Datenklo - der legendäre DIY-Akustikkoppler des CCC (Foto: Wikimedia)

Verlorenes Wissen (3): Das EPROM und der Akustikkoppler

Es gab eine Phase in der Geschichte der Computerei, da war Vieles geheimnisvoll und magisch. Ja, die wahren Hard- und Softwarefreaks waren so etwas wie Schamanen, die im Besitz des verborgenen Wissens über die Technik waren. Wir, die wir die Kisten bloß benutzen wollten, bewunderten sie. Und zwar die Bastler genauso wie die Maschinenspracheprogrammierer und natürlich auch die damals noch heorisierten Hacker. Die wussten natürlich wie man ein EPROM schießt und ein Datenklo selbst baut.

EPROM, geschossen oder gebrannt?

Ein echtes EPROM (oben) mit Quarzglasfenster (Foto: Wikimedia)
Ein echtes EPROM (oben) mit Quarzglasfenster (Foto: Wikimedia)

„Ja,“ sagte Dirk P:, „dann schieß ich das auf’n EPROM und hau das auf die Platine.“ So oder so ähnlich hörte sich Mitte der Achtzigerjahre an, wenn echte Experten in Hard- und Software über ihre Projekte berichteten. Als Rainer Normaluser bewunderte ich Typen wie Dirk P., Rainer S., Michael T. und Thomas K. unendlich – die wussten wirklich wie’s geht. Die hockten sich nicht einfach vor den 64er, um geklaute Spiele zu zocken oder mit Raubkopien Diplomarbeiten zu tippen, nein, die machten es SELBST. Einer wie Wolfgang G., der konnte mindestens fünf Programmiersprachen, wenn nicht noch mehr, und der wusste auch zu jedem Computerproblem eine Lösung. Meistens bestand die aus einer Kombination von Programmierung und Bastelei. Und dazu zählte es eben, auch mal einen Code auf ein EPROM zu brennen.

Ein Profi-Prommer von Nokia zum Firmware-Flashen (Foto: Nokia)
Ein Profi-Prommer von Nokia zum Firmware-Flashen (Foto: Nokia)

So ganz ausgestorben sind diese Bausteinchen, die ihren Inhalt auch dann nicht vergessen, wenn kein Strom anliegt, nicht; nur eben nicht mehr in der „normalen“ Computerei. Aber in der Steuerungstechnik ist es immer noch gang und gäbe, Programmcode mit einem Prommer auf einen solchen löschbaren ROM-Chip zu brennen. Außerdem dienen EPROMs in vielen digitalen Bereichen immer noch als Speicher für die Firmware, also die fest installierten Programme für die Grundfunktionen einer Maschine.

Was mich immer am meisten beeindruckt hat: Man kann die auf einem EPROM gespeicherten Daten mit UV-Licht löschen! Das hatte für mich etwas Magisches, weil das irgendwie nicht digital wirkte. Und deshalb hat mich immer die Tatsache fasziniert, dass ein solches an der Oberseite ein Fensterchen aus Quarzglas hat…

Datenfernübertragung per Akustikkoppler

Dataphon S21, der legale Akustikkoppler der Bundespost (Foto: privat)
Dataphon S21, der legale Akustikkoppler der Bundespost (Foto: privat)

Es gab so eine Zeit, das war ungefähr Ende der Achtzigerjahre, da wurden die Helden in Actionfilmen und Thrillern plötzlich hochmodern. Da sieht man Schimanski und Thanner im LKA einer Datenverarbeiterin über die Schulter schauen, die Verbrecherdaten aus den Tiefen des Rechenzentrums holt und Fotos auf Wunsch auf dem High-Definition-Screen vorführt. Die nicht ganz so technokonservativen Drehbuchautoren hatten aber auch schon davon gehört, dass man sich in einen Großrechner hacken konnte; man musste nur irgendwie eine Datenfernübertragung übers Telefonnetz hinkriegen.

