Nvidia-Chef Jensen Huang bei der Hardware-Messe Computex in Taiwan (Foto: Nvidia/AFP)

Ranking der Chip-Hersteller: Ist Nvidia das neue Intel?

Um die Eingangsfrage kurz und knapp zu beantworten: Ja. Wobei entgegen aller Wahrnehmung über die Jahrzehnte Intel nie so wichtig war wie es Nvidia heute ist. Und das hat, na klar, etwas mit dem Hype-Thema unserer Zeit zu tun: der Künstlichen Intelligenz (kurz: KI, oder englisch: AI). Wobei es schon ein wenig flapsig ist, AI als Hype zu betrachten, denn Hypes kommen und gehen, und die Künstliche Intelligenz ist hier, um zu bleiben. Die Möglichkeiten selbstlernender Systeme, da sind sich die Fachleute einig, werden unsere Welt stärker verändern als beispielsweise der persönliche Computer oder das Internet. Denn die KI wird in sämtliche Wirtschafts- und Lebensbereiche eingreifen und tut das schon heute.

Apple M1 - ein aktueller Höhepunkt der Mikroprozessor-Technik (Foto: Apple)
Apple M1 – ein aktueller Höhepunkt der Mikroprozessor-Technik (Foto: Apple)

Lange haben die altbekannten Halbleiterhersteller, allen voran Intel, das Thema nicht gesehen oder unterschätzt oder sich in immer neue Wettbewerbe mit anderen altbekannten Halbleiterherstellern gestürzt, bei denen es oft um alltagsferne Geschwindigkeitsrekorde ging. Apple ging einen anderen Weg und legte seine selbstentwickelte und unter eigenem Namen seit 2020 gefertigte M-Reihe von vornherein als System-on-a-Chip (SoC) an, eine Form von Chip, bei der möglichst viele Funktionen eines Computersystems auf einem einzigen Bauteil versammelt werden.

Da musste erst Google kommen, um mit der Tensor-Baureihe ebenfalls SoCs zu entwickeln und bauen zu lassen, damit auch dem letzten Hardwarefanatiker klar wurde, dass es nicht mehr bloß um Speed geht, sondern speziell um die Beschleunigung der Prozesse beim maschinellen Lernen. Abgeguckt hat sich Google das Prinzip vermutlich bei Nvidia, einem Unternehmen, dass immer noch gern bloß als Grafikkartenschmiede gesehen wird.

Google Tensor - vielleicht die Krone der Schöpfung bei den Mikroprozessoren (Foto: Google)
Google Tensor – vielleicht die Krone der Schöpfung bei den Mikroprozessoren (Foto: Google)

Dabei hat Jensen Huang schon lange eine andere Idee in Bezug auf seine Chipsätze und SoCs im Kopf. Nämlich die Beschleunigung ganz bestimmter Prozesse und nicht einfach nur des Rechnens mit Einsen und Nullen im Sinne einer CPU. Nvidia-Chips waren immer schon spezialisiert, traditionell auf das Schnellermachen der Computergrafik, also des Renderns der Bilder, die am Display zu sehen sind. Diese Spezialisierung brachte teilweise aberwitzige Geschwindigkeitsrekorde, die aber eben nur Auswirkungen auf die Pixelschubserei hatten.

Es waren die ersten Freaks der Bitcoin-Szene, die erkannten, dass man Nvidia-Grafikmaschinen auch im Sinne des Minings nutzen konnte, also der Ausführungen von Berechnungen, die dem „Auftraggeber“ neue Coins bringen. Und zwar nach dem Proof-of-Work-Prinzip. Dabei handelt es sich um einen Konsensmechanismus, der bei Bitcoin zum Einsatz kommt und von „Minern“ betrieben wird. Diese lösen komplizierte Rechenaufgaben, um den nächsten gültigen Block an die Blockchain zu heften. Als Belohnung bekommen sie dafür eine frische Kryptomünze. Je schneller deren Systeme rechnen können, desto mehr Bitcoins können Miner pro Zeiteinheit schürfen.

