Ein frühes Bluetooth-Headset (Bildnachweise: siehe unten)

Bluetooth – eine Erfindung mit vielen Vätern

Das Spannendste an diesem weitverbreiteten Standard für die drahtlose Datenübertragung über kurze Entfernungen ist nicht der eigenartige Name. Wie es dazu kam, ist allerdings eine lustige Geschichte und ein Hinweis darauf, dass die Wurzeln dieser Technologie in Skandinavien zu verorten ist. Jim Kardach, ein Intel-Ingenieur, der zu den Gründern der Bluetooth Special Interest Group (SIG) zählt, berichtet, er habe sich mit dem Kollegen Sven Mattison einmal lange über die nordische Geschichte unterhalten, was ihn dazu gebracht, sich näher mit dem Thema zu befassen. Dabei sei er auf Abbildungen der Runensteine von Jelling gestoßen, die ein gewisser Harald I. Gormsson im 10. Jahrhundert errichtet hat. Ihn hätten vor allem die dort verwendeten Runen und der Beiname des Dänenkönigs fasziniert: Blauzahn.

Harald Blauzahn lässt sich taufen (Abb.: (c) art archive)
Harald Blauzahn lässt sich taufen (Abb.: (c) art archive)

Also schlug er „Bluetooth“ als Codename für das Projekt vor, und man kam überein, diesen Begriff zu verwenden, bis man „etwas Cooleres gefunden“ hätte. Dass es bei Bluetooth blieb, lag vor allem daran, dass die eher technisch orientierten Namen schon besetzt waren. Ob König Harald tatsächlich den Beinamen „Blauzahn“ führte, ist übrigens umstritten, weil die Bedeutung der entsprechenden Runen nicht eindeutig ist, und dass Harald den Beinamen seinen schlechten Zähnen verdankte, ist nicht mehr als eine von vielen Legenden. Jedenfalls wählte Kardach eine Kombination der Runen für die Buchstaben H und B als Logo für die Bluetooth SIG. Und dabei blieb es.

Das offizielle Bluetooth-Markenzeichen (Abb.: Bluetooth SIG)
Das offizielle Bluetooth-Markenzeichen (Abb.: Bluetooth SIG)

Dass die Bluetooth-Technologie vor allem von skandinavischen (aber auch niederländischen) Ingenieuren vorangetrieben wurde, hat damit zu tun, dass Unternehmen wie Ericsson schon in den späten Achtzigern intensiv am Thema „Mobilfunk“ arbeiteten und sich überhaupt mit der drahtlosen Datenübertragung befassten. Als Visionär solcher Technologien gilt der damalige Ericsson CTO Nils Rydbeck, der die Kollegen Tord Wingren, Jaap Haartsen und Sven Mattison damit beauftragte, auf Basis der Patente von Johan Ullmann einen Standard zu entwickeln.

Eines der ersten Ericsson-Bluetooth-Module (Bildnachweis siehe unten)
Eines der ersten Ericsson-Bluetooth-Module (Bildnachweis siehe unten)

Gedacht war in erster Linie an die drahtlose Verbindung von Kopfhörern mit Mobilfunkgeräten, aber auch an die Möglichkeit, drahtlose Netze mit sehr geringer Reichweite zu errichten, sogenannte Personal Area Networks (PAN) – ein Begriff, der sich nie durchsetzte. Waren anfangs nur drei oder vier Unternehmen an der Special Interest Group beteiligt, kamen im Laufe der frühen Neunzigerjahre immer mehr Firmen dazu, die ein Interesse an entsprechenden Lösungen zeigten – unter anderem Intel und IBM. 1996 trafen sich dann Vertreter von Ericsson, Nokia und Intel, um ausgehend von der bis dahin durchgeführten Forschung und der ersten Entwicklungen, um die konkrete Standardisierung dieser Kurzstrecken-Funktechnologie zu planen, damit zukünftig Geräte verschiedenster Hersteller über einen gemeinsamen Standard kommunizieren konnten.

Ein etwas altmodischer Bluetooth-Dongle (Bildnachweis siehe unten)
Ein etwas altmodischer Bluetooth-Dongle (Bildnachweis siehe unten)

Im Jahr 1997 wurde die Sache dann konkret. Adalio Sanchez, damals Chef der F&A-Abteilung rund um die IBM-ThinkPad-Produkte, hatte die Idee, ein Mobilphone direkt in seine Laptops zu integrieren, sodass man also mit dem Tragbaren und einer SIM-Karte direkt hätte telefonieren können. Allein, der hohe Strombedarf der damaligen Mobilfunk-Chips hätte dazu geführt, dass diese im Betrieb die Akkus schnell leergesaugt hätten. Zu diesem Thema war Jim Kardach von IBM ins Gespräch (siehe oben) mit Sven Mattison gekommen, und sie einigten sich schließlich darauf, dass sowohl in ThinkPad-Computern als auch in Ericsson-Handys Bluetooth-Baugruppen integriert werden sollten. Damit war es möglich, diese Geräte drahtlos miteinander zu verbinden. So konnte das Mobiltelefon vom Laptop aus gesteuert werden – und umgekehrt.

Bluetooth-Kopfhörer haben heute viele (Bildnachweise siehe unten)
Bluetooth-Kopfhörer haben heute viele (Bildnachweise siehe unten)

Weil das keine Insellösung bleiben sollte, verständigten sich Rydbeck (Ericsson) und Sanchez (IBM) darauf, Bluetooth zu einem offenen Standard zu erklären, die Spezifikationen zu veröffentlichen und eine Entwickler-SIG zu gründen, die gemeinsam an diesem Standard arbeiten sollte. Auf der COMDEX 1999 wurde das allererste Bluetooth-Device, ein drahtloser Ohrhörer, als bestes Produkt der Messe ausgezeichnet. Aber erst 2001 kam mit dem Ericsson T39 das erste bluetooth-fähige Handy auf den Markt. Etwas zeitgleich präsentierte IBM das ThinkPad A30 mit integrierter Bluetooth-Einheit.

Bluetooth-Boxen können eine Landplage sein (Bildnachweis siehe unten)
Bluetooth-Boxen können eine Landplage sein (Bildnachweis siehe unten)

Dass damals immer noch der Begriff PAN durch die Bluetooth-Welt schwirrte, verwirrte nicht wenige Beobachter der IT- und Mobilfunkszene. Ich erinnere mich an Diskussionen mit ELSA-Mitarbeitern und einem namhaften E-Commerce-Pionier Ende 2001 über die Frage, ob Bluetooth möglicherweise das bessere WLan sei. Zum Allgemeingut aber wurde die Technologie besonders durch Nokia – ebenfalls Mitglied der SIG. Der finnische Handy-Gigant integrierte Bluetooth nämlich ab 2002 in alle seine Geräte und baute auch gleich sinnvolle Anwendungen. So konnte man beispielsweise schon damals Einträge aus den Adressbüchern von Nokia-Handys und Palm-Handheld miteinander synchronisieren.

Die Bluetooth-Väter (von oben links nach unten rechts): Nils Rydbeck, Sven Mattison, Jim Kardach, Torrd Wingren, Jaap Haartsen, Adalio Sanchez (Collage aus verschiedenen Quellen) Die Bluetooth-Väter (von oben links nach unten rechts): Nils Rydbeck, Sven Mattison, Jim Kardach, Torrd Wingren, Jaap Haartsen, Adalio Sanchez (Collage aus verschiedenen Quellen)

Heute ist Bluetooth im wahrsten Sinne des Wortes allgegenwärtig. Laut der Bluetooth-Website werden im Jahr 2023 mehr als 5,4 Milliarden Geräte ausgeliefert, die den Bluetooth-Standard nutzen. Auch die Entwicklung geht rasant weiter. Am Lizenzprogramm der Bluetooth-SIG sind mittlerweile mehr als 40.000 Unternehmen beteiligt, und im Jahr 2022 wurden mehr als 70.000 neue Produkte mit Bluetooth-Technologie zertifiziert. Wenn also irgendeine Drahtlostechnik weltweiter Standard ist, dann Bluetooth. Dabei hat dieser bahnbrechende Standard viele Väter: Johan Ullman, Nils Rydbeck, Tord Wingren, Sven Mattison, Jaap Haartsen, Jim Kardach und Adalio Sanchez. DEN Bluetooth-Erfinder gibt es also nicht…

[Bildnachweis: Ericsson-Bluetooth-Modul (Nixdorf via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 4.0); frühes Bluetooth-Headset (Ed g2s via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0); Bluetooth-Dongle (Abidh786 via Wikimedia in der public domain); alle weiteren Fotos via pixabay.com)]

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