Der Böse hat zu diesem Zweck immer einen mächtigen Akustikkoppler dabei, sucht sich eine abgelegene Telefonzelle und legt los. Die Hör- und die Sprechmuschel – die ganz Alten unter uns werden wissen, was gemeint ist… – werden in Gegenstücke aus Gummi gepresst, die auf einem harten Kunststoffknochen angebracht sind. Dann drückt der kriminelle Operator ein paar Knöpfe, wählte eine Nummer und -schwupps- gibt es ein Pfeifkonzert. Plötzlich rauschen Bits und Bytes über den Monitor des mit Mühe tragbaren Computers bis schließlich ein Login-Screen aufpoppt. Und -zack- ist der Hacker im System.

Wau Holland und die Telefonzelle (Foto: Wau Holland Archiv)
Wau Holland und die Telefonzelle (Foto: Wau Holland Archiv)

In der Realität waren wir armen Computerfreaks, die wir uns doch bloß in Mailboxen und BBSe irgendwo auf der Welt einwählen wollten, auf solche klobigen Geräte angewiesen. Damals herrschte noch die Bundespost, der Gilb, wie wir Mehr-oder-weniger-Hacker diese Behörde nannten, und die ließ nicht zu, dass an ihr heiliges Netz irgendwas angeschlossen würde, dem sie nicht den gelben Segen in Form einer FTZ-Zulassung erteilt hätte. Was eine FTZ-Nummer hatte, war teuer und meistens nicht auf dem Stand der Technik. Also ergriff der liebe Chaos Computer Club 1985 die anarchische Initiative und veröffentliche in der Hackerbibel – ja, sowas gab’s in der Steinzeit der persönlichen Computerei – die Bauanleitung für einen illegalen Akustikkoppler namens Datenklo.

Die Mutigen und Geschickten bastelten sich das Teil, der Rest von uns zahlte drauf. Ganz pervers wurde es mit der Erfindung des Modems, einem Teil, das ganz ohne Fernsprechapparat einfach zwischen Telefondose und Computer gespannt wird und die Verbindung ins DFÜ-Universum auch ohne Pieperei hinkriegte. Die hießen Zyxel oder so, kamen aus Amerika und waren aber sowas von verboten! Nun gab es auch beim Gilb heimliche Computerfreaks, und die bekamen es hin, dass auch die Bundespost solche Kästchen anbot.

ZyXEL_Elite, ein Modem-Traum (Foto: Wikimedia)
ZyXEL_Elite, ein Modem-Traum (Foto: Wikimedia)

Eines der ersten erreichte mich als Testgerät. Um es nutzen zu können, musste aber der Telefonanschluss umprogrammiert werden, wozu man im Postamt einen Antrag stellen musste. Also taperte ich zur Moltkestraße, betrat die Schalterhalle und stellte mich an. Als ich an der Reihe war und dem Diensthabenden mein Anliegen vortrug, starrte der mich minutenlang an, um schließlich mit einem Schnaufer der Entrüstung zu sagen: „Aber, diese Apparate sind doch verboten!“ Auf meinen Einwand, es handele sich um ein Gerät seiner Behörde, suchte er den Schalterhallenleiter auf und beriet sich mit dem. Immer noch ausgesprochen entrüstet teilte er mir mit, ich habe im Hautgebäude in Zimmer 471 vorzusprechen, da könne man mein Begehren möglicherweise bearbeiten. Als ich dort vorstellig wurde, entpuppte sich der Beamte als Computerhobbyist und treuer Leser der Fachzeitschrift, für die zu arbeiten ich das Vergnügen hatte. Er sorgte nicht nur für die Umschaltung, sondern versorgte mich mit internen Dokumenten, die quasi eine Art Manual darstellten. Ich bin dem freundlichen Postfrosch immer noch dankbar.

[Fotos: „Datenklo“ – Johann H. Addicks via Wikimedia unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation 1.2; „EPROM“ – Quickfix via Wikimedia unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation“>GNU-Lizenz für freie Dokumentation 1.2; „Wau“ – Wau Holland Stiftung / Archiv; „ZyXEL“ – Johann H. Addicks via Wikimedia unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation 1.2]

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