Edge - Jetzt kann man Webseiten mit Anmerkungen versehen

Microsoft Edge, der neue Browser – erste Eindrücke

Wer selbst als Journalist in der Daterei tätig war oder ist, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die meisten Kollegen den neuen Webbrowser Edge, der in Windows 10 enthalten ist, noch nie wirklich ausprobiert haben. Zu ähnlich sind sich die Texte, zu nah an dem, was Microsoft selbst hat verlauten lassen. Diese milde Ignoranz hat seine Gründe, ist aber jammerschade. Der Grund: Niemand wechselt den Browser wie das Hemd. Wer sich an den Firefox oder Chrome gewöhnt hat, mag andere Browser nicht einmal testen. Im Fall des Edge ist das besonders traurig, denn im Gegensatz zu mancher theoretischen Kritik hat Microsoft hier einen hochmodernen Apparat zum Surfen im Internet geschaffen, der durch Geschwindigkeit und nette Funktionen zu überzeugen weiß. Das haben zehn Tage tägliche Arbeit mit Edge ergeben.

Mit Edge können Seiten gespeichert werden
Mit Edge können Seiten gespeichert werden, um sie sich offline anzusehen oder um sich mehr als nur den Link zu merken
Ja, Edge kommt optisch sehr reduziert daher. Sehr, sehr reduziert sogar. Es gibt weder eine Menü-, noch eine Statusleiste, sondern nur das Eingabefeld für URLs und Suchbegriffe, die üblichen Icons zum Blättern sowie Symbole, mit denen die Funktionen für das Aufrufen von Gespeichertem, für das Anfertigen von Anmerkungen und das Teilen ausgelöst werden. Dazu ein Bildchen für das Hauptmenü, das aber auch sehr reduziert daherkommt. Man mag das für übertrieben spartanisch halten („Spartan“ war der Codename des Projekts…) oder für eine bloße Nachahmung von Googles Chrome, aber die Microsoftler haben sich was dabei gedacht – nachdem sie sich Fragen gestellt haben.

Edge statt Evernote
Zum Beispiel die: Warum zur Hölle nutzen so viele Leute dieses Evernote? Die Antwort lag auf der Hand: Weil viele Leute Dinge, die sie im Web gefunden haben, gern für die spätere Verwendung sichern bzw. langfristig speichern wollen. Ganz klassisch bieten deshalb alle Browser eine Favoriten- bzw. Bookmark-Funktion an, mit der Lieblingsadressen nicht nur abgelegt, sondern auch in Listen sortiert und verwaltet werden können. Ebenfalls Gang und gäbe ist der gespeicherte Verlauf, also die Liste der zuletzt aufgerufenen Webadressen. Bei Edge kommt etwas hinzu, was Evernote „erfunden“ hat: Man kann den Inhalt einer Seite in der sogenannten „Leseliste“ ablegen, um ihn sich später zu Gemüte zu führen. Das bedeutet ganz konkret: Ich finde einen interessanten Artikel in einem Online-Medium und lege ihn ab. Dann kann ich ihn selbst dann noch lesen, wenn er live nicht mehr vorhanden oder nicht mit vernünftigem Aufwand wieder auffindbar ist. Ich selbst bin heftiger Evernote-User, nutze also auch den Webclipper in Firefox und bin ganz angetan davon, bei Edge die entsprechenden Funktionen im Browser selbst zu haben.

Seiten können in Edge einfach geteilt werden
Seiten können in Edge einfach geteilt werden – allerdings nur in Kanälen, die als Apps vorliegen
Sehr schön auch die Funktion zum Teilen von Seiten. Klickt man das entsprechende Icon, öffnet sich eine Sidebar, in der alle Kanäle gelistet werden, über die man teilen kann. Und hier stößt man dann auf das allumfassende Windows-10-Prinzip der Apps. Denn nur Kanäle, die als Apps installiert sind, können zum Teilen verwendet werden. Hat man keine Apps installiert, stehen nur Mail (also die Microsoft-Mail) und OneNote aus Office bereit – beide funktionieren aber auch nur, wenn man ein Microsoft-Konto eingerichtet und sich damit an Windows angemeldet hat. Wer zum Beispiel etwas auf Twitter teilen will, der muss erst die Twitter-App installieren und einrichten. Ist das geschehen, wird eben auch Twitter angeboten.

