kampf für freie Software. Software habe kostenlos zu sein, lautete die Parole, der Quellcode habe für jedermann verfügbar zu sein, jeder habe das Recht, auf Basis freier Systeme eigene Programme zu entwickeln und in die Freiheit zu entlassen. Dies war vor allem eine Reaktion darauf, dass Unix ab etwa 1982 von AT&T zum lizenzierten Produkt gemacht wurde und der Quellcode nicht einmal mehr Hochschulen zur Verfügung stand. Dies führte zu den Unix-Kriegen zwischen verschiedenen Unternehmen und verschiedenen proprietären Unix-Abspaltungen. Es war Richard Stallmann, der legendäre Aktivist der Bewegung „Freie Software“, der als Reaktion darauf das GNU-Pojekt gründete, dessen Hauptziel die Entwicklung eines freien, unix-artigen Betriebssystems war.

Struktur des Linux-Kernels (Quelle: Wikimedia)
Struktur des Linux-Kernels (Quelle: Wikimedia)
Dies alles inspirierte Linus Torvalds dazu, ein eigenes Betriebssystem zu entwickeln. Zwischen Oktober 1990 und Februar 1991 entstand der Linux-Kernel mit nur rund 10.000 Zeilen Code. Der spätere Streit zwischen Tanenbaum und Torvalds entstand daraus, dass der Minix-Entwickler Linux für technisch überholt erklärte. Immerhin gab er öffentlich zu, Torvalds habe nicht bei ihm abgeschrieben und fügte an: „Hätte er es mal besser getan…“ Weil Linus sein Linux aber rasch öffentlich gemacht hatte und den Kernel frei per FTP anbot, wuchs eine Gemeinde an Linux-Freunden schnell. Aber die Follower wollten das System nicht nur nutzen, sondern machten massenhaft Vorschläge für Verbesserungen und steuerten Code bei, den Linus nach sorgfältiger Prüfung integrierte. Anfangs war Linux noch nicht portierbar, weil eine Reihe grundlegender Funktionen an die IBM-386-Hardware gebunden waren. Immerhin konnte Torvalds überhaupt auf einem solchen Rechner arbeiten – dessen Finanzierung kam durch Spenden aus der Linux-Community zustande.

Das System für Web-Server

Ziemlich genau zur selben Zeit befasste sich die Internet-Szene mit der Frage, wie die Server aussehen sollten, über die das Wordwide Web nach den Vorschlägen von Tim Berners-Lee verteilt werden sollte. Und wieder ging es darum, ob freie oder proprietäre Systeme zum Einsatz kämen. Weil die Protagonisten des WWW damals noch an die Freiheit des Internets glaubten, kam ihnen ein freies Betriebssystem wie Linux gerade recht. Und so wurde Linus Torvalds zu einem Internethelden – vielleicht sogar wider Willen. Nach allem, was wir über ihn wissen, nutzt er das Internet weniger wegen des Web, sondern mehr für die Verteilung von Software und die Kommunikation mit der Gemeinde. Wenig bekannt ist, dass Torvalds auch der Erfindet von Git ist, dem System zur dezentralen Versionsverwaltung von Dateien jeder Art – einem der wichtigsten Werkzeuge der freien Softwareentwicklung überhaupt.

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