Marc Andreessen geht's gut (Foto: recode.net)

Internethelden (2): Marc Andreessen – Vom Browser-Krieger zum Risikokapitalisten

Wenn man Marc Andreessen reden hört, denkt man sofort: Ja, der Typ muss aus dem Mittleren Westen sein. Ist er auch. Geboren in Iowa hat er Informatik in Illinois studiert, quasi gleich um die Ecke. Und weil es ihm da oben möglicherweise zu flach und zu langweilig war, ging er für ein Jahr nach Texas für ein Praktikum bei IBM. Von dort dann wieder zurück als Student am National Center for Supercomputing Applications (NCSA) seiner Alma Mater in Illinois. Dort hörte er von den bahnbrechenden Ideen des WWW-Urvaters Tim Berners-Lee. Ihn und seinen Studienkollegen Eric Bina beschäftigte vor allem die Theorie, dass HTML-Code von einer passenden Anwendung in lesbaren Text und sichtbare Bilder übersetzt werden müsse, die außerdem Links auflösen könne – also das, was wir heute einen Browser nennen.

NCSA Mosaic: Erster bester Browser

"NCSA Mosaic" by Source. Licensed under Fair use via Wikipedia - https://en.wikipedia.org/wiki/File:NCSA_Mosaic.PNG#/media/File:NCSA_Mosaic.PNG
NSCA Mosaic, der Vorläufer des legendären Netscape Navigator
Das wird so um 1992 herum gewesen sein – Marc war gerade 21, Eric auch noch keine 30. Da gab es bereits Browser, die immerhin in der Lage waren, Links aufzulösen und Text darzustellen. Nun war aber schon HTML 2.0 unterwegs, das nicht nur das Einbetten von Grafik, sondern eine beschränkte Menge an Formatierungsmöglichkeiten bot. Und darauf stürzten sich die beiden; ihr Browser sollte in der Lage sein, alles, was vom Server an HTML gesendet und vom Rechner empfangen wurde, korrekt am Bildschirm anzuzeigen. Außerdem sollte ihr Teil leichter zu bedienen sein und „Komfortfunktionen“ wie Lesezeichen mitbringen. Das Projekt lief unter dem Namen NCSA Mosaic. Ein kleines Entwicklerteam war am Werk, das von Andreessen und Bina gemanagt wurde. Natürlich schauten sie sich den bereits existierenden Viola-Browser und den reinen Text-Browser Lynx an – von deren Features sie sich inspirieren ließen.

Am 21. April 1993 wurde auf der Mailingliste www-talk diese Revolution des Internets mit folgenden Worten angekündigt:
„Hiermit ist die Version 1.0 von NCSA Mosaic, ein vernetztes Informationssystem und ein World-Wide-Web-Browser für X-Window-Systeme freigegeben. [Quelle: Wikipedia]

"Navigator 1-22" by Source. Licensed under Fair use via Wikipedia - https://en.wikipedia.org/wiki/File:Navigator_1-22.png#/media/File:Navigator_1-22.png
Bis zur Ankunft des Internet Explorers von Microsoft war der Netscape Navigator uneingeschränkter Chef im Browser-Ring
Bis heute ist das NCSA in Illinois ein Thinktank rund um Supercomputing im Speziellen und Digitales im Allgemeinen, das aber nie wieder so ins Licht der computerinteressierten Öffentlichkeit rückte wie mit dem Mosaic-Browser. Der war kostenlos und verbreitete sich in der noch kleinen Gemeinde der WWW-Nutzer mit rasender Geschwindigkeit. Wie wir wissen sahen diese Leute sich eher als Aktivisten denn als User, und daran, dass dieses Internet einmal eine Riesenindustrie nach sich ziehen würde, dachten und glaubten nur sehr wenige. Einer davon war James „Jim“ Clark, der Gründer von Silicon Graphics. Marc war nach dem Abschluss des Studiums nach Kalifornien gegangen, wo er bei der Firma Enterprise Integration Technologies (EIT) einen recht lukrativen Job angenommen hatte. Clark war ein großer Fan des Mosaic-Browser und sah in diesem Stück Software ein gigantisches Geschäftspotenzial. Also rief er diesen jungen Herrn Andreessen einfach an und schlug vor, ein Unternehmen zur Vermarktung des Browsers zu gründen.

