Schön dargestellt: Das Neffos Y5s von Tplink (Foto: Hersteller)

Was zur Hölle … kann man mit einem Billig-Smartphone anfangen?

Hätte mir jemand vor, sagen wir mal, zwölf Jahren erzählt, 2018 könne man für 70 Euro ein Gerät kaufen, das gleichzeitig Digitalkamera, MP3-Player, Babyphone, Überwachungskamera, Navi, Universalfernbedienung, Musikmaschine und Diktiergerät ist, hätte ich ihn ausgelacht. Und jetzt habe ich solch ein Ding. Als es bei verschiedenen Anbieter das TP-Link Neffos Y5s für kleines Geld gab, habe ich auf Verdacht zugeschlagen. Es handelt sich um ein Dual-SIM-Smartphone mit 5-Zoll-Display mit 16GB Speicher, 8MP-Kamera, Micro-SD-Kartenslot, das unter Android 7.1 läuft – natürlich in China entwickelt und auch dort gebaut. Und wenn man sich ein bisschen umschaut, findet man eine ganze Palette vergleichbarer Devices für unter 100 Euro von verschiedenen Hersteller, die sich ein Eckchen vom Smartphone-Kuchen abschneiden wollen.

Als Monitor im Rigg mit einer Action-Cam
Als Monitor im Rigg mit einer Action-Cam
Zugegriffen habe ich in erster Linie, weil ich einen Monitor für meine Action-Cam suchte, der problemlos in das Rigg für die Minikamera passte. Aber als das Teil dann da war, fielen mir Dutzende von Ratgeberartikeln ein, in denen es darum geht, was man mit einem ausgedienten Smartphone nach dem Kauf eines neuen anfangen kann. Nun tut bei mir auf dem Nachtschränkchen schon seit vielen Jahren ein Nokia 6310 als Wecker Dienst – das brachte mich auf die Spur. Und eines war klar: Zum Telefonieren würde ich das Neffos nicht nutzen wollen, denn mein geliebtes Huawei P20 pro, das mein ebenfalls geliebtes P10 abgelöst hat, ist und bleibt meine Sprech- und Surfmaschine für unterwegs.

Wir fotografieren und filmen

Dass die Kamera im Billigding der überragenden Optik des P20 nicht annähernd das Wasser würde reichen können, war eh klar. Da ich aber zu gut 80 Prozent Fotos und Videos mit dem Smartphone für Website, Facebook und Instagram verwende, ist die Leica-Triple-Kamera mit 40/20/8 MP im Huawei meist ein bisschen overdone – ausgenommen bei schwierigen Lichtverhältnissen oder wenn es um farbstarke, detailreiche Bilder geht. Was soll ich sagen? Im Alltagsbetrieb schlug sich das Neffos mehr als wacker. Schnappschüsse bei Tageslicht draußen gelingen sicher und können sich bei der Darstellung auf Smartphone-, Tablet- und Notebook-Displays auch ohne große Nacharbeit sehen lassen. Und weil mir die Standard-Kamera-App nicht gefällt und meinen Ansprüchen nicht gerecht wird, habe ich flugs die App ProCapture installiert, die ich seit Langem benutze und die auch auf dem P20 Dienst tut. Da deren Fähigkeiten als Videokamera mir nicht wirklich gut sind, kam gleich auch Cinema FV-5 mit drauf.

Die Grundidee brachte mich auf einen nächsten Einfall. Es gibt Dutzende nützlicher Apps rund ums Fotografieren mit DSLR, Systemkameras und Action-Cams. Der Sun Locator sagt einem immer, wo die Sonne gerade steht, auch bei Bewölkung, und verhindert so unerwünschte Gegenlichtaufnahmen. Der Belichtungsmesser OKO Light Meter, der Entfernungsmesser Focus Assistant und die DSLR-Tools und ebenfalls meine Favoriten. Selbstverständlich musste auch die Fernsteuerung für meine Action-Cam von Rollei mit auf das Neffos.

Ja, die mit dem Billigen geschossenen Aufnahmen kann ich natürlich problemlos in der Google-Photo-Cloud ablegen – sobald das Neffos daheim im Wlan angemeldet ist. Die Möglichkeit, das Teil im Drahtlosnetz zu verwenden, ist überhaupt der Schlüssel für jede Menge sinnvoller Anwendungen. Und weil die Dichte an kostenlosen Hotspots zunimmt, geht das oft auch unterwegs.

Wir machen Musik und hören sie auch

Wie ein richtiges Android-Phone
Wie ein richtiges Android-Phone
Einigermaßen unerwartet verkraftet das Y5s auch massige Micro-SDs – zurzeit steckt eine mit 256 GB drin, auf der ich nicht nur Hunderte Fotos und zig Videos ablegen kann, sondern auch ganz, ganz viel Musik. Mit dem Poweramp-App habe ich jetzt einen tollen Musikplayer auf dem Ding, mit der ich mich unterwegs durch Tausende geliebter Songs höre, die alle auf der SD-Karte gespeichert sind. Außer Haus nutze ich einen relativ simplen In-Ear-Kopfhörer, zuhause benutze ich meinen Bluetooth-Kopfhörer namens Soundblaster Jam. Denn, ja, Bluetooth kann das Neffos natürlich auch. Und damit haben wir einen weiteren Schlüssel für den sinnvollen Einsatz in der Hand, auf den wir noch zu sprechen kommen werden. Natürlich könnte ich auch Spotify per Wlan hören, mache ich aber nicht.

Kaum einer ahnt, dass solch ein Android-Handy in Wahrheit auch eine wahnwitzige Musikmaschine sein kann. Es gibt Dutzende hervorragender Apps (Caustic, FM Synthesizer, Common FM etc.) , mit denen man auf dem Smartphone Synthesizer, Sequencer und Sampler simulieren kann und dazu eine ganze Reihe toller Apps, die aus dem kleinen Ding ein Musikstudio (z.B. Stagelight oder Music Maker Jam) machen, mit dem man Stücke ganz gut bearbeiten kann. Und wenn wir schon beim Sound sind: Mit Tape-a-Talk benutze ich das Neffos auch als Diktiergerät, für gesprochene Notizen und um akustische Dinge aus der Umwelt aufzuzeichnen.

Wir überwachen

Gut, IP-Kameras kosten auch nicht mehr die Welt, aber das Multifunktions-Smartphone macht es noch billiger. Voraussetzung ist, dass das Ding als Überwachungskamera mit dem Wlan verbunden ist. Dann kann es die Bilder natürlich auch ins Internet senden, von wo aus sie mit einem anderen Device abrufbar sind. Damit das Neffos entsprechend angebracht und fixiert werden kann, habe ich eine alte Navi-Halterung fürs Auto mit Saugnapf genommen. Genutzt wird das Neffos als Überwachungskamera, um zu gucken, was die Hunde so treiben, wenn sie allein zuhause sind – zum Einsatz kommt die App WardenCam 360.

Natürlich kann man ein solches Handy auch als Babyphone nutzen – hier empfehlen sich übrigens die kostenpflichtigen Apps, die deutlich besser und zuverlässiger sind als ihre kostenlosen Konkurrenten.

Wir finden den Weg

Als Navi in der Autohalterung
Als Navi in der Autohalterung
Ja, auch als Navi kann ein solches Billiggerät eingesetzt werden. Weil es mangels SIM-Karte nicht ins Internet kann, funktioniert das aber nur mit einer App, die auf Offline-Karten zugreift. Und natürlich muss das preiswerte Smartphone auch ein GPS-Modul besitzen. Für dessen Kontrolle empfehle ich übrigens schon seit einiger Zeit die App GPS Status & Toolbox. Die Navi-App Here WeGo passt perfekt zu einem schmalbrüstigen Handy und leistet nicht nur im Auto gute Dienste, wo es bei mir das alte TomTom aus dem Jahre 2009 nahtlos abgelöst hat, sondern funktioniert natürlich auch beim Flanieren durch unbekannte Städte. Und, nein, die App ersetzt weder Google Maps, noch Komoot und schon gar nicht Navigon – für den Normalbedarf reicht Here WeGo aber allemal aus.

Wir steuern und bedienen

Das kleine Wunderdreieck: Broadlink RM Pro
Das kleine Wunderdreieck: Broadlink RM Pro
Es ist noch nicht sehr lange her, da kosteten programmierbare Universalfernbedienungen 100 Euro und mehr. Inzwischen haben sich die Preise beruhigt, und ein Remote-Control-Dings für den Fernseher, den Blu-ray-Player und die Stereoanlage kostet kaum mehr als 15 Euro. In der Regel leben die alle davon, dass sie Infrarot-Signale absondern können, die von den Geräten verstanden werden. Es gibt ja sogar Smartphones, die das auch können, das Neffos zählt nicht dazu. Weil wir aber eine Hausdienerin namens Alexa haben, haben wir auch ein Broadlink RM, das quasi die Schnittstelle zwischen dem ganzen Smarthome-Kram und den guten alten IR-Empfängern darstellt. So steuern wir diverse Lampen, die ganze Medienmimik, den Luftbefeuchter und andere Dinge, die an Steckdosen hängen.

Schön und gut, aber dem Broadlink die diversen Steuercodes für einige Geräte beizubringen, ist mehr als mühsam. Deshalb haben wir uns beim TV, den Playern und dem Receiver auf die Funktionen Ein und Aus beschränkt. Die smarten unter den Mediengeräten lassen sich aber übers Wlan steuern, und da kommt das Billig-Smartphone mit ein paar Apps ins Spiel, die nämlich die mitgelieferten IR-Fernbedienungen simulieren. Die habe ich allesamt aufs Neffos geholt und benutze es tatsächlich im Alltag als Remote Control. Und Alexa beginnt sich zu langweilen…

Wir telefonieren

Mit der FRITZ!fon-App als Festnetztelefon
Mit der FRITZ!fon-App als Festnetztelefon
Wie jetzt, doch telefonieren? Ja, und zwar ohne SIM-Karte und auch nur zuhause im Wlan – wenn der Router eine FRITZ!Box ist. Tatsächlich gibt es die App FRITZ!fon, mit der sich jedes Smartphone im Drahtlosnetzwerk zum Telefonapparat im Festnetz machen lässt. Dazu muss es nur einmal am Router angemeldet werden. Wählt man anschließend eine Nummer auf dem Handy, hat man die Wahl, ob die eingebaute Telefon-App (die ja ohne SIM nicht funktioniert) zum Zuge kommen soll oder eben FRITZ!fon. Das klappt auf Anhieb und reibungslos.

Und wer keine FRITZ!Box hat, der kann trotzdem die Internet-Telefonie (VoIP) nutzen, braucht aber ein SIP-Konto. Und das kann man beim jeweiligen Internetprovider aktivieren. Wenn man in der Standard-Telefon-APP die Einstellungen und dort den Punkt „Anrufkonten“ aufruft, lässt sich dort das SIP-Konto hinzufügen. Je nach Option würde außerhalb der Wlan-Reichweite immer per SIM telefoniert und im Drahtlosnetz dann per VoIP.

Wir spielen bis der Arzt kommt

An der Shredder-App führt kein Weg vorbei
An der Shredder-App führt kein Weg vorbei
Mit den modernen Spiele-Apps habe ich es nicht so, aber ohne Schach, Backgammon, Kniffel, Scrabble und Konsorten würde es mir langweilig. Die gute Nachricht: Die meisten Apps für diese Sorte Spiele brauchen keine mobile Internetverbindung und funktionieren überall. Gerade unterwegs befasse ich mich gern mit einer zünftigen Partie Schach. Da lasse ich das Display des Neffos einfach an und werfe ab und an einen Blick aufs Brett.

Und was wird aus dem Super-Duper-Smartphone?

Bevor wir uns dieser Frage stellen, eine überraschende Nachricht: Weil man weder telefoniert, noch ausschweifend surft, reicht beim Neffos eine Akkuladung sage-und-schreibe bis zu sechs Tage! Außerdem liegt es meistens zuhause rum und kommt nur mit, wenn irgendetwas mit Fotografieren oder Filmen geplant ist. Im Alltag hat das Huawei P20 pro immer noch die Nase vorn und spielt die Hauptrolle. Der Hauptgrund: Auf dem „richtigen“ Smartphone habe ich buchstäblich Dutzende Apps, die für mich Informationen aus dem Internet saugen, sowie die Apps der wichtigen sozialen Medien. Das alles funktioniert nur im SIM-Betrieb.

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