Ist das Smartphone tot? Oder werden Virtualisierung und vernetzes Auto an seine Stelle treten?

Ist das Smartphone tot? Und wenn ja: wie lebt es weiter?

Ist das Smartphone allmählich am Ende? Rückläufige Marktzahlen, stagnierende Innovationen und ein Trend zur Reduktion der Smartphone-Nutzung bestärken diese These. In unserer Sendung, die vor einigen Wochen auf dem Kanal der HuffPost Deutschland lief, diskutierten Christian Spanik, Hannes Rügheimer und die Zuschauer über diese Fragen.

Wer sich die Sendung in Bild und Ton anschauen möchte, findet im Folgenden den rund 40-minütigen Mitschnitt. Oder Sie lesen den Text-Artikel darunter.

Ist das Smartphone schon am Ende? Das fragte Christian seinen Kollegen Hannes, der vorher gerade erst den Mobile World Congress in Barcelona besucht hatte – und somit eine Messe, auf der Smartphones an erster Stelle stehen.

„Heute ist das Smartphone sicher alles andere als tot“, lautet denn auch die spontane Einschätzung von Hannes. Auch die HuffPost-Zuschauer merkten an, dass man sich nur in Familie oder Freundeskreis umsehen müsse, um sich davon zu überzeugen, dass die smarten Mobiltelefone noch recht lebendig sind.

Viele Indizien sprechen fürs langsame Ableben des Smartphones

Doch es gibt auch eine ganze Reihe von Indizien, die die These vom Ende des Smartphone-Trends unterstützen.

So berichten etwa Branchenmedien, dass die Verkaufszahlen von Smartphone weiter rückläufig sind.

Eine deutliche Zunahme ist auch bei der Skepsis gegenüber der permanenten Ablenkung zu sehen, die das Smartphone in den Alltag gebracht hat. Nicht umsonst bieten mittlerweile sowohl Googles Android als auch Apples iOS Statistiken zur Bildschirm- beziehungsweise Nutzungszeit an, mit der man sein eigenes Smartphone-Verhalten überprüfen kann. Und seit rund zwei Jahren macht der Trend „Digital Detox“ (also sozusagen: Entgiftung vom Digitalen) von sich reden.

Videoblogger Casey Neistat verabschiedet sich zumindest schon mal von den Social-Media-Apps auf seinem Smartphone.
Videoblogger Casey Neistat verabschiedet sich zumindest schon mal von den Social-Media-Apps auf seinem Smartphone.

Selbst der renommierte Videoblogger Casey Neistat hat unter der Überschrift „Good Bye Social Media“ angekündigt, dass er die Apps für Social-Media-Dienste von seinem Smartphone gelöscht hat. Nicht etwa, weil er Facebook, Twitter und Instagram endgültig den Rücken kehren will – aber weil er für sich festgestellt hat, dass er gerade unterwegs damit viel zu viel Zeit verbringt.

Auch die Journalisten Marco Maas (Datenfreunde), Sebastian Matthes (Handelsblatt), Richard Gutjahr (freier Journalist) und Daniel Fiene (Reinische Post) diskutierten auf dem „Campfire“ der Rheinischen Post darüber, dass das Ende der Smartphone-Ära bereits begonnen habe. Ihre These: Sprachassistenten wie Alexa übernehmen einen Teil der vom Smartphone gewohnten Funktionen.

Neue Konzepte für innovativere Smartphones?

Auf dem Mobile World Congress hat Hannes natürlich viele Impulse gesehen, wie die Hersteller diesem Trend entgegenwirken wollen. Beispielsweise mit dem neuen Trend zu „Foldable Phones“ – klappbaren Smartphones, die aufgeklappt die Bildschirmfläche eines kleinen Tablets bieten, zusammengeklappt aber immer noch in die Jackentasche passen. Doch die ersten Vertreter dieser Kategorie werden mit Preisen von 2000 Euro und mehr – und dennoch vielen technischen Einschränkungen – sicherlich Nischenangebote bleiben. Ob dieser Versuch von Innovation einen größeren Trend begründet, darüber ist sich Hannes noch nicht sicher.

Foldable Smartphones wie hier das Huawei Mate X waren ein großer Trend auf dem Mobile World Congress 2019.
Foldable Smartphones wie hier das Huawei Mate X waren ein großer Trend auf dem Mobile World Congress 2019.

Liegt die Zukunft des Smartphones vielleicht auch in mehr Nachhaltigkeit? Diese Meinung vertreten der Anbieter ShiftPhones und sein Gründer Carsten Waldeck. Er demonstrierte auf dem Mobile World Congress das modulare Smartphone „Shift 6m“. Auf den ersten Blick handelt es sich um ein 6-Zoll-Androis-Smartphone. Doch der Nutzer kann seine Komponenten selbst auseinander bauen und gezielt auswechseln. Die Hoffnung des Herstellers: Wer eine bessere Kamera, einen schnelleren Prozessor, ein höher auflösendes Display oder mehr Speicher will, soll dafür in Zukunft kein komplett neues Smartphone kaufen, sondern die gewünschte Komponente gezielt austauschen. Das wäre nicht nur gut für den Geldbeutel der Kunden, sondern auch für den Planeten. Doch auch bei dieser an sich unterstützenswerten Idee steht zu befürchten, dass sie eine Nischenlösung bleiben wird.

Werden Smartphones in Zukunft virtuell?

