Es mag damit zu tun haben, dass ich einer anderen Generation angehörte. Denn in meiner Zeit als Chefredakteur von Data Welt und später PC Praxis nunterschied ich mich von allen Redakteuren und Autoren vor allem durch mein damals schon biblisches Alter von 30+. Da konnte nur der Herausgeber, Dr. Achim Becker (genannt Doc), mithalten, der sogar noch einen Hauch älter war. Während die ganzen Youngster sich der Computerei aus der spielerischen Ecke genähert hatten und näherten, war meine Begeisterung für den Comouter vor allem durch die Möglichkeit gespeist, Textverarbeitung betreiben zu können, Tabellenkalkulation, Datenverwaltung und derlei ödes Zeug mehr. Insofern war ich im schönen Jahr 1986 a) großer Freund der MS-DOS-Kisten und b) Riesenfan des Apple Macintosh, weil man mit dem arbeiten konnte UND Spaß dabei haben. Dieses ganze Homecomputer-Kroppzeug war mir reichlich wurscht, auch wenn die Masse unserer Leser genau zu diesen Spieldingern Infos und vor allem Listings wollten. Weil mir das alles auf den Keks ging, erfand ich dann übrigens die PC Praxis – als ernsthafte Special-Interest-Zeitschrift für Menschen, die mit dem Computer etwas Ernsthaftes anstellen wollten, womöglich sogar geschäftlich…
Weil aber der Doc seit den Zeiten des VC20 Bewunderer von Jack Tramiel war und dessen Tun blind folgte, musste wir mit der Data Welt ab Sommer 1985 volle Kanne einen auf Atari ST machen. Ja, wir estellten eigens einen Redakteur ein, der sich schon auskannte und hatten ein Kolumnisten zum Thema, der viel wusste, aber nicht schreiben konnte. Tatsächlich brachte diese Fokussierung auf den ST auch Auflage, Auflage, Auflage. Nicht einmal die Ankunft eines Heftes mit dem bescheuerten Namen „Level 16“ konnte uns kratzen. Wir waren die Atari-ST-Experten. Punkt. Aber diese Festlegung hatte auch Nachteile. So lehnte es die damalige Pressesprecherin von Apple Deutschland wegen unsere Atari-Freundschaft rundheraus ab, uns Macs zum Testen zur Verfügung zu stellen. Was mich besonders traf, hatte ich mir doch den dritten aller offiziell in Deutschland verkauften Apple Macintosh gesichert und liebte den Würfel heiß und innig. Farbe? Wozu? Stört beim Schreiben nur. Außerdem ist die Schrift einer Schreibmaschine auch meist schwarz und kommt auf weißes Papier.
Und mit Computerspielen konnte ich – einmal abgesehen vom Schach, aber das ist eine andere Geschichte – rein gar nichts anfangen. Also nahmen wir die Premiere des Amiga redaktionell eher unterkühlt auf. Wie Digisaurier Christian schreibt, löste diese Coolness übrigens eine Eiszeit zwischen Data Becker in Gestalt vom Doc und dem damaligen Commodore-Deutschland-Chef Winfried Hoffmann eine kleine Eiszeit aus, die dann erst durch den Scoop der Glimmertwins Spanik & Rügheimer wieder zu Tauwetter wurde. Denn die beiden mit Christian als Wortführer, weil inzwischen in Düsseldorf lebend, schafften es, unseren Dr. Achim Becker vom Amiga zu überzeugen – ganz im Stil der Apple-Evangelisten, die den Mac in den Achtzigerjahren zum Kult-Computer machten.
Wir von der Data Welt hielten uns da raus und ignorierten den Amiga aus den genannten Gründen. Und dann begannen die Amiga-Missionare, mich zu nerven. Man könne, man solle, man müsse doch dringend eine ganze Rubrik zum Amiga in der Data Welt und überhaupt. Da trafen zwei Welten aufeinander, denn für uns Redakteure war der Amiga, nach dem wir ihn kennengelernt hatten, bloß wieder eine bunte Spielkiste. Das Potenzial in Sachen Kreativität erkannten wir nicht. Das mussten uns die beiden Nervensägen aus Amiga-Land erst beibiegen. Und weil Christian nervte und nervte, gaben wir dem Drängen nach und eröffneten eine Rubrik namens „Amiga-Window“, die voll und ganz von Christian und Hannes gefüllt wurde. Um ehrlich zu sein: Entgegen meiner Aufgaben als Chefredakteur las ich die Beiträge dort nicht, ich ließ sie lesen. Sah ich den eingeschalteten Redaktions-Amiga, gingen mir die bunten Icons gleich auf den Geist, und das, was man real an Video und Musik mit der Kiste machen konnte, erschien mir wenig. An dieser Einschätzung hat sich bis heute wenig geändert.
Dem Heft aber tat die Öffnung in Richtung Amiga gut. Weil die anderen Computerzeitschriften so gut wie keine Praxisgeschichten zu diesem Commodore brachten, griffen die Amiga-Fans bevorzugt zur Data Welt. Und weil sie das taten, tat die ganze Sache auch den Amiga-Büchern von Data Becker gut, was wiederum dem Autorendup Spanik & Rügheimer guttat. Aber dem Amiga tat das letztlich alles nicht gut, weil er – deutlich mehr als der Atari ST – im Reich der Homecomputer verortet wurde, und das befand sich gerade im Niedergang. Überlebt haben statt dessen die MS-DOS- bzw. Windows-Rechner und die Macs von Apple, weil diese beiden Computersorten es in die Büros und Firmen schafften, wo man die Kisten zum Arbeiten brauchte.