GeForce RTX Studio - mehr als nur Grafik (Abb.: Nvidia)
GeForce RTX Studio – mehr als nur Grafik (Abb.: Nvidia)

In einer sehr frühen Phase der Krypto-Ära fanden taiwanesische Miner heraus, dass man diese speziellen Rechenaufgaben prima an Nvidia-Grafiksysteme delegieren konnte und entwickelte entsprechende Programme. Plötzlich boomte das Nvidia-Geschäft, und in Zehntausenden Rechenzentren werkelten deren Systeme rund um die Uhr am Bitcoin-Mining … und verbrauchten zunehmend Strom, irrsinnige Mengen Strom. Inzwischen ist mit Ethereum eine andere Kryptowährung auf das Proof-of-Stake-Prinzip umgestiegen, das keine Myriaden an Rechenprozessen erfordert.

Nun ist Jensen Huang, der Nvidia-Gründer und -Mastermind, ein schlaues Kerlchen und ein scharfer Beobachter der Digitalindustrie. Nach eigenem Bekunden hat er sich bereits so um 2010 intensiv mit dem Stand der KI-Technik befasst, also mit den hardwareseitigen Anforderungen kommender KI-Systeme. Ihm wurde rasch klar, dass es auch beim Maschinenlernen um das Beschleunigen von speziellen Teilprozessen gehen würde und dass das Prinzip dahinter sich nicht sehr von der Grafikbeschleunigung unterscheiden würde.

HGX A100 - das aktuelle KI-Monster von Nvidia (Foto: Nvidia)
HGX A100 – das aktuelle KI-Monster von Nvidia (Foto: Nvidia)

Mit dem Bitcoin-Boom hat Nvidia ab 2017 ordentlich Geld verdient und alles, was verfügbar war, in die Entwicklung von KI-Beschleunigern investiert. Das haben die Märkte im Verlaufe dieses Jahr, das ja vom oben erwähnten „KI-Hype“ geprägt ist, erkannt und Nvidia als erstem Halbleiterhersteller einen Börsenwert von mehr als einer Billion US-Dollar (Marktkapitalisierung zum Börsenschluss am 30. Mai 2023) beschert. Dies auch, weil Huang ankündigen konnte, dass bis zum Jahresende ein Umsatz von mehr als 11 Milliarden US-Dollar erwartet werde – anstatt der prognostizierten 7,2 Milliarden US-Dollar. Diese Erhöhung geht eindeutig auf das Konto der Nvidia-Produkte rund um die KI, denn der Markt für Grafikbeschleuniger stagniert oder ist gar rückläufig.

Die PwC-Liste der Top-100-Unternehmen nach dem Börsenwert (SCreenshot)
Die PwC-Liste der Top-100-Unternehmen nach dem Börsenwert (SCreenshot)

Damit ist Nvidia laut der Top-Global-100-Companies-Liste der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCooper (PwC) auf Platz 6 hinter solchen Schwergewichten wie Apple, Microsoft, Saudi Aramco, Alphabet (Google) und Amazon; noch vor Tesla, Visa und LVMH. Intel dagegen muss sich mit einer Marktkapitalisierung von „gerade einmal“ rund 150 Milliarden US-Dollar mit Platz 80 begnügen und liegt gegen andere Chiphersteller wie Broadcom, Qualcomm und AMD – alle zwischen den Positionen 60 und 75 – im Hintertreffen.

Kann natürlich sein, dass die Nvidia-Rallye nicht immer so weitergeht, weil andere Unternehmen sich auf denselben Markt stürzen. Das Zeug dazu hätte neben den genannten Chipherstellern höchstens noch die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) als größter Auftragshersteller von Chips – die aber entwickeln gar nicht selbst.

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