Der Mac - 1984

Apple nervt! Oder: Mein Leben mit und ohne Mac (1)

Da stand der knuffige Würfel und lächelte mich an. Mein erster Macintosh. Ja, Macintosh, denn 1984 sprach und schrieb man den Namen noch aus. Und wer auf sich hielt, wusste, dass dies der Name einer Apfelsorte ist. Der Weg zu meinem ersten Macintosh war, nun, ungewöhnlich und begann mit dem Besuch eines Vertreters in der PR-Agentur, in der ich in den späten Achtzigerjahren wirkte. Wir hatten IBM-Kugelkopfschreibmaschinen im Einsatz. Aber meine Chefs waren fortschrittsgläubig und technik-affin und wollten mit der Zeit gehen. So forderten sie bei allen möglichen Bürotechnik-Läden Angebote an. Um es vorweg zu nehmen: Am Ende kam eine Speicherschreibmaschine von Triumph-Adler dabei heraus, eine… Spannend war aber dieser Vertreter, der im Besprechungsraum einen Apple II aufbaute und vorführte. Wir alle verstanden Bahnhof, und der gute Mann zog unverrichteter Dinge wieder ab. Und kam Anfang 1983 wieder, um uns Lisa vorzustellen. Ich gestehe, ich fiel in Liebe mit Lisa. Ich wollte eine haben, haben, haben…

Allein, Lisa kostete so viel wie ein kaum gebrauchter VW Käfer. Mir hatte es diese – wir wussten gar nicht wie man es nennen sollte – „Benutzeroberfläche“ angetan und die Maus natürlich. Natürlich winkten die Chefs wieder ab, aber ich war angefixt. Mein Weg führte dann über einen ZX81 mit Folientastatur ins Amt des Chefredakteurs der Data Welt, zunächst Katalogheft, später Zeitschrift aus dem Hause Data Becker in Düsseldorf. Nun war ich technisch, spezielle informationstechnisch eine Null. Saßen irgendwelche Hochbegabten in einem Denktank des Data-Becker-Hauptquartiers beieinander, um die C64er in Maschinensprache zu programmieren, kam ich mir vor wie ein Marco Polo in China: Ich wusste nicht einmal, wovon die sprachen. Und dann diese Bildschirme, auf denen man erst einmal einen Haufen grüner Zeichen auf schwarzen Grund werfen musste. Mir war klar: So wird das nix mit der Computerisierung.

Dann kam 1984. Das Orwell-Jahr. Der Beginn der Ära, an deren Ende – so die Kassandren des Datenschutzes – wir allen von den Computern ausgehorcht und so medial unterjocht würden. Okay, die Miesepeter haben irgendwo Recht behalten, aber so schlimm fühlt es sich ja gar nicht an, dass alle persönlichen Daten in irgendeinem Google- und oder NSA-Datenlager rumfliegen. Inzwischen hatte die Computerisierung der Geschäftswelt intensiv an Fahrt aufgenommen, aber immer noch war DAS RECHENZENTRUM mit den weißbekittelten Operatoren der Tempel des Wissens, in den kein Unwürdiger einzudringen hatte. Nur drüben, im hippiesken Kalifornien, da hatte ein Haufen Spinner die Idee, Menschen könnten doch eigene Computer haben, menschenfreundliche, fröhliche und leicht zu bedienende, über die sie 100 Prozent Kontrolle hätten. Das Konzept nannte sich „Persönlicher Computer“, und die zweite Computerzeitschrift in Deutschland hieß folgerichtig „Computer persönlich“.