Marc Andreessen beschriebt in diesem Video, wie das Internet-Business anno 1994 aussah:

Genie und Mut

Eric Bina (links) und Marc Andreessen (rechts) in jungen Jahren
Eric Bina (links) und Marc Andreessen (rechts) in jungen Jahren
Heute sagt Andreessen, der zu einem der erfolgreichsten Risikokapitalisten des Silicon Valley geworden ist, Basis für den Erfolg eines Start-Up seien „Courage and Genius“. Und, ja, Mut hatte er. Denn er gab Mitte 1994 den tollen Job bei EIT auf und gründete zusammen mit Clark eine Firma namens Mosaic Communications Corporation. Weil aber seine Uni die Rechte für den Namen „Mosaic“ partout nicht freigeben wollte, benannte man das Unternehmen schnell um in Netscape Communications Corporation und taufte den Browser „Netscape Navigator„. Hauptgeschäftszweck der Firma war aber gar nicht die Vermarktung des Navigators, sondern die Entwicklung von Server-Software für das Internet und deren intensive Vermarktung – der Browser diente vor allem dazu, Netscape weltweit bekannt zu machen.

Der gute alte Internet-Explorer
Der gute alte Internet-Explorer
Wir erinnern uns: Noch im Umfeld der Comdex 1994 erklärte Bill Gates das World Wide Web für überflüssig und irrelevant und kündigte an, Microsoft werde ein eigenes Netz aufbauen. Aber die extrem schnelle und hohe Verbreitung des Netscape Navigator riefen im Hause MS Kritiker auf den Plan, die teilweise der Ansicht waren, Microsoft könne seine Marktbedeutung komplett einbüßen, verschlafe man die Entwicklung des Internets. Geschichte wiederholt sich manchmal: So wie MS-DOS ein zugekauftes System war, das mit heißer Nadel für den IBM-PC brauchbar gemacht wurde, so stürzte sich ein MS-Team einfach auf den in der Public Domain befindlichen Code des NCSA Mosaic und machte daraus innerhalb von weniger als zwölf Monaten den Internet Explorer 1.0. Microsoft war im WWW-Zeitalter angekommen.

Browserkrieg verloren

So verlief der Browser-Krieg... (Grafik: Wikimedia)
So verlief der Browser-Krieg… (Grafik: Wikimedia)
Da hatte der Navigator bereits einen Marktanteil jenseits der 80 Prozent, und die Freaks rund um den Erdball, die das World Wide Web für sich entdeckt hatten, waren mit diesem Browser sehr zufrieden (bis auf die Puristen der Public-Domain-Gemeinde, die Mosaic die Treue hielten). Aber nun zettelte Microsoft das an, was als „Browser-Krieg“ in die Geschichte des Digitalen eingehen sollte. Das Ziel war klar: Der IE sollte den Navigator verdrängen. Also gab es ihn auch umsonst, ja, er wurde in das Betriebssystem Windows integriert – was später zu einem lang anhaltenden Prozess um die Frage führte, ob Microsoft so nicht ein Monopol angestrebt habe. Als dieser Prozess endlich ausging wie das Horneberger Schießen, hatte der IE den Krieg schon gewonnen.

Zwischenzeitlich war der Netscape Navigator zu einer eierlegenden Wollmilchsau des Internet geworden, praktisch eine Software-Suite – übrigens mit integriertem Java von Sun und einer breiten Palette an Schnittstellen. Dieses Paket ließ sich die Firma nach der anfänglich kostenlosen Verteilung nun gut bezahlen. Technisch konnte der Internet Explorer erst nach 1998 mithalten, aber zu diesem Zeitpunkt war der Marktanteil für Marc Andreessens Baby schon dramatisch gesunken. 2003 waren dann von den ursprünglich 80 Prozent Marktanteil noch vier Prozent übrig. Ab 1998 gab es den Navigator wieder für umsonst, und Andreessen gab den Quelltext als Open Source frei. Auf Basis dieser Freigabe entstand dann das Projekt Mozilla, das den Browser komplett neu schrieb und zunächst als „Phoenix“, später dann als Firefox veröffentlichte.

