Objektivgrößen: Glas ist durch nichts zu ersetzen... (eigenes Foto)

Meinung: Smartphone-Kameras sind besser als digitale Fotoapparate

Eigentlich hat die Stiftung Warentest in ihrem hervorragenden Artikel kürzlich vieles zum Thema der Überschrift gesagt. Anhand von Vergleichsfotos hat sie die Ergebnisse von Smartphone-Kameras mit denen von Digicams und richtigen Fotoapparaten sichtbar gemacht und bewertet. Tatsächlich geht es aber um einen andere, schärfere Frage: Kann ich auf andere digitale Kameras verzichten, weil mein Handy so gute Fotos macht? Die Antwort hängt davon ab wie und wozu ich meine Bilder verwende.

Seitdem ich über ein Huawei P20 Pro verfüge, verstaubt meine geliebte Lumix-GF2-Ausrüstung im Fotorucksack, und die ebenfalls geliebte Nikon Coolpix langweilt sich in der Schublade. Ich kann diese poetische Aussage sogar belegen: Von den rund 4.200 Aufnahmen, die ich in den vergangenen zwei Jahren gemacht habe, stammen ca. 3.600 vom Smartphone. In Jahren 2010 und 2011, als ein LG-Smartphone Dienst tat, lag meine damalige Kleinknipse, eine Lumix, bei insgesamt rund 3.000 Bilder mit rund 1.800 vorn, die Großknipse, eine Canon D, mit 800 Aufnahmen an zweiter Stelle, und das arme LG durfte nur knapp 400 Mal ran. So ändern sich die Zeiten. So aber hat sich auch die Qualität der Fotos, die aus dem „Handy“ kommen, gesteigert.

Auf einem Display sehen Smartphone-Fotos (fast) immer gut aus (eigenes Foto, Screenshot)
Auf einem Display sehen Smartphone-Fotos (fast) immer gut aus (eigenes Foto, Screenshot)

Unterschiedliche Tester: Fotografen vs. Handyexperten

Getestet und bewertet werden Smartphone-Kameras und „richtige“ Fotoapparate jedoch von zwei unterschiedlichen Sorten Tester. Während sich die Handy-Leute naturgemäß um die Handys kümmern, sind es die Fotoexperten, die sich alles von der Digi-Knipse bis zur Vollformatmaschine vornehmen. Viele von Letzteren stammen aus der goldenen Ära der Analogfotografie und legen entsprechende Maßstäbe an; was vor allem deshalb irreführend ist, weil sie unbeirrt vom Abzug (Digi-Natives würden sagen „Ausdruck“) oder gar vom Diapositiv ausgehen. Tatsächlich werden heutzutage allerdings weit über 95 Prozent aller Fotos auf einem Display betrachtet, ja, davon wiederum die Mehrheit auf den Bildschirmchen der Smartphones.

Schematischer Aufbau in einer digitalen Fotokamera (Abb. Wikimedia, siehe Bildnachweis unten)
Schematischer Aufbau in einer digitalen Fotokamera (Abb. Wikimedia, siehe Bildnachweis unten)

Auch das habe ich anhand meines Fotoarchivs verifizieren können. Seit 2010 habe ich von insgesamt fast 20.000 Aufnahmen (die nicht gleich in den virtuellen Papierkorb gewandert sind) nur knapp 100 ausgedruckt bzw. ausdrucken lassen. Nicht mehr als 60 meiner Fotos, die ich in meiner Eigenschaft als Journalist geschossen habe, fanden ihren Weg in ein Printmedium – alle waren natürlich mit einer MFT- oder APS-C-Kamera fotografiert worden.

Megapixel sind nicht das Maß aller Dinge

Der erwähnte Artikel auf www.test.de unterstreicht dankenswerterweise, dass Megapixel kaum noch ein Qualitätsfaktor sind, dass also die Fläche des Sensors keineswegs das Maß aller Dinge ist. Dass viele Hersteller diesen Wert immer noch in den Vordergrund stellen, hat reine Marketinggründe – Otto Normalverbrauchter strebt eben nach dem Mehr. Tatsächlich weisen die Tester nach, dass eine Vollformatkamera, bei der Aufnahmen auf dieselbe Megapixel-Zahl heruntergerechnet werden, deutlich bessere Bilder liefert.

Perfekte Vergleiche zwischen Smartphone und Fotoapparat (Screenshot: www.test.de)
Perfekte Vergleiche zwischen Smartphone und Fotoapparat (Screenshot: www.test.de)

Woran das liegt? Nun, alte Hasen sagen gern „Glas ist durch nichts zu ersetzen außer durch noch mehr Glas“ und meinen damit, dass natürlich das Objektiv, genauer, die Größe des Lichteinlasses mehr Einfluss auf die Qualität hat als die Megapixel-Auflösung. Das kann man auf Basis der geltenden physikalischen Gesetze beweisen. Eine immer größere Rolle aber spielt die Software, die sich darum kümmert, dass aus dem Licht auf dem Sensor ein digitales Foto wird. Da geben sich die Smartphone-Hersteller immer größere Mühe, die Anbieter von Fotokameras aber auch.

Inzwischen stellen ja nicht einmal mehr die RAW-Dateien eine unverfälschte Darstellung, dessen, was das Objektiv gesehen hat. Schon auf dem Weg zwischen Sensor und Datei nimmt die Software Einfluss. Und da verfolgen die verschiedenen Hersteller durchaus unterschiedliche Wege. Tatsächlich sind die Algorithmen, die bei Smartphone-Kameras Dienst tun, durchweg darauf ausgerichtet, Bilder zu erzeugen, die auf Displays gut aussehen. Das ist besonders eklatant bei den Fotos, die man mit einem iPhone neuerer Generation schießt.

Fazit

Daraus ergibt sich eine klare Antwort auf die Eingangsfrage: Wer so gut wie ausschließlich Fotos für die Ausgabe auf einem Bildschirm (oder höchstens für gelegentliche Ausdrucke in kleineren Formaten) macht, braucht wirklich keine Digicam, keine MFT- oder APS-C-Kamera und schon gar keine Vollformatmaschine mehr. Da reicht ein Smartphone der neueren Generationen, dessen fotografische Leistung in den Test mit mindestens „gut“ bewertet wurde.

[Bildnachweise – Titelbild: eigenes Foto; Foto auf Display: eigenes Foto; Funktionsprinzip Digitalkamera: Welleman via Wikimedia unter der Lizenz CC BY 2.5;]

2 Gedanken zu „Meinung: Smartphone-Kameras sind besser als digitale Fotoapparate“

  1. dass also die Fläche des Sensors keineswegs das Maß aller Dinge ist. Dass viele Hersteller „diesen Wert immer noch in den Vordergrund stellen, hat reine Marketinggründe – Otto Normalverbrauchter strebt eben nach dem Mehr. Tatsächlich weisen die Tester nach, dass eine Vollformatkamera, bei der Aufnahmen auf dieselbe Megapixel-Zahl heruntergerechnet werden, deutlich bessere Bilder liefert.“
    Guter Artikel. Bis auf diesen Kommentar. Sprichwörtlich: „Die Sensorfläche ist egal aber Kameras mit einer großen Sensorfläche sind gut.“ Die Fläche des Sensors IST wichtig. Die Pixelanzahl weniger.

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