So ganz genau weiß ich nicht mehr, woher ich vom Macintosh erfuhr. Kann sein, dass es eine Notiz im Spiegel oder der Frankfurter Allgemeinen oder der Süddeutschen gab, die von einem aufsehenerregenden Werbespot berichtete. Einer Reklame in der Halbzeit dieses Endspiels von American Fußball – oder wie das hieß -, die sauteuer war und einen ganz neuen Computer vorstellte – einen von Apple. Mit American Football waren wir in Düsseldorf einigermaßen vertraut dank der glorreichen Panthers, die damals DAS deutsche Football-Team schlechthin waren. Als ich mitbekam, dass Apple im Spiel war, dachte ich an … Lisa. Dann die ersten Zeitungsanzeigen für das Ding; im Stern hatte ich die gesehen. Oder war es in der ZEIT? Da stand der Macintosh und lächelte uns alle an: Habt keine Angst, ich bin das Computerchen, das euch liebhat und von euch liebgehabt werden will. Kurz und gut: Ich bestellte blind einen beim zuständigen Apple-Händler, der in Düsseldorf damals „Kleinofen“ hieß, also den Namen des Ing. führte, der ihn aufgemacht hatte.

Der Mac II - eine stattliche-schöne Erscheinung
Der Mac II – eine stattliche-schöne Erscheinung
Leider war der Macintosh ein Männchen, sodass sich die Liebesgefühle wie bei der Lisa nicht einstellten. Nein, der Würfel wurde mein Freund, mein Kumpel, mein Buddy. Während die Welt um mich herum mit komischen und durchweg hässlichen Kisten von Tandy, Atari, Commodore oder IBM rumhantierte, genoss ich jede Stunde am Mac. Ja, der dritte seiner Art, der in Deutschland verkauft worden war und bei mir wohnte, hieß jetzt einfach Mac. Nach einem Jahr tauschte ich meinen ersten Mac gegen den zweiten ein und tat aus sentimentalem Gründen so, als seien sie beide ein und dieselbe Persönlichkeit. Fürs Grobe kam dann noch ein IBM-Kompatibler ins Haus, und die lange Ära der friedlichen Ko-Existenz der Systeme bei mir daheim begann. Sie sollte bis 1998 dauern, denn das war das Jahr, als ich mich von Apple-Produkten final verabschiedete.

Die nächste große Liebe: Mac II
Ganz ehrlich: Dicke Bücher am Winzbildschirm des Würfels zu tippen, war ziemlich doof. Auch wenn das Schwarz auf Weiß die Sache erträglich machte. Aber immer wieder hatte ich Freude, dieses schöne Gerät auf meinem Schreibtisch zu sehen. Als ich dann einen Apple IIc zum Test bekam, war ich dem Design aus Cupertino verfallen, für lange, lange Zeit. Noch heute wird mir ganz feierlich, wenn ich das Bild eines Esslinger-Computers neben einem PC jener Jahre sehe – wie IKEA vs. Gelsenkirchener Barock. Und dann kam Mac II. Das Dilemma schien gelöst: Mac UND richtiger Computer in einem. Kleinofen verkaufte mit einen der ersten zehn in Deutschland samt Laser(!)drucker im Sommer 1987 für summa-summarum rund 15.000 Mark. Dafür hätte ich damals auch einen guten gebrauchten 3er-BMW gekriegt, aber der war seinerzeit nicht halb so schick.

Der Mac II hatte einen Farbbildschirm. Ein Mac in BUNT! Und Sound. Und schnell. Und und und. Dieser Apple war nicht bloß cooler als dieser ganze Homecomputerkram und alle PCs zusammen, der war … mächtig. Wie beim Würfelchen am Anfang freute ich mich auf jede Stunde Arbeit am Schönling, der zwar mehr Platz auf dem Schreibtisch brauchte, aber eben prima zur Büroeinrichtung passte. Jürgen Freund, ein viel zu früh verstorbener Künstler und gelernter Werbegrafiker war so verzückt von dem Teil, dass er nicht selten an meinem Mac II Druckvorlagen bastelte, weil sein MS-DOS-Kasten zuhause dazu ungeeignet war. Selbst die Flipper-Simulation auf dem Gerät war der Hit bei Groß und Klein.