Schon länger gibt es die Prognose, dass sich Smartphones in Zukunft quasi auflösen. Noch vor wenigen Jahren war die Vorstellung, dass vernetzte Wearables an ihre Stelle treten könnten – etwa eine Kamerabrille oder eine Kette mit integrierte Kamera, ein Ring mit integriertem Projektor, die Smartwatch als zentrale Recheneinheit). Doch möglicherweise, so sieht es heute Hannes Rügheimer, sieht diese Zukunft nochmal anders aus: An die Stelle des einen Geräts in der Tasche könnten vielmehr all die Dinge um uns herum treten, die zur Anzeige von Bildschirminhalten, zum Aufnehmen und Wiedergeben von Ton und/oder als Eingabegerät dienen könnten. Also zum Beispiel vernetzte Lautsprecher, Smart TVs oder auch Küchengeräte mit großem Bildschirm. Außerhalb des eigenen Hauses dient vielleicht auch die Anzeigetafel an der Bushaltestelle oder das Schaufenster, an dem man gerade vorbei flaniert, als Displayersatz. Das Smartphone würde sich quasi „virtualisieren“.

Sieht so ein Smartphone im Jahr 2027 aus? Zumindest ist das die Vision des Designers Philippe Starck. (Foto: Jerome Olivet, Tuvie.com)
Sieht so ein Smartphone im Jahr 2027 aus? Zumindest ist das die Vision des Designers Philippe Starck. (Foto: Jerome Olivet, Tuvie.com)

In eine solche Richtung gehen auch Konzepte wie das von Star-Designer Philippe Starck als Vision für 2027 entworfene „Alo Phone“ oder das schon vor einigen Jahren angekündigte (wenn auch eher als „Vaporware“ entlarvte) Projektionsarmband „Cicret“.

Dass es unabhängig von der Technik nicht ganz einfach ist, Konzepte wie Datenbrillen in der Realität Fuß fassen zu lassen, beweist allerdings das Desaster, das Google im Privatkundenmarkt mit seiner Augmented-Reality-Brille „Google Glass“ erlebt hat. Doch so ganz will sich die Industrie von dieser Vision nicht verabschieden – Microsoft verbessert kontinuierlich seine „Mixed-Reality-Brille“ Hololens, Firmen wie Vuzix präsentieren im Jahrestakt immer kompaktere AI-Brillen, und auch Apple wird die Entwicklung eines solchen Geräts nachgesagt.

Wer wird das Rennen machen?

Neue Geräte, Formfaktoren, Konzepte bedeuten natürlich auch, dass die Karten im Markt neu gemischt werden. Wobei gerade ein Player wie Google für die Kombination unterschiedlicher Geräte über gemeinsame Dienste und Plattformen sicher hervorragend aufgestellt ist.

Mit „Android Automotive" will Google ein Betriebssystem für Infotainmentsysteme und weitere Komponenten im Auto etablieren.
Mit „Android Automotive“ will Google ein Betriebssystem für Infotainmentsysteme und weitere Komponenten im Auto etablieren.

Und das gilt nicht zuletzt für das „Smartphone auf Rädern“ – das künftige vernetze Auto. Dafür setzt der Suchmaschinen-Gigant vor allem auf „Android Automotive“ (nicht zu verwechseln mit dem Apple-Carplay-Pendant „Android Auto“, das nur zur Smartphone-Anbindung ans Cockpit dient). „Android Automotive“ soll nach der Vorstellung von Google ein eigenes Betriebssystem für Infotainment-Systeme, aber auch Klimanlage, Sitzeinstellungen und andere Funktionen im Auto sein.

Auch Chiphersteller Qualcomm drängt mit Macht ins Auto der Zukunft: Er will seinen Hochleistungsprozessor „Snapdragon“ dazu nutzen, konventionelle Steuergeräte (von denen es heute im Auto über hundert gibt) durch virtualisierte Software in einer Multitasking-Umgebung ersetzen. Das würde den Autoherstellern Hardwarekosten sparen – dafür wären die dadurch nötigen Software-Lösungen erheblich komplexer als in heutigen Fahrzeugen.

Dass sich Autos immer mehr an die Vorlieben ihrer Passagiere anpassen müssen, ist nicht zuletzt durch Trends wie Carsharing begründet. Wer sich in ein solches Fahrzeug setzt, möchte dort idealerweise seine persönliche digitale Umgebung, seine Kommunikations-Konten, seine Playlists etc. vorfinden. Auch dies könnte eine Ausprägung davon sein, dass sich das Smartphone auflöst und in der Umgebung des Nutzers widerspiegelt.

Virtualisierte Smartphones oder Vintage-Geräte? Die Zukunft wird es zeigen.

Christian Spanik und Hannes Rügheimer verabschieden sich von ihren Zuschauern.
Christian Spanik und Hannes Rügheimer verabschieden sich von ihren Zuschauern.

Das virtuelle Smartphone, so Christian, würde dann zum Schlüssel fürs digitale Leben – und wäre nicht mehr seine Fernbedienung.

Dass keine technische Entwicklung absolut ist, ist der Schlussgedanke von Hannes: „Auch heute wird noch Vinyl gekauft. In vergleichbarer Weise wird auch das Smartphone wohl nicht völlig aus unserer Welt verschwinden.“ Es werde immer Nutzer geben, die diesen Formfaktor bevorzugen – neben vielen anderen, die in Zukunft möglicherweise in Konkurrenz zur heutigen Gestalt dieser Geräte treten.

 

 

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