Blockchain (Symbolbild - Quelle: Wikimedia)

Was zur Hölle … geht mich persönlich das Thema „Blockchain“ an?

Es ist so ähnlich wie bei diesem Internet (Die Älteren werden sich erinnern): Irgendwann war es da, und diese ganzen uncoolen Nerds schwafelten unentwegt davon. Wir Normalos verstanden Bahnhof und fragten uns: Hat das irgendwas mit mir zu tun? Heute shoppen Else und Michael Mustermann pausenlos in Online-Läden, es wird getindert und gewhatsappt, dass die Schwarte kracht, und keiner redet mehr davon, dass das alles was mit diesem Internet zu tun hat. Auch der Merkel’sche Fauxpas vom digitalen Neuland liegt nun schon ein paar Jahre in der Vergangenheit. Inzwischen haben sich die Buzzwords die Klinke in die Hand gegeben, und alle außer den news-geilen Medientypen haben regelmäßig desinteressiert abgewinkt. Das sollten Sie und ich, du und wir alle beim Thema „Blockchain“ nicht tun, denn dieses, ja, was eigentlich? … Prinzip hat das Zeug, das Leben aller Menschen nachhaltig zu verändern.

Leider haben aktuell vor allem die Evangelisten der digitalen Währungen, namentlich Bitcoin, und diverse alerte Wirtschaftsleute die Deutungshoheit rund um Blockchain fest am Wickel. Und wieder versteht der Rest von uns nur Bahnhof.

Tatsache ist, dass der Stephen Hawking der Blockchain-Methode, der blutjunge Kanadier Vitalik Buterin, es geschafft hat, eine sehr, sehr, sehr theoretische Theorie in die Praxis umzusetzen. Und zwar in Form der digitalen Plattform Ethereum. Die wiederum DAS Werkzeug für die virtuelle Währung Bitcoin wurde. Technisch betrachtet geht es um die verschlüsselte Verkettung von Informationsblöcken, bei der ein Block jeweils „weiß“, wer sein Vorgänger ist und was in ihm steckte. Weil jeder Block verschlüsselt wird, sobald er in der Kette nach hinten wandert, können vergangene Informationen nicht mehr geändert werden.

Verträge ohne Notar

Notar? Nicht mehr nötig bei den Verträgen der Zukunft
Notar? Nicht mehr nötig bei den Verträgen der Zukunft

Alltagsbeispiel gefällig? Du hast ein Grundstück gekauft. Im Kaufvertrag sicherte der Verkäufer zu, den Vertrag aufzulösen, falls es zu einer möglichen Änderung des Bebauungsplans kommt.

Dieser Vertrag stellt einen Block in einer kleinen Blockchain statt, die das rechtliche Verhältnis zwischen dem Verkäufer und dir regelt. Nun ist dieser Verkäufer aber ein böser Mensch, zu dessen Komplizen leider auch der Notar zählt, der den Vertrag beglaubigt hat. Nun hat die Stadt entschieden, dass auf den in Frage kommenden Grundstücken nur noch eingeschossig gebaut werden darf – und das bedeutet: du möchtest keinen Flachbau errichten und lieber woanders bauen.

Laut der strittigen Klausel könntest du vom Kaufvertrag zurücktreten. Aber leider haben der böse Verkäufer und sein Helfershelfer den Vertrag in ihrem Sinne gefälscht und die Rücktrittsklausel gekillt. So, und jetzt beweis du mal, dass die Klausel vorher drin war… Wäre dieser Kaufvertrag ein Block in einer Blockchain, könnte er schlicht und einfach nicht mehr gefälscht werden.

Blockchain minimiert Betrugs-Risiko – so einfach ist es

Ein mir persönlich bekannter Banker, der seit zig Jahren mit der Risikobewertung zu tun hat, sagte dazu:

„Ähnlich wie im virtuellen Zahlungsverkehr geht es um Sicherheit; das Risiko, betrogen zu werden, kann durch das Blockchain-Konzept drastisch minimiert werden.“

Und damit kommen wir der zukünftigen, alltagspraktischen Bedeutung der Blockchain-Methode langsam auf die Spur. Denn erfunden hat Vitalik Buterin das, was „Smart Contract“ genannt wird, also „schlauer Vertrag“. Das alles hat sehr viel mit dem Online-Handel zu tun, der bekanntlich anonym und asynchron abläuft – Käufer und Verkäufer stehen sich eben nicht persönlich am Verkaufstresen gegenüber, wo das Prinzip „Geld gegen Ware“ gilt, also dass der Käufer die Scheinchen rüberschiebt und der Verkäufer im Gegenzug die gekaufte Ware physisch aushändigt.

Im Online-Handel weiß der Händler von jedem Kunden nur, so viel wie dieser preisgibt bzw. preisgeben muss. Das gilt umgekehrt übrigens auch. Und weil im Online-Handel auch virtuell bezahlt wird, besteht für den Händler ein bezifferbares Risiko auf Zahlungsausfall. Der Käufer geht das Risiko ein, nicht die bezahlte Ware zu erhalten.

Vertrauen ist gut, Verschlüsseln besser

Kreditkarten mit definiertem Betrugsrisiko
Kreditkarten mit definiertem Betrugsrisiko

Die beliebteste Betrugsmethode (die heute nicht mehr die ganz große Rolle spielt) ist das Bezahlen mit einer gestohlenen Kreditkartennummer.  Der Betrüger gibt die beim Kauf an, der Händler bekommt sein Geld über die Kreditkartengesellschaft, und der eigentlich Inhaber der KK-Nummer findet mit Verzögerung eine Transaktion auf seiner Abrechnung, die er nie vorgenommen und autorisiert hat.