Vielleicht war dieser Mac, der bis 1995 seine Arbeit ohne Murren und Klagen verrichtete, der treueste Computer, den ich je besaß. Dass er sich in rund acht Jahren trotz seines eminent hohen Anschaffungspreises bezahlt gemacht hat, steht außer Frage.

Der Mac für unterwegs: PowerBook 140
Natürlich hatte ich mir auch den ersten tragbaren Mac angeschaut und sein Wesen mit einem kurzen, hämischen Lachen quittiert. Da hatte Apple, das ja zu der Zeit dank Sculley ohnehin auf dem Weg in den Normalitätssumpf war, voll danebengegriffen. Überhaupt: So richtig sexy waren die jeweils neuen Maschinen aus Cupertino nicht mehr. Es fehlte das gewisse Extra. Schlimmer noch: Durch allerlei Betriebssystemverirrungen wurde die friedliche Koexistenz mit den MS-DOS-Computer immer schwieriger – von Datenkompatibilität konnte ab etwa 1993 nicht mehr die Rede sein, was dazu führte, dass mein geliebter Mac II fast nur noch für Desktop-Publishing-Aufgaben zum Einsatz kam, während die Büroorganisation und die Schreibarbeit durchweg an einer MS-Dose vollzogen wurde.

Und trotzdem gewann auch das PowerBook mein Herz, weil es irgendwie der leichte Bruder des Macintosh war. Was sie verbindet: Beide waren tragbar, knuffig und hatten Schwarz-Weiß-Displays. Weil ich nun oft Arbeiten, die ich im Office begonnen hatte, zuhause weiterführte, also einen echten Bedarf für einen tragbaren Computer hatte, wurde das ziemlich lahme PowerBook 140 mit 10-MB(!)-Festplatte das Arbeitspferd in meinem Stall. Schnell wurde ich zum Virtuosen am Trackball, diesem dicken Ding am unteren Tastaturrand, das man mit einem Dreh ausbauen konnte, um damit jemanden totzuwerfen. Außerdem genoss ich die neidischen Blicke der Mitreisenden, wenn ich mit diesem schweren, aber ultracoolen Teil im Zug so tat, als müsste ich was Dringendes bearbeiten. Das waren noch Zeiten…

Die erste Riesenenttäuschung: Newton
Irgendwann im frühen Frühling des Jahres 1993 schwang ich mich bei winterlichen Temperaturen auf meine Moto Guzzi und düste nach Frankfurt. Apple hatte zur Presseveranstaltung in die dortige Alte Oper geladen, und nur die Eingeweihtesten der Eingeweihten wussten, was kam. Vor gefühlt Tausenden von Leute präsentierte man das … MessagePad! Das Ding, dass allgemein „Newton“ genannt wurde, und in den Worten des Präsentatorenteams ALLES würde lösen können. Zumal es – tät-tääää! – über Handschriftenerkennung verfügte. Man könne zudem Nachrichten rund um den Globus zwischen MessagePads austauschen, einfach so.

Apple Newton - das nie erfüllte Versprechen
Apple Newton – das nie erfüllte Versprechen
Der Saal war gesteckt voll mit allen, die in der Computerei jener Tage bekannt waren, vor allem natürlich mit uns Apple-Freak, die wieder einmal das Gefühl genossen, ganz vorne dran zu sein am Puls der Zeit. Tatsächlich demonstrierte man uns, wie ein Apple-Mensch in Australien was kritzelte, das dann in Druckbuchstaben auf dem Newton in der Alten Oper erschien. Wow! Später mussten die Apple-Leute zugeben, dass für diesen Fake eine Armada an schwerem Rechnergerät aufgefahren worden war. Egal, ich stand auf diese Gadgets, ich wollte einen Newton! Und bekam keinen… Vielleicht war dies der Moment, in dem mein Verhältnis zu Apple den entscheidenden Knick gekriegt hat. Wäre meine Begeisterung nicht so riesengroß gewesen, hätte schon Renate Knüfer, damals Pressesprecherin der Apfel-Firma, dafür gesorgt.

Als wir für einen Vergleichstest der Data Welt gegen Atari ST und Commodore Amiga einen Mac bei ihr anforderten, gab sie uns mit auf den Weg, auf keinen Fall solle der als „klein, stark und schnell“ apostrophiert werden, das sei ja unser üblicher Jargon als Homecomputerzeitschrift, war ich ernsthaft beleidigt. Vor allem, weil diese Aufforderung mit der unterschwelligen Drohung verbunden war, im Fall des Zuwiderhandelns unserer Redaktion nie, nie, nie wieder Apple-Geräte testweise zur Verfügung zu stellen.

Probleme, Problem und das Fisher-Price-Activity-Center
Nun hatte ich nicht wegen eines Newton zum Testen angefragt, denn in jenen Jahren war ich überhaupt nicht als Tester unterwegs, sondern nur gebeten, mir einen zu verkaufen – am liebsten über den Apple-Händler meines Vertrauens. Ich bekam nicht einmal eine offizielle Antwort von Apple. Informell bedeutete man mir, ich möge mich mal bitte ganz hinten in der Schlange anstellen, der Newton sei schließlich ein Livestyle-Produkt, da hätten die Journalisten der Zeitschriften und Zeitungen natürlich Vorrang. Viele von denen besprachen das MessagePad positiv, obwohl kaum einer von den Kollegen das jeweilige Testgerät auch nur annähernd dazu kriegte, seine Handschrift zu verstehen.

Im Hintergrund tobten schon die Erbfolgekriege, und der ausgesperrte Steve Jobs rüttelte heftig am Haupteingang der Apple-Zentrale. Zwischendurch hatte er seinen Ruf in der weltweiten Computerszene mit dem NeXT aufpoliert, dem vielleicht aufregendsten Computer der Neunzigerjahre, einer echten UNIX-Maschine mit einem so extrem feinauflösenden Schwarz-Weiß-Bildschirm, das zum Beispiel die fotografischen Meisterwerke eines Ansel Adams darauf fast so gut aussahen wir in einem Kunstdruckband. Schnell war das Teil: Der als Demo mitgelieferte Flugsimulator überforderte selbst ausgewiesene MS-FS-Virtuosen, weil mancher Anflug beinahe Echtzeit-Niveau erreichte.

iBook - das Fisher-Price-Activity-Center für Erwachsene
iBook – das Fisher-Price-Activity-Center für Erwachsene
His Jobness war dann 1997 wieder im Hause, nachdem Apple aus eher merkwürdigen Gründen NeXT gekauft und den ollen Steve quasi als Dreingabe im Einkaufskorb gefunden hatte. So richtig gut ging’s dem Unternehmen damals nicht, denn außerhalb der kreativen Berufe rund um Werbung, Grafik, Musik und Video benutzte NIEMAND einen Mac oder ein PowerBook – außer ein paar Bekloppten wie ich. Steve Jobs aber hatte einen Plan: Apple zu einer DER großen Lifestyle-Marken zu machen, also vor allem rasch in den Consumer-Markt vorzudringen. Das Ergebnis hieß iBook, kam 1999 und sorgte dafür, dass ich mit Apple endgültig brach. Denn erstens sah dieses iBook aus wie ein Fisher-Price-Activity-Center – rundlich, quietschbunt und peinlich. Zweitens war die zugehörige Betriebssystemversion das Ende jeglicher Kompatibilität mit irgendwelchen Windows-Maschinen. Und drittens ging mir der anschwellende Marketing-Hype auf den Geist.

In der zweiten Folge dieser strunzsubjektiven Betrachtung geht es um das Entstehen der Apple-Fanboys, die beginnende Jobs-Verehrung und den Trend zur Apple-Küchenmaschine.

[Fotonachweise: Alle Fotos via Wikimedia]

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