Die echte Google-Glass-Brille (Foto: Wikimedia)

Nachgeforscht: Was ist eigentlich aus Google Glass geworden?

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“, heißt es in einem Zitat, von dem niemand ganz genau weiß, wer’s erfunden hat. Der junge Webdesigner als Gastgeber der Typo3-Schulung im Januar 2013 war sich jedenfalls GANZ SICHER: Die Datenbrille Google Glass würde das nächste große Ding, etwa im Rang des Apple iPhones. Als Berater saß ich gemeinsam mit Kundenvertretern da und wunderte mich, erschloss sich mir der Zusammenhang mit dem Lehrgang in Sachen CMS nicht wirklich. Aber der Typ konnte sich gar nicht mehr lassen. Später fragte mich meine direkte Ansprechpartnerin, wie genau denn ihr Unternehmen nun auf diesen neuen, gewaltigen Trend reagieren soll. Ich antwortete: Gar nicht.

Denn selbst bei schärfstem Nachdenken kam ich nicht drauf, was denn so toll daran sein sollte, sein Smartphone auf den Ohren und vor den Augen zu tragen. Hier irrte ich. Auch wenn der Verkauf vom Google Glass schon im Januar 2015 nach nur einem Jahr wieder eingestellt wurde – hergestellt wurden die Dinger auch weiter. Denn einige große Unternehmen hatten den Charme der Datenbrille für sich erkannt: dass der Träger die Hände frei hat und trotzdem diverse benötigte Informationen vor Augen. DHL, Boeing, VW und GE sollen unter den treuen Käufern sein, sagt die Computerbild und dürfte damit richtig liegen, denn klammheimlich hat Google Mitte 2017 eine „Enterprise Edition“ (die offiziell deutlich mehr als 1.500 Dollar kostet) präsentiert.

Die Datenbrille von Picavi im Einsatz in der Logistik (Foto: Picavi)
Die Datenbrille von Picavi im Einsatz in der Logistik (Foto: Picavi)
Für Fans wie den erwähnten Webdesigner ist das Ding aber nicht zu kaufen. Amazon führt dagegen die bereits 2015 gestorbene „Explorer Edition“ im Angebot, allerdings mit dem Vermerk „Derzeit nicht verfügbar“. Es sieht also so aus, dass sich Unternehmen bei Google bewerben und das Teil in nennenswerten Stückzahlen ordern müssen – Google selbst schweigt sich dazu aus. Das Prinzip aber hat überlebt. So bietet die Firma Picavi, ein auf Tools für die Logistik spezialisiertes Unternehmen, eine Datenbrille an, die Google Glass, ähem, ziemlich ähnlich sieht. Überraschung! In Wahrheit handelt es sich – zumindest bei einem Modell – um nichts anderes als die Enterprise Edition der Google Glass!

Hände frei beim Phonen - die Vuzix M300 (Foto: Vuzix)
Hände frei beim Phonen – die Vuzix M300 (Foto: Vuzix)
Aber da gibt es – ein wenig versteckt – noch einen weiteren Hersteller, dessen Datenbrille Picavi anbietet. Vuzix heißt die Firma, M300 das Modell, das für rund 1.700 Euro zu haben ist. Dieses Gerät wird aber auch ganz bescheiden als „hands-free smartphone“ angeboten; von den Möglichkeiten der eingebauten Kamera ist eher am Rand die Rede. Dabei ist dies immer noch der Clou der Datenbrille – auch wenn die verbundenen Fähigkeiten seinerzeit für einen kleinen Shitstorm zuständig waren. Denn schon bei der Vorstellung regten sich nicht nur Datenschützer darüber auf, dass ein Glass-Träger jederzeit und unbemerkt Leute würde fotografieren können – Gesichtserkennung inklusive.

Was damals kritisiert wurde, prädestiniert die Datenbrille für den Logistik-Einsatz, besonders im Bereich Pick-up. Die Algorithmen der Kamera erkennen nämlich nicht nur Gesichter, sondern können auch Gegenstände identifizieren und Barcodes auslesen. Weil der Träger dabei die Hände frei hat, kann er so rasch die richtigen Päckchen und Pakete aufnehmen und auf ihren Weg schicken. Gescheitert – und das vermutlich langfristig – ist Google Glass also bloß als Consumer-Produkt. Wobei: Prognosen sind schwierig…

[Bildnachweis – Titelbild: Tim Reckmann via Wikimedia unter der CC-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert„; „Picavia-Datenbrille“: picavia.com; „Vuzix M300“: vuzix.com]

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