(C) Chicago Booth

Ohne diese Computerfrau hätte es bei Steve Jobs wohl nie „klick“ gemacht

Behandelt man so eine IT-Legende? Nein, lieber Steve Jobs, das war damals nicht sehr Gentleman-like! Und hey, Bill Gates, auch Sie ein Raubkopierer? Zumindest diesen Eindruck müssen die beiden in den 1970er-Jahren gemacht haben, nachdem Adele Goldberg, eine wichtige „Computerfrau“ der Geschichte, zahlreiche visionäre Entwicklungen präsentiert hatte. Die grafische Benutzeroberfläche, die Bedienung per Maus, soziale Medien, der Vorläufer des iPad – alles stammt von der heute 70-jährigen Pionierin. Dabei wollte sie ihre Ideen gar nicht vorführen. Was war passiert?

Aufmacherbild: (C) Chicago Booth

„Man kann doch der Konkurrenz nicht alles auf dem Silbertablett servieren!“

Das soll Adele Goldberg damals gesagt haben – im Forschungszentrum PARC von Xerox im kalifornischen Palo Alto. Dort hatte die Informatikerin 14 Jahre lang in der Forschung gearbeitet, später auch als Laborleiterin, und sie entwickelte in den Siebzigern die erste grafische Benutzeroberfläche: „Smalltalk“. Symbole, Grafiken und Fenster machten die Bedienung des Computers viel leichter als das bis dahin übliche Gewusel von Buchstaben und Zahlen auf dem Bildschirm.

„Es war offensichtlich, dass künftig alle Computer so funktionieren würden.“

Das sagte nicht Goldberg, sondern ein prominenter Gast, der sich ihre Entwicklung anschauen durfte – auf Drängen ihrer Vorgesetzten, denn Xerox hatte kein Interesse an einer Weiterentwicklung. Im Dezember 1979 musste Goldberg einem ganzen Team von Steve Jobs und dem Chef höchstpersönlich „Smalltalk“ im Detail erklären.

Steve Jobs nahm gerne „Anregungen“ mit ;-)

Dass die Gäste sofort fasziniert waren, wie intuitiv die Oberfläche funktionierte, kommt jetzt – vor dem Hintergrund der bekannten IT-Innovationen vergangener Jahrzehnte – sicher nicht überraschend. Und nicht nur Steve Jobs nahm „Anregungen“ mit, auch Bill Gates beobachtete die Kreativität der IT-Pionierin aus Cleveland mit kommerziellem Interesse.

„Beide waren sich bewusst, dass sie das Konzept der grafischen Benutzeroberfläche bei Xerox quasi ‚gestohlen‘ hatten.“

Das wiederum soll Walter Isaacson in seiner Biografie über Steve Jobs geäußert haben. Interessant ist auch, was Goldbergs damaliger Chef dazu sagt: Larry Tesler erinnert sich in dieser Talkrunde an den Besuch von Steve Jobs.

Schon dieses Detail zeigt, wie wenig „Computerfrauen“ in der historischen Wahrnehmung Platz gefunden haben. Jobs, Gates, aber auch Pioniere wie Alan Turing oder Konrad Zuse – sie alle gelten als Legenden, und doch sind die Leistungen der IT-Heldinnen ihrer Zeit (oder sogar weit davor) noch viel höher zu bewerten, weil erst durch sie die „bekannteren“ Innovationen möglich wurden.

Dass sich gerade Frauen in der Computergeschichte verdient gemacht haben, wollte deshalb auch eine Ausstellung hervorheben, auf die wir bereits in unserer Reihe „Computerfrauen“ hingewiesen haben: Das Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn porträtierte bis zum Sommer diesen Jahres in der Ausstellung „Am Anfang war Ada“ speziell diese Pionierinnen in der Entwicklung der Informationstechnik.

Adele Goldberg: Diese Computerfrau der Geschichte muss man einfach kennen

Zweifelsohne gehört Adele Goldberg zu den Namen, die man sich merken sollte. In der Ausstellung steht zum Beispiel ein interaktives Exponat, das objektorientierte Programmierung anschaulich erklärt. Überhaupt: Maßgeblich beeinflusste Goldberg die Entwicklung der ersten objektorientierten Programmiersprache, an der auch Kollege Alan Kay mitarbeitete. Weil Xerox bekanntlich kein Interesse hatte, gründeten beide kurzerhand eine eigene Firma, um die mittlerweile „Smalltalk-80“ genannte Sprache zu vermarkten – die übrigens auch Vorbild für heutige Sprachen war, zum Beispiel Java und PHP5. Außerdem war sie der Grundstein für die Maus-Bedienung.

Hier präsentiert Adele Goldberg Smalltalk in einer Fernsehsendung:

Goldberg und Kay entwickelten die Sprache, weil beide davon überzeugt waren, dass sich ein Computer an die Fähigkeiten und Bedürfnisse des Menschen anpassen sollte – und nicht umgekehrt. Beide entwarfen sogar das Konzept der sozialen Medien: Irgendwann würden sich normale Menschen mit Hilfe vernetzter, tragbarer Computer austauschen.

Der Vorläufer des iPad hieß „Dynabook“

So entstand sogar der Vorläufer des iPad, das „Dynabook“, das sie schon 1977 in einem Aufsatz beschrieb. Hier auf dem Bild präsentiert ihr Kollege Alan Kay den Prototyp.

Alan Kay, Kollege von Adele Goldberg, präsentiert das Dynabook. (C) Von Marcin Wichary from San Francisco, U.S.A. - Alan Kay and the prototype of Dynabook, pt. 5, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5871599
Alan Kay, Kollege von Adele Goldberg, präsentiert das Dynabook. (C) Von Marcin Wichary from San Francisco, U.S.A. – Alan Kay and the prototype of Dynabook, pt. 5, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5871599

„Das Dynabook“, erklärt Wikipedia, „sollte die Zusammenführung von intuitiver Benutzbarkeit und Programmierung mit einer hochwertigen grafischen Ausgabe und einer leistungsfähigen, aber preiswerten Hardware sein.“ Weitere Highlights des Prototyps: Bedienung über integrierte Tastatur, eingebauter Bildschirm, nicht größer als ein Notizbuch, möglichst niedriger Verkaufspreis für eine große Verbreitung… Genau, das kommt einem irgendwie bekannt vor.

Schon 1990 erhielt Adele Goldberg den Preis fürs Lebenswerk

Computerfrau Adele Goldberg im Jahr 2007. (C) Von http://www.freesoftwaremagazine.com/articles/thrills_chills_and_pictures_from_pycon_2007, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=39825753
Computerfrau Adele Goldberg im Jahr 2007. (C) Von http://www.freesoftwaremagazine.com/articles/thrills_chills_and_pictures_from_pycon_2007, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=39825753

Was Adele Goldberg heute macht? Sie entwickelt Lernmedien für Schulen und Hochschulen, ist Mitglied in wissenschaftlichen Gremien, hat mehrere Bücher über Projektmanagement und objektorientierte Software geschrieben, und sie arbeitet immer noch als Unternehmerin, etwa in ihrer Firma Neometron, die die Abläufe von Projektentwicklungen in Online-Communitys simuliert und effektive Teamarbeit unterstützt. Vom „PC Magazine“ wurde sie schon vor 26 Jahren mit einem Preis für ihr Lebenswerk geehrt – für ihr Engagement in der Geschichte des Computers.

Haben Sie noch ein paar Minuten Zeit, nämlich stolze 93, legen wir Ihnen ein Interview ans Herz, in dem Adele Goldberg über ihr Leben und Werk Auskunft gibt:

Wie würden wir ein unbekanntes Eingabegerät bedienen?

Zum Schluss noch ein Schmankerl für Science-Fiction-Fans: Wie wichtig eine intuitive Bedienung ist, konnte man im Film „Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart“ von 1986 sehen, als Chefingenieur Scott auf der Erde unserer Zeit einen Computer bedienen sollte. Seine spontane Anrede „Hallo, Computer“ (hier hat ein User einen Filmausschnitt hochgeladen) hatte natürlich keine Auswirkung – weshalb sein Kollege, Chefarzt Dr. McCoy, ihm ein vermeintliches Sprechgerät in die Hand drückte. Diese Maus aber reagierte auf das erneute „Hallo, Computer“ erstaunlicherweise auch nicht.

Tja, wüssten wir nicht, was eine Maus ist, würden wir heute – längst gewöhnt an Spracherkennung und zurückkatapultiert in vergessene IT-Welten – wohl genauso irritiert schauen…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert