Digitalisierung in Tippelschritten

„Krsccccch hat der Bundestag in seiner frpfrpfrp heute Nachmittag shhhhhhchapchap…“. Ich stürze aus meinem Zimmer und schalte das verdammte Radio aus. Franziska findet das gar nicht witzig. „Sorry, ich kann das so nicht hören,“ entschuldige ich mich und versuche ihrem Blick auszuweichen. Ich lasse mich nämlich von solchen Geräuschen ganz leicht aus der Konzentration reißen. Störungen! Tonstörungen! Gruselig.

Aber es gibt noch ein größeres Problem als die Tonstörungen: Franziska würde gerne Radio hören und sieht mich immer noch vorwurfsvoll an. Der Hausfrieden steht auf dem Spiel. Was also tun?

Die Antwort: Digitalisieren! Das alte analoge Radio kommt weg und wir bestellen uns ein neues. Mit WLAN. Schließlich gibt es „B5 aktuell“ auch als Livestream. Wozu sich mit labberigen Antennenkabeln herumärgern. Bandbreite haben wir genug. Also bestellen wir ein Blaupunkt-Radio – mit WLAN, Analogempfang (man weiß ja nie) und DAB+.

Dieses Radio soll Frieden bringen - dank Digitalisierung
Dieses Radio soll Frieden bringen – dank Digitalisierung

Aufgebaut und eingerichtet ist das Radio in Nullkommanix. In Sachen Benutzerführung haben Radio- und HiFi-Hersteller wirklich dazu gelernt.

So einfach geht das heute: Anschluss an das WLAN per WPS.
So einfach geht das heute: Anschluss an das WLAN per WPS.

Nun kann Franziska glasklar Bayern 5 aktuell hören ganz ohne Störungen. Übrigens läuft das Radio nicht wie geplant via WLAN, sondern über DAB+. Das ist dieses digitale Radio, von dem so lange die Rede war. Ich dachte, das sei eine urbane Legende. Aber es funktioniert wirklich.

Alles dran am neuen Radio: Antenne für analogen und digitalen Empfang und die WLAN-Antenne.
Alles dran am neuen Radio: Antenne für analogen und digitalen Empfang und die WLAN-Antenne.

Und was hat das jetzt mit der Digitalisierung des Mittelstands zu tun?

Wir haben also digitalisiert, oder nicht? Schließlich haben wir ein analoges Gerät mit einem digitalen ersetzt. Aber ist das wirklich Digitalisierung? Schließlich nutzen wir seit Jahrzehnten Computer, Smartphones gehören zum Alltag und um das Heizen kümmern sich smarte Thermostate. Wir sind schon ziemlich digital. Wenn jetzt jemand zu mir käme und sagte: „Du verlierst den Anschluss, digitalisiere Dich!“, ich könnte ihn nicht ernst nehmen.

Vielleicht ist das das Problem der Digitalisierung? Dass niemand die Digitalisierungs-Schreie der IT-Branche ernst nimmt? Dabei sind sie doch laut und penetrant. Und irgendwie auch furchterregend. Sind das etwa Digitalisierungs-Daleks, die nur ein Wort können: „DIGITALISIEREN!“

Digitalisierung und CeBit gehören zusammen, zumindest in der Schlagwortwolke des - auf der CeBit vorgestellten - Projekt News-Stream.
Digitalisierung und CeBit gehören zusammen, zumindest in der Schlagwortwolke des – auf der CeBit vorgestellten – Projekt News-Stream.

Vielleicht ist diese Digitalisierung, die seit Jahren in der Branche diskutiert wird, gar nicht so disruptiv, wie man uns weiß machen will? Vielleicht müssen sich Handwerk, Mittelstand und Industrie gar nicht sofort digitalisieren, um mithalten zu können? Vielleicht sind sie schon in weiten Teilen digital und zufrieden damit?

Ich glaube, Digitalisierung ist ein evolutionärer Prozess, zu dem man niemanden drängen muss. Unternehmen wissen schon, wenn es so weit ist, nämlich spätestens dann, wenn ihr Radio rauscht und erneuert werden muss – so wie bei uns daheim. Oder eben ein anderes altes Teil. Dann ist es so weit. Bis dahin werden sich die Digitalisierungs-Daleks leider gedulden müssen.

4 Gedanken zu „Digitalisierung in Tippelschritten“

  1. Ich habe Beides. Internetradio und ein DAB-Radio. DAB habe ich auch im Auto ausprobiert – wieder ausgebaut – unbrauchbar. Hat man an einem festen Standort ein stabiles DAB-Signal ist das ok, aber nicht im Auto. Digital heisst eben auch, null oder eins, sein oder nicht sein, oder Empfang oder eben keiner.

    Internetradio ist mein persönlicher Favorit. Allein die Vielzahl der Sender ist eindeutig DAB überlegen. Eine stabile DSL-Leitung solte man aber haben. Schliesslich „strömen“ die Daten kontinuierlich in das Gerät.

    So steht jetzt in der Küche ein DAB-Radio, für B1 bis B5, mehr nicht. Aber im Wohnzimmer hängt ein Internetradio an der großen Anlage und ich habe die Vielfalt des Internets, dank einem stabilen DSL-Anschluss. Nein, mein Provider ist nicht die Telekom!

    Analog? Ja ich habe noch ein kleines Kofferradio, alt aber gut. Steht im Bad. Noch.

    1. So sieht das auch bei uns aus: Küche das DAB-Radio (immernoch mit der Fallback-Option auf WLAN), im Wohnzimmer der Receiver, der irgendwie so alles kann. Komischerweise nutzen wir den sehr selten für Audio, meist nur für den TV. Und, ja, im Bad steht noch so ein Sony-Würfel, ganz analog. Macht bislang auch keine Probleme, also darf er noch ein bissl da stehen :)

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