Beide Seiten – der Händler und der Betrogene – hatten Vertrauen in die KK-Gesellschaft, das nun stark beschädigt ist. Der Dieb aber lacht sich ins Fäustchen und kauft gleich wieder mit einer anderen geklauten Nummer ein. Die Haftung lag Jahrzehnte lang bei der Kreditkartengesellschaft, die eine solche nicht-autorisierte Zahlung aus der Abrechnung strich – auch weil sie gegen solche Ausfallrisiken versichert war. Mit dem anschwellenden Online-Handel wuchs die Betrugsquote (die ähnlich wie beim Ladendiebstahl jahrelang bei rund 4,5% der Transaktionswerte lag) drastisch. Und zwar so drastisch, dass es zu einer grundlegenden Änderung bei der Haftung kam. Plötzlich war – verkürzt ausgedrückt, aber in den meisten Fällen – der bestohlene Kredikarteninhaber in der Haftung.

Bei einem online getätigten, per Kreditkarte bezahlten Kauf, entsteht ein Vertrag mit drei (in Wahrheit sind es vier oder fünf) Vertragspartnern. Der Händler verpflichtet sich, die Ware zu liefern. Der Käufer verpflichtet sich, die Ware zu bezahlen. Und die Kreditkartengesellschaft verpflichtet sich, den Händler auszuzahlen und sich das Geld beim Käufer zu holen. Das ist ein beinahe idealtypischer Fall für einen Smart Contract, denn in dem könnten Blöcke stecken, die beschreiben, ob es tatsächlich der Kartenhalter war, der den Kauf getätigt hat (Authentifikation), und ob er diesen Kauf auch genehmigt hat (Autorisierung). Die Kreditkartengesellschaft könnte sich auf den Deal einlassen, weil das Blockchain-Verfahren sicherstellt, dass alle Beteiligten rechtmäßig gehandelt haben.

Bitcoin & Co – macht Blockchain Banken überflüssig?

Die Rolle der Banken wird sich ändern
Die Rolle der Banken wird sich ändern

Und so funktioniert auch diese virtuelle Währung namens Bitcoin. Wie jede reale Währung geht es beim Bezahlen per Bitcoin auch um das Einhalten von Verträgen: Wenn du mir diese oder jene Ware lieferst bzw. diese oder jene Dienstleistung ausführst, gebe ich dir dafür die vereinbarte Menge an Bitcoins.

Es gibt aber auch einen quasi übergeordneten Vertrag, den jeder „unterschreibt“, der Bitcoins nutzt: Ich gebe jede Bitcoin, die ich besitze, nur einmal aus. Und weil genau an dieser Stelle das Betrugsrisiko am größten ist, werden ALLE Transaktionen, die mit Bitcoins ausgeführt werden, in EINER dezentralen Datenbank in einer einzigen Blockchain aufgezeichnet. Während bei klassischen Währungen bei Geschäften immer eine Instanz existieren muss, die eine vertragsgerechte Abwicklung garantiert, besteht die Absicherung bei Bitcoin allein in der Existenz der dezentralen Blockchain und der kryptografischen Verschlüsselung. Während der Wert eines Euro durch die Zentralbank garantiert wird, ergibt sich der Wert einer Bitcoin aus der Historie aller Transaktionen.

Geschäfte können so unabhängig von Geldinstituten, Zahlungsdienstleistern und staatlichen Institutionen mit vertretbarem Risiko abgewickelt werden. Natürlich sind auch Blockchain-Transaktionen mit einem gewissen Risiko behaftet – wie eben alle finanziellen Transaktionen immer riskant sind, weil man betrogen werden kann. Aber das grundsätzliche Risiko des Zahlungsausfalls ist bei einer virtuellen Währung aktuell sogar niedriger als wenn man mit Dollars oder Euros bezahlt. Die größte Quelle für möglichen Betrug liegt beim „Schöpfen“ von Bitcoins. Bei einer staatlichen Währung setzt die jeweils zentrale Institution das Gesamtvolumen aller im Verkehr befindlichen Einheiten fest.

Wie man Bitcoins „macht“

Bei Bitcoin kann sich jeder Teilnehmer Bitcoins dadurch erarbeiten, dass er dem dezentralen Netzwerk Rechenkapazität zur Verfügung stellt. Wenn ich also einen Bitcoin-Client auf meinem Rechner laufen habe und es zulasse, dass mein Rechner als Verteiler der universellen Bitcoin-Blockchain fungiert, wächst mein Guthaben kontinuierlich an. Auch wenn ein Missbrauch an dieser Stelle bisher nicht nachgewiesen werden konnte, liegt hier der Schwachpunkt des Systems.

Werden wir alle also bald nur noch mit Bitcoins bezahlen? Vermutlich nicht. Ob es ausgerechnet diese Währung ist, die langfristig (so wie dieses Internet) nicht tot zu kriegen ist, bleibt fraglich. Viel wahrscheinlicher ist, dass sich das Prinzip des Smart Contract im globalen Business durchsetzen wird, weil bei Geschäften über die Staats- und auch Währungsgrenzen hinweg schon heute immer wieder die Frage stellt: Wer garantiert die Einhaltung der Verträge?

Beim Blockchain-Konzept braucht man keine Instanz mehr, die dafür garantiert. Würde diese Anwendung auch in den privaten Bereich bzw. in den Geschäftsverkehr zwischen Konsumenten und Unternehmen überschwappen, wäre das eine ähnlich welterschütternde Revolution wie die Ankunft und Verbreitung des Internets – sie würde die Rolle von Staaten ganz massiv in Frage stellen, die Bedeutung von Rechtssystemen erheblich beeinträchtigen und vermutlich auch unser Denken stark verändern.

Und hier ein toller Vortrag aus dem Fraunhofer-Blockchain-Labor:

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