Speichern und Teilen mit Edge
Unangenehm ist das in Sachen Facebook, denn die Windows-10-App des sozialen Netzwerks ist eine Katastrophe, die niemand freiwillig nutzen möchte. Ich habe sie also nur deswegen installiert, um Seiten aus Edge heraus dort teilen zu können. Leider ist es auch nicht möglich, per Mail zu teilen, wenn man kein Microsoft-Mailkonto verwendet, sondern zum Beispiel selbstgehostete Mailadressen, die man mit Thunderbird verwaltet. Selbst Outlook kann nicht einfach genutzt werden, sondern nur indem die mit Outlook verwendeten Mailkonten registriert werden. An solchen Stellen ist man dann wieder mit Microsofts Allmachtfantasien konfrontiert…

Mit Edge kann man Webseiten mit Markierungen und Anmerkungen versehen
Mit Edge kann man Webseiten mit Markierungen und Anmerkungen versehen – und da so verziert speichern und/oder teilen
In der vorliegenden Form konkurrenzlos ist die Funktion zum Markieren und Kommentieren von Webseiten. Mit Edge kann man Passagen im Text einer Webseite wie mit einem Textmarker hervorheben, mit Freihandzeichnungen versehen, Kommentarfelder anlegen und befüllen sowie Bereiche markieren und dann in die Zwischenablage kopieren. Das geht bei anderen Browsern nur mit mehr oder weniger brauchbaren Plug-ins … oder gar nicht. Natürlich kleben diese Sachen nicht an der jeweiligen Seite selbst, sondern sind erst einmal flüchtig. Aber: Die Seite kann ja gespeichert werden – und dabei werden die Markierungen und Anmerkungen gleich mit gespeichert. Das gilt auch fürs Teilen – und da ist es besonders wertvoll, weil man diejenigen, denen man die Webseite übergeben möchte, auch gleich mitteilen kann, warum man das will.

Fazit

Kurios: IE aus Edge heraus aufrufen
Wozu auch immer das gut sein mag: den IE aus Edge heraus aufrufen
Von dieser Kombination – Anmerkungen machen und Teilen – habe ich in den zehn Testtagen reichlich Gebrauch gemacht. Die Reaktion der Empfänger war durchweg positiv, und zwei der Adressaten fragten gleich, mit welchem Add-on ich das erledigt hätte. Dass Microsoft Edge solche Werkzeuge gleich mitbringt, wollten sie erst nicht glauben, waren dann aber ganz angetan vom neuen Browser. Übrigens: Seit den Tagen als der Firefox noch Phoenix hieß bin ich jenem Webbrowser treu. Wegen einiger Schwächen in den aktuellsten Versionen greife ich gelegentlich zu Chrome. Aber den Internet Explorer (IE) habe ich immer gehasst. Zum Glück hat Edge mit dem nichts mehr gemein. Dafür gibt es aber eine Kuriosität: Auf Wunsch kann man eine in Edge angesurfte Seite mit der möglicherweise noch vorhandenen IE-Version anschauen … wozu auch immer das gut sein mag.

Denn eigentlich ist Edge das Herzstück von Windows 10 – und zwar vom gerätunabhängigen Betriebssystem dieses Namens. Dieser Browser ist natürlich in den mobilen Versionen integriert, und zwar so tief, dass manche Dinge nur mit Edge auf dem Smartphone oder Tablet überhaupt gehen (werden). Außerdem bildet er nicht nur eine Schnittstelle zum weltweiten Web, sondern auch zu allen darin verborgenen Informationen. Ist Cortana, die Sprechassistentin aus dem Hause MS, aktiviert, dient die Adresszeile des Browsers nicht nur als Suchzeile für Bing, sondern per Cortana eben auch zu allen Inhalten: lokal gespeicherten, im Netzwerk vorliegenden und irgendwo im WWW gefundene. Diese tiefe Verwurzelung des Browsers macht ihn also besonders attraktiv für Menschen, die mit Windows 10 in die schöne, neue Windows-Welt eintauchen wollen, also dieses System nicht nur auf dem Desktop-PC und dem Notebook, sondern auch auf allen mobilen Geräten nutzen wollen. Für Freunde von Apple und Android ist das weniger attraktiv; so wenig, dass die kaum einen Grund haben werden, vom gewohnten Lieblingsbrowser auf Edge umzusteigen.

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