So wie das Bosman-Urteil von 1995 im europäischen Fußball alles änderte, so sorgte auch war auch der Start der P2P-Plattform Napster im Jahr 1999 der Beginn einer radikalen Veränderung des globalen Musik-Business. Natürlich war das Peer-to-Peer-Prinzip im Internet schon eine Weile bekannt, und dass Songs per MP3 web-gerecht komprimiert werden konnte, war auch schon ein mittelalter Hut. Während die musikbegeisterten User bis dahin die geklauten Lieder aber (fast) nur und umständlich per Usenet tauschen konnten, machte es Napster auch Otto Normalsurfer möglich, die persönliche MP3-Sammlung kostenlos und rasch zu vergrößern. Was genau den Napster-Vater Shawn Fanning bewogen hat, diesen Dienst anzubieten, ist nie ganz klar geworden.
Eine beliebte Theorie besagt, dass der gute Shawn damit kein gutes Werk im Sinne der Allgemeinheit tun wollte, sondern von Beginn an im Sinn hatte, die Plattenindustrie mit Napster unter Druck zu setzen, ihre Inhalte schnell und simpel zum Download verfügbar zu machen. Manche meinen sogar, er habe die Labels ein bisschen erpressen wollen. Jedenfalls sorgte Napster innerhalb weniger Monate für erhebliche mediale Aufregung. Während seine Fans der Überzeugung waren, nun könnten die Musikgiganten den kleinen Mann nicht mehr mit überzogenen CD-Preisen schröpfen, sahen vor allem die Musiker Fanning selbst schwarzen Ritter oder wahlweise gewöhnlichen Kriminellen.
Jedenfalls luden die User nun weltweit wie verrückt Songs hoch und runter, und besonders Fleißige rippten alle Scheiben in ihrem Besitz, die nicht bei drei auf dem Baum waren. Für wahre Liebhaber der populären Musik öffnete sich ein Paris. Man dachte an einen ganz bestimmten Song, den man nicht in der Plattensammlung hatte und mal wieder hören wollte, ging auf Napster, suchte ein bisschen und fand schnell das geliebte Lied. Je nach Bandbreite hatte man das Ding dann innerhalb von Minuten, manchmal auch Stunden, auf der heimischen Festplatte und alsbald auf dem persönlichen MP3-Spieler.
Nach wenigen Monaten fuhren Popgiganten und Labels schwere juristische Geschütze auf – allen voran die Gruppe Metallica, deren Mitglieder sich zudem in allen Medien ausgesprochen sauer auf Napster und Fanning äußerten. Von Millionensummen an Schadenersatz war die Rede und von Knast für den P2P-Pionier. Bis heute lässt sich zuverlässig nicht klären ob, ab wann und in welchem Maße die CD-Verkäufe damals zurückgingen. Möglicherweise hatten die Organisationen, die bis dahin Milliarden im Pop-Business gescheffelt hatten, nackte Angst, ihr Geschäftsmodell könne final im Orkus landen. Wie wir heute wissen, dauerte es gut zehn Jahre bis sich die Gemüter beruhigt hatten. Da war aber Napster längst Geschichte. Shawn Fanning hatte nämlich schon ab 2000 begonnen zu verbreiten, Napster & Co. (denn es gab bereits Dutzende Nachahmer) wäre doch das ideale Werkzeug, um sich digitalisierte Musik bezahlen zu lassen – Stichwort: Digital Rights Management (DRM).
Mit diesem Argument machte er potenzielle Käufer gierig und vertickte Napster für Unsummen an den Bertelsmann-Konzern. Zuvor hatte es einen erbitterten Cyber-Krieg rund um die Plattform gegeben. Dabei war es seinerzeit technisch nicht banal, P2P-Systeme zu sperren. Das Prinzip ist ja gerade, dass der Datenverkehr nicht über eine zentrale Einheit läuft, sondern sich tauschwillige User direkt bzw. über Zwischenstationen miteinander verbinden. Die Crux an Napster war aber, dass die Suchanfragen der Anwender über einen zentralen Rechner abgewickelt wurden, der natürlich auch die IP-Adressen der Beteiligten speicherte. Sperrte man den Zugang zu diesem Zentralrechner, war Napster tot. Außerdem ging die berechtigte Angst unter den Usern um, man könne sie anhand der IP ermitteln und haftbar machen. Das alles machte Napster zunehmend unattraktiv, während andere P2P-Plattformen ohne zentrale Einheit boomten. Einige davon existieren bis heute, wenn auch vor allem für die Verteilung geklauter Filme und Serien.
Jedenfalls brachte der Bertelsmann-Deal Shawn Fanning und seinem Kumpel Sean Parker jede Menge Kohle ein – was ja nach Meinung vieler Zweck der Übung war. Seitdem gründete der umtriebige Mr. Fanning immer mal wieder ein Unternehmen, beteiligt sich aber vornehmlich als Co-Founder von Start-Ups und Risikokapitalgeber. Spaßfakt am Rande: Über Sean Parker besteht eine Querverbindung zu Mark Zuckerberg und Facebook, die so wichtig war, dass seine Figur im berühmten Facebook-Film „The Social Network“ vorkommt; gespielt wird er übrigens von Justin Timberlake. Während Sean Parker durch geschicktes Agieren zum Milliardär wurde (2018: Platz 924 auf der Forbes-Liste), während Shawn Fannings Vermögen mit schlappen 7,5 Millionen US-Dollar notiert wird.
Über das Privatleben des Shawn Fanning ist wenig bekannt, zumal er sich nach seinem legendären Auftritt bei den MTV MusicAwards 2000 eher nur in Fachkreisen öffentlich zeigt. Shawn stammt aus Massachusetts und hat die Northeastern University in Boston besucht. Dort probierte er auch sein P2P-System aus – als Tauschbörse für beliebige Dateien, die von den Kommilitonen natürlich gern und massiv zum Verteilen für geklaute Musik avancierte. Gelegentlich tritt Fanning bei Kongressen auf, bei denen es um Start-Ups und Risikokapital geht. Hier ein Video von 2015: