Als Monitor im Rigg mit einer Action-Cam

Praxis: So kann man (fast) jede Digitalkamera fernsteuern

Mein Onkel, ein sehr ambitionierter Hobbyfotograf, besaß in den Siebzigerjahren eine sündhaft teure Nikon F2 mit allem Zipp und Zapp – unter anderem einem funkbetriebenen Fernauslöser. Da er besonders der Wildtierfotografie anhing, hatte er sich diese Investition in Höhe von mehreren Hundert Mark geleistet. Also baute er den Fotoapparat auf dem Stativ an einer Position auf, die spannenden Aufnahmen von Dam- und Rotwild versprach, stellte alles sorgfältig ein und verzog sich dann mit dem Sender auf einen Hochsitz in einiger Entfernung. Kamen Tiere vorbei, löste er Bild um Bild per Tastendruck aus. Wenn dann als Dias, denn für die hatte er ein Faible; wenn sie aus der Entwicklung kamen, war die Ausbeute oft mehr als beeindruckend.

Wir anderen mussten dagegen auf Mechanik setzen. Legendär sind die mit Luftdruck betriebenen Fernauslöser. Im Auslöseknopf hatten damals beinahe alle Kameras ein Loch sowie ein Schraubgewinde. Hier befestigte man das Wunderteil, das beim Betätigen einen Dorn nach unten bewegte, der fürs Knipsen sorgte. Auf kurze Entfernung arbeitet man mit Bowden-Zügen, wollte man weiter weg sein beim Schuss, war es eben ein langer Schlauch mit einem tischtennisballgroßen Balg, den es mit der Hand zusammenzudrücken galt, um auszulösen – übrigens ein unverzichtbares Zubehör für Selbstporträts.

Proprietärer Funkfernauslöser von Wallimex für Canon-Kameras
Proprietärer Funkfernauslöser von Wallimex für Canon-Kameras
Als die gute, alte und analoge Photographie mehr und mehr dem digitalen Knipsen wich, verschwand das Thema „Fernauslösen“ lange aus dem Gesichtskreis der Fotoamateure. Immerhin waren ja schon die ersten erschwinglichen Digicams durchweg mit Selbstauslösern ausgerüstet, sodass der Fotograf nicht hinter dem Display stehen musste, um eine Aufnahme zu machen. Aber dann setzten sich ab etwa 2004 in der Computerei zwei Technologien durch, die für das Fernsteuern von digitalen Kameras von durchschlagender Bedeutung sind: Wireless LAN (Wifi) und Bluetooth. Prinzipiell konnte man ab ungefähr 2008 DSLRs, aber auch Kompaktkameras, die über ein WLan-Modul verfügten ins drahtlose Netzwerk einbinden wie jedes andere passende Device auch.

Die Panasonic-Fernsteuer-App - Zugriff auf fast alle Features
Die Panasonic-Fernsteuer-App – Zugriff auf fast alle Features
Entscheidend war aber, dass mit dem Siegeszug des Smartphone schon um 2010 herum Apps von den Herstellern der Kameras – allen voran Nikon, Canon und Panasonic – herauskamen, die man als Fernsteuerung für die Knipse nutzen konnte. Es gab Irrwege – besonders beim Einsatz von Bluetooth -, aber heute hat sich ein grundsätzliches Prinzip durchgesetzt. Die Kamera bietet bei aktivierter Funktion ein Ad-hoc-WLan an, in das sich das Smartphone einwählen kann. Hat das geklappt, sind Handy und Digicam drahtlos miteinander verbunden, und die passende App kann a) alle so verfügbaren Informationen (vor allem das „Sucherbild“) empfangen und bietet b) die Möglichkeiten Einstellungen vorzunehmen und auszulösen.

Das hört sich alles prächtig an, ist aber nicht frei von Fallstricken. Wie weit entfernt man sich mit dem Smartphone von der Kamera entfernen kann, ist natürlich abhängig von der Verbindungsqualität, und die hängt von mehreren Faktoren ab, besonders aber von der Güte des WLan-Moduls und auch davon, wo in der Kamera es verbaut ist. Außerdem muss man mit einer nennenswerten Verzögerung bei der Anzeige des Kamerabildes auf dem Display des Handys rechnen. Manchmal ist aber gar nicht wichtig, dass beide Geräte weit voneinander entfernt agieren. So ist der Überblick über das angepeilte Motiv auf einem Tablet mit größerer Diagonalen besser, der Ausschnitt kann so exakter festgelegt werden.

Camera Connection Kit für ein iOS-Device
Camera Connection Kit für ein iOS-Device
Mit den Apps der bekannten Hersteller (siehe oben) funktioniert das alles inzwischen unter den meisten Bedingungen recht gut. Sicher hätte mein Onkel nach dieser Methode im Wald seine Wildschweinporträts aufgenommen. Außerdem ist die Bedienung durchweg komfortabler geworden. So muss man bei vielen Digicams keine Ad-Hoc-Connection aufbauen, sondern kann bei Bedarf auch beide Geräte in einem bestehenden WLan anmelden und verbinden. Da zudem einige Kameras und viele Smartphones mit NFC-Modulen ausgestattet sind, kann man die Zugangsdaten komfortabel übertragen und muss nichts eintippen.

Komfortabler Fernauslöser mit Timer für Nikon-Kameras
Komfortabler Fernauslöser mit Timer für Nikon-Kameras
Nun haben a) nicht alle, besonders ältere, DSLRs, System- und Kompaktkameras ein WLan-Modul und b) eignet sich eine solche Drahtloslösung aus den genannten Gründen nicht immer. Für Canon- und Nikon-Maschinen bietet sich das eine Lösung per Kabel an. Drei bewährte Apps unterstützen das: Helicon Remote, DSLR Camera Remote oder DSLR Controller. Die Verbindung zwischen Kamera und Smartphone bzw. Tablet (oder gar einem Notebook – so machen es viele Sportfotografen) findet dann per Kabel statt. In einigen Fällen funktioniert das mit dem USB-Draht, der für die Übertragung von Dateien gedacht ist, manchmal muss aber spezielle Hardware her. Kommt ein iOS-Device zum Einsatz, sollte ein „Camera Connection Kit“ (ab rund 30 Euro) angeschafft werden, bei Android-Smartphones- und Tablets wird in den meisten Fällen ein spezieller USB-OTG-Adapters gebraucht, der schon für unter 5 Euro erhältlich ist.

Nachteil einer Kabellösung ist natürlich, dass solch ein Draht die Entfernung zwischen Kamera und mobilen Device begrenzt und zur Stolperfalle werden kann. Von Vorteil ist die durchgehend störungsfreie Verbindung und die Möglichkeit, geschossene Aufnahme automatisch auf Smartphone, Tablet oder Notebook übertragen zu lassen. Voll im Trend liegt übrigens die Kombination aus Action-Cam und Smartphone als Monitor – sogar quasi an einem Handgriff. So ist man nicht auf das winzige Display der kleinen Kamera angewiesen. Hier kann die Verbindung je nach Hersteller und Kameratyp über WLan oder über Kabel hergestellt werden.

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