Ein Silicon-Valley-Wunderkind

Jim Clark und Marc Andreessen kurz vor dem Netscape-Börsengang
Jim Clark und Marc Andreessen kurz vor dem Netscape-Börsengang
Netscape Communications Corporation war 1995 an die Börse gegangen und kontinuierlich im Wert gestiegen. Der kaum 25-jährige Mark war plötzlich reich, und weil er schlau und eloquent und ausgesprochen kommunikativ war, wurde er bald als DAS Wunderkind des Internets herumgereicht. Und Marc Andreessen hatte schnell gelernt, wie das Business funktioniert. Ja, er verwandelte sich innerhalb von kaum fünf Jahren vom Informatiker zum ausgefuchsten Geschäftsmann. Welchen Anteil an dieser Entwicklung der fast 23 Jahre ältere Geschäftspartner, James H. Clark hatte, ist nicht bekannt. Auch nicht sicher ist, wer von beiden oder ob beide gemeinsam den Deal mit AOL einfädelten. Jedenfalls verkauften sie 1999 Netscape trotz des verlorenen Browser-Kriegs für satte 4,2 Milliarden Dollar an AOL. Damit war Marc auf einen Schlag richtig, richtig reich. Zudem wurde er bei AOL Vorstand für Technik – blieb aber nicht einmal ein Jahr, weil er etwa zu gründen hatte.

Loudcloud hieß die neue Company (die später an Electronic Data Systems verkauft und in Opsware umbenannt wurde), und tatsächlich war es Andreessen, der um 2001 herum als einer der ersten den Begriff „Cloud Computing“ in den Mund nahm. Sein neues Unternehmen lieferte Unternehmen allerlei Services rund um die Netzwerk- und Internet-Infrastruktur und war eines der ersten, das quasi Software zur Miete („Software as a Service“) anbot. Spätestens jetzt durfte man Marc mit Fug und Recht einen Visionär einen; einen knapp dreißigjährigen mit einem Vermögen von mehr als einer halben Milliarde Dollar. Und einem wunderbaren Netzwerk von Kumpeln, die alle ebenfalls etwas auf dem Kasten hatten – allen voran der alte Netscape-Mitstreiter Tim Howe und Ben Horowitz, der ursprünglich bei Silicon Graphics war, aber ebenfalls zu Netscape gewechselt war.

Erfolg als Risikokapitalist

Marc Andreessen bei seiner Hauptbeschäftigung: auf einem Podium sitzen
Marc Andreessen bei seiner Hauptbeschäftigung: auf einem Podium sitzen
2009 wurde es dann für Marc und Ben Zeit, ihre Erfahrung und ihr Wissen um das Business im Silicon Valley anderweitig zu verwerten. Sie gründeten die Venture-Capital-Gesellschaft Andreessen Horowitz (kurz „a16z“ – weil zwischen dem Anfangs- und dem Endbuchstaben genau 16 Zeichen stehen) und begannen, mit großem Erfolg in Start-ups zu investieren. Heute sitzt Marc Andreessen in gut zwei Dutzend Boards, unter anderem bei Twitter und Digg. Geld von a16z steckte und steckt in vielem, was im Internet-Geschäft Rang und Namen hat: Facebook, Groupon, Twitter, Zynga, Airbnb, Lytro, Jawbone, Foursquare, Oculus und Buzzfeed. Andreessen und Horowitz waren die ersten Investoren, die an die Zukunft von Kryptowährungen und vor allem der Blockchain-Technologie glaubten und ein ganzes Bündel entsprechender Start-ups mit Kapital ausstatteten.

Das alles vollführten die beiden Jungs mit einem hervorragenden Team so erfolgreich, dass Marc als vergleichsweise junger Kerl (er ist 1971 geboren) heute zu den gefragtesten Keynote-Speakern bei allen Kongressen rund um Digitales gehört, ständig auf Podien sitzt und auch in den Wirtschaftsmedien omnipräsent ist. In der Szene geht der Spruch um: „Wenn Andreessen an etwas glaubt, dann wird es erfolgreich.“ 2014 wurde Marc Andreessens völlig zu Recht in der Abteilung „Innovatoren“ der Internet Hall of Fame aufgenommen.

Und hier ein Videoclip, der Marc Andreessens 10 goldene Regel für den Erfolg im Geschäft aus verschiedenen Zitaten zusammenbastelt:

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