Gleiche Stadt, gleiches Jahr, gleicher Job. Aber anderes Heft. Und mit Fokus auf ganz viele bunte Bildchen ;-)
http://www.mx-24.de/cg.jpg
Hallo! Die Ignoranz bezüglich des Amigas kann ich nicht ganz nachvollziehen, da der Amiga auch vom Betriebssystem her das leistungsfähigste OS hatte (Und selbst Apple ja auch irgendwann erkannt hat, dass ein farbiges GUI doch irgendwie besser ausschaut) und auch sonst die Argumente eher dünn formuliert sind. (Insbesondere darüber, dass das eingeschränkte Sichtfeld bis heute besteht – das erinnert mich an die Diskussion mit ATARI Usern, die ja vor allem die serienmäßige Midi-Schnittstelle anprisen – Als man sie gefragt hat, wieviele Songs sie denn schon damit bearbeitet haben, wurden sie auf einmal ganz schmallippig).
Aber ich bin sehr dankbar für die geschichtlichen Hintergründe.
Ignoranz? Geht auch ne kleinere Münze? ;–))
Um meine Position mal ganz knapp zusammenzufassen: Für mich waren von Anfang und bis heute Computer Arbeitsgeräte; ob ein OS „leistungsfähig“ war oder ist, war und ist mir herzlich egal. Hauptsache, ich kann darauf ordentlich schreiben, rechnen und Datenbanken pflegen bzw. seit 1996 ordentlich im Internet rumfuhrwerken. Ob schwarzweiß oder bunt, ist ebenfalls wurscht.
Hallo Rainer. Wenn es ein wenig weniger sein soll dann nehm ich das zurück und schreibe dass da der Blick partiell für mich vielleicht etwas verengt ist. ;) War vielleicht eine (zu) harte Formulierung, aber bezog sich darauf:
„Sah ich den eingeschalteten Redaktions-Amiga, gingen mir die bunten Icons gleich auf den Geist, und das, was man real an Video und Musik mit der Kiste machen konnte, erschien mir wenig. An dieser Einschätzung hat sich bis heute wenig geändert.“
Das ist halt in meinen Augen etwas zu kurz gegriffen. Was der Atari in den Tonstudios war, das war der Amiga im Videobereich.
Ich kann mich erinnern, dass das ZDF mal (muss Anfang/Mitte der 90er gewesen sein) eine Sendung mit Blick hinter den Kulissen hatte und da betraten die einen Computerram, in den mal eben mindestens 20 Amiga 2000 und 3000 (4000?) waren. Außerdem wurde er im professionellen Bereich für sein hervorragend dokumentiertes OS geschätzt, daher wurde er auch viel bei der NASA eingesetzt.
Übrigens macht der Wettstreit auch nach 30 Jahren noch Spaß. ;) Spaß beiseite – Ich fand trotzdem den Beitrag sehr wertvoll, da mir vieles davon noch nicht bekannt war.
(ich hab übrigens den Heise-Artikel über den Amiga geschrieben)
vg,
Markus
Das sehe ich ähnlich. Zum Schreiben, Rechnen & Co. waren damals die meistem Computer geeignet. Letztendlich war die Leistungsfähigkeit im Multimediabereich und im Bereich der Spiele ausschlaggebend für den damaligen Erfolg des jeweiligen Rechners. Ob die Icons bunt waren oder nicht, für mich war das kein Argument für oder gegen ein Computersystem – wobei, das am Rande, wir heute wieder mit dem Flatdesign von Icons wieder verstärkt simplifizieren, was ich auch gut finde. Der Amiga war und ist mein Lieblingskind, er hat die Computergeschichte entscheidend mitgeprägt, ebenso wie die zahlreichen anderen tollen Computersysteme der vergangenen Tage. Manchmal vermisse ich die Vielfalt. :)
Als die Data-Welt noch erschien, war ich in der Grundschule, trotzdem habe ich später nach dem Studium bei Data Becker angeheuert, da zeigte die Computerwelt aber schon klar Richtung iPad und Devices. Den Amiga habe ich tatsächlich nur als Spielkiste verwendet, aber ich war ja auch ein Kind. Erst in der Rückschau ist mir dann aufgefallen, was man alles mit dem Teil hätte machen können. Schade, irgendwie.
Ah, die „das ist doch alles nur Spielerei“ Fraktion. „Bunte Icons, was soll das, wir arbeiten lieber professionell mit MS-DOS 3.2“. Wo waren Sie, als Windows 95 rauskam? Hätten Sie das nicht verhindern können? ;-)
Ach, jetzt ist es eh alles egal. PCs sind bunt, das schlechteste OS hat sich durchgesetzt, Milliarden Dollar und noch viel mehr Gehirnschmalz wurde in Verbesserungen investiert die dank Microsoft & Co. einfach verbrannt werden (Windows NT 4: 16 MB und läuft. Windows 7: 2 GB und läuft. Windows 10 – tut dasselbe – empfohlen werden 8 GB).
Danke, dass Sie Ihre Gedanken und Geschichten teilen. Ich habe an den Amiga